Niedersachsen will als letztes Bundesland an Studiengebühren festhalten. Auch Zukunft der Gesamtschule steht am 20. Januar auf dem Spiel.

Hannover. CSU-Chef Horst Seehofer lobt den niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister bei jeder sich bietenden Gelegenheit über den grünen Klee. Aber ausgerechnet Seehofer macht als bayerischer Ministerpräsident McAllister das Leben schwer mit seiner Ankündigung, er wolle in seinem Bundesland die Studiengebühren auf jeden Fall abschaffen. Damit steht die CDU/FDP-Landesregierung von Niedersachsen in einem zentralen Feld der Bildungspolitik als bundesweit letzter Spielverderber da, der ganz allein die Studenten unbarmherzig weiter zur Kasse bittet.

SPD, Grüne und Linke thematisieren den Streit um die Studiengebühren im Wahlkampf auch deshalb gerne, weil im weiten Feld der Bildungspolitik dieses Mal das beliebteste Thema der Oppositionsparteien wegfällt: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Zahl der Lehrerstellen seit Machtübernahme 2003 von 58.000 auf 63.000 gehievt und auch sonst Wort gehalten: Es gibt, anders als etwa in Schleswig-Holstein, keine Kürzungen im Bildungshaushalt unter Hinweis auf rückläufige Schülerzahlen. Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) zieht inzwischen gerne übers Land und preist eine Unterrichtsversorgung, die teils bei mehr als 100 Prozent liegt.

Was bleibt, ist die Diskussion über die Zukunft der Gesamtschulen. CDU und FDP haben in zwei Legislaturperioden 3830 Neugründungen erlaubt, aber sie stehen jetzt auf der Bremse, um langfristig die Gymnasien in Zahl und Größe zu erhalten. Neue Gesamtschulen müssen auf zehn Jahre im Voraus eine ausreichende Zahl an Schülern für fünf Klassen je Jahrgang nachweisen. Mit der vor zwei Jahren eingeführten Oberschule strebt der Kultusminister zudem erklärtermaßen ein langfristig zweigliedriges Schulsystem an, indem immer mehr Haupt- und Realschulen zu Oberschulen umfunktioniert werden. Die Oppositionsparteien wollen die Errichtung neuer Gesamtschulen erleichtern, aber sich nicht wirklich mit der starken Lobby der Gymnasien anlegen. Kommt es so, wie es sich der SPD-Herausforderer Stephan Weil wünscht, wird die Entscheidung über neue Gesamtschulen letztlich von den kommunalen Schulträgern getroffen, die dann auch vor Ort die Prügel kassieren sollen.

Frauke Heiligenstadt, Schattenkultusministerin der SPD, pocht zudem darauf, an Gesamtschulen wieder das Abitur nach neun statt der jetzt vorgeschriebenen acht Jahre zuzulassen.

Natürlich wollen SPD, Grüne und Linke mehr Schulpsychologen, eine andere Lehrerausbildung und mehr Ganztagsschulen mit besserer Finanzausstattung. CDU und FDP aber können darauf verweisen, dass sie binnen zehn Jahren aus anfangs nur 150 rund 1500 Ganztagsschulen gemacht haben - Tendenz weiter steigend. Auch das ist also nicht der Stoff, aus dem der ganz große, polarisierende Wahlkampfhit der Opposition werden könnte.

Aber zur Verantwortung des Kultusressorts unter dem bedächtig agierenden Minister Althusmann gehört auch noch die Verantwortung dafür, bis Mitte kommenden Jahres den Rechtsanspruch auf die Betreuung der bis zu Dreijährigen sicherzustellen. Hier liegt Niedersachsen, zusammen mit Nordrhein-Westfalen, im Vergleich der Bundesländer ganz hinten - aber das war auch schon zu SPD-Regierungszeiten bis Anfang 2003 nicht anders. CDU und FDP wollen die Quote noch im kommenden Jahr auf 35 Prozent schrauben und hoffen, dass vor allem in den ländlichen Regionen das tradierte Familienmodell noch so ausgeprägt ist, dass es zu keiner Klagewelle von Eltern kommt, die auf ihren Rechtsanspruch pochen.

Bei der Inklusion, der gemeinsamen Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Kindern, hinkt Niedersachsen ebenfalls hinterher. Dauerärger hat der Minister außerdem von seiner Vorgängerin Elisabeth Heister-Neumann geerbt. An Ganztagsschulen sind Tausende von Verträgen mit Betreuern an den Nachmittagen abgeschlossen worden, die jetzt von der Rentenversicherung moniert werden als Scheinselbstständigkeit. Sehr zum Ärger der Eltern und der Oppositionsparteien hat Althusmann zudem einen Konflikt mit den Lehrern entschärft: Die Schulinspektion, die in der Vergangenheit die Arbeit an den Schulen regelmäßig überprüfte, wurde entmachtet.

Besonders schwierig im Wahlkampf ist die Rolle von Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU). In gleicher Funktion in Brandenburg hat sie viele Jahre die Gebührenfreiheit fürs Studium vertreten. Jetzt argumentiert sie damit, dass die Zufriedenheit der Studenten in Niedersachsen besonders groß ist und hier besonders viele Studenten auch zum Abschluss kommen eben wegen der guten Studienbedingungen dank Studiengebühren. Faktum ist aber andererseits, dass Niedersachsen trotz Studiengebühren deutlich weniger Studienplätze anbietet als Landeskinder ein Studium aufnehmen. Im Saldo verlassen rund 30.000 junge Leute das Bundesland, und die Opposition warnt, dem Land gehe so Potenzial dauerhaft verloren. Das Statistische Landesamt warnte schon vor Jahren, hier zeichne sich ein Verlust von Talenten ab.