Am Wurmberg entsteht ein modernes Skigebiet, in Torfhaus wird derzeit ein Vier-Sterne-Resort gebaut. Vielerorts wird investiert.

Goslar. Der erste Schnee ist schon gefallen, unten am Fuß des Wurmbergs lassen die zusammengeschmolzenen Reste den nahen Winter ahnen. Familien mit Rucksäcken sind unterwegs, einige Rentner mit Wanderstöcken. Der Andrang ist, sagen wir, überschaubar. Noch. Wenn erst mal richtig Schnee liegt und die Wintersportler in den Harz strömen, muss man schon mal eine Stunde warten oder auch länger, um auf Niedersachsens höchsten Gipfel zu gelangen. Und bald könnten sogar noch viel mehr kommen. Der Wurmberg im Landkreis Goslar soll zu einem modernen Skigebiet ausgebaut werden, mit neuen Pisten, einem weiteren Lift und Schneekanonen - Schneegarantie inklusive. "Das Vorhaben ist sehr wichtig für den Tourismus", sagt Braunlages Bürgermeister Stefan Grote (SPD). Vor einigen Wochen haben die Bauarbeiten begonnen.

Es tut sich was im Harz. Lange galt das westliche Teil des Mittelgebirges als touristischer Sanierungsfall: erstarrt im angestaubten Charme der frühen 70er-Jahre der BRD mit Waschbeton, ruppigen Bedienungen, Tiefkühltorten und durchgelegenen Pensionsbetten. So magisch-schön die dunkeln Wälder auch sind, wenn der Nebel darin hängt wie in einem verwunschenen Märchenland - immer weniger Touristen kamen. Inzwischen ist Aufbruchstimmung zu spüren und zu sehen. Der Ausbau des Wintersport-Areals am Wurmberg ist eines von mehreren Projekten, mit denen die Urlaubsregion aus der Krise kommen will. Am Bocksberg in Hahnenklee wurde in diesem Jahr die mit 1250 Metern längste Sommerrodelbahn Nordeuropas eröffnet, Ferienhausanlagen etwa am Torfhaus und in St. Andreasberg sind im Bau oder in konkreter Planung und auf der Okertalsperre könnte ein spektakulärer Hotelbau entstehen.

"Die Trendwende ist eingeläutet, aber wir sind noch lange nicht fertig", sagt Carola Schmidt vom Harzer Tourismusverband und präsentiert stolz die aktuellen Übernachtungszahlen. "Von Januar bis August diesen Jahres haben wir ein Plus von gut sechs Prozent." Und zwar nicht nur, weil alle auf den Brocken oder ins schmucke Ostharz-Zentrum Wernigerode wollen - mit 2,3 Millionen Übernachtungen (plus 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) ist der niedersächsische Teil maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt.

Auch Bürgermeister Grote, seit einem Jahr nicht nur für die in die Jahre gekommene Westharz-Metropole Braunlage, sondern auch für das fusionierte St. Andreasberg zuständig, sieht erste Erfolge: "2012 schaffen wir nach Jahren mit Verlusten wieder eine Steigerung der Urlauberzahlen." Es ist ein Weg der kleinen Schritte, hier wird ein Hotel saniert, dort ein Geschäft wiedereröffnet. Den großen Schub soll der Ausbau des Ski-Areals auf dem 971 Meter hohen Wurmberg bringen. Geplant sind unter anderem ein neuer Vierer-Sessellift, Schneekanonen und Pistenbeleuchtung. Außerdem sollen zwei neue Abfahrten entstehen und vorhandene verbreitert werden. Zehn Millionen Euro sind veranschlagt, den Löwenanteil übernimmt die Wurmbergseilbahn GmbH, dazu kommen zwei Millionen Euro Fördermittel vom Land und 1,1 Million Euro von der Stadt. Die Fertigstellung ist für Ende 2013 anvisiert.

Doch das Vorhaben ist auch umstritten. Naturschützer kritisieren "den brutalen Eingriff in die Natur". Das ist die Kehrseite des touristischen Aufbruchs. Inzwischen sind 16 Hektar Wald gerodet, ein neuer Großparkplatz ist im Bau. "Das ist kein nachhaltiges Investment", wettert Friedhard Knolle von der Arbeitsgemeinschaft der Harzer Umweltverbände und verweist auf den Klimawandel. "Experten sagen, dass Beschneiungsanlagen in diesen Höhenlagen gerade noch 14 Jahre Sinn machen. Das Geld sollte besser in nachhaltigen Tourismus investiert werden." Die Verbände werfen den Investoren juristische Winkelzüge vor und haben Rechtsmittel eingelegt. Auch weil die Planung mit dem auf der östlichen Seite des Bergs gelegenen Schierke nicht abgestimmt ist. Von dort soll nämlich auch ein neuer Sessellift auf den Wurmberg führen.

Deutlich entspannter läuft es momentan im benachbarten St. Andreasberg. Zwar wirkt das beschauliche Bergstädtchen an vielen Tagen noch wie ausgestorben, aber nach jahrelangem Hickhack ist in den vergangenen Wochen ein lange geschlossenes Schwimmbad abgerissen worden. Ursprünglich sollte auf dem zwei Hektar großen Areal mit bestem Panoramablick ein Luxushotel entstehen. Der Plan war an der Finanzierung gescheitert. Nun will Investor Sven Hollesen mit seiner Planet-Haus AG dort 42 Ferienhäuschen hinstellen. "Im Harz ist ein neuer Aufschwung in Gang", attestiert der gebürtige Däne der Region.

Elf Millionen Euro investiert das Unternehmen, das nach eigenen Angaben der größte Hersteller von Ferienhausanlagen in Norddeutschland ist. Hollensens Holzhäuser stehen entlang der dänischen Westküste, in Schleswig-Holstein und auch in Brandenburg. Das Geschäftsprinzip ist immer gleich: Nach der Fertigstellung werden die im eigenen Werk hergestellten Häuser an private Eigentümer verkauft und dann über große Ketten wie Novasol vermietet. Im Harz sollen die ersten Feriengäste schon im Frühsommer 2013 einziehen.

Eine Marktlücke. Die Nachfrage nach Ferienhäusern ist groß. "Es kommen jetzt wieder mehr Familien mit Kindern", sagt Fremdenverkehrsmanagerin Schmidt. "Der Imagewandel ist in Gang." Um die Attraktivität des Harzes weiter zu steigern, müsse sich die Region als Ganzes verstehen. Das ist das Credo der gebürtigen Hallenserin, und zugleich die größte Schwierigkeit. Als Geschäftsführerin des Tourismusverbandes ist sie die Einzige, die den gesamten Harz mit West und Ost, drei Bundesländern, fünf Landkreisen und 1500 Hotels, Pensionen und Gaststätten vertritt. "Es ist eine stetige, kleinteilige Überzeugungsarbeit, um verbindende Elemente zu finden", sagt Schmidt. Seit vergangenem Jahr gibt es endlich einen gemeinsamen, modern gestalteten Markenauftritt, Internet und soziale Netzwerke spielen bei den Buchungen eine wichtige Rolle. "Entscheidend ist, dass das Qualitätsbewusstsein bei den Anbietern gewachsen ist und an vielen Stellen investiert und saniert wird", sagt die umtriebige Harz-Promoterin. Leuchtturmprojekte allein reichten nicht, um die Urlaubsregion wieder in eine Spitzenposition zu bringen. "Aber sie sind wichtig, um andere mitzuziehen."

Eine besondere Stellung nimmt das Torfhaus Harzresort ein. Auf 821 Metern Höhe ist die Vier-Sterne-Ferienanlage mit Hotel und 21 Lodges und insgesamt 188 Betten seit August im Bau. "Wir sind im Zeitplan", sagt Hoteldirektor Frank Steinhäuser und marschiert zielstrebig in eins der Doppelhäuser, um den frisch eingebauten Holzofen zu begutachten. In der vergangenen Woche war Richtfest. Hinter dem 14-Millionen-Euro-Projekt mitten im Nationalpark steht ein Konsortium um die Hildesheimer Lüder-Gruppe. Zu den Investoren gehören auch der Hamburger Outdoor-Ausstatter Globetrotter und die GLC Glücksburg Consulting, die seit 2009 für eine Reihe von Kommunen im Westharz die Vermarktung übernommen hat. Für ihr Vorzeigeprojekt, zu dem eine Touristeninformation, Restaurant, Ski- und Mountainbike-Verleih und ein Globetrotter-Shop gehören, kaufte die Torfhaus Verwaltungs GmbH praktisch das ganze Dorf. Fünf marode Häuser wurden abgerissen - dort entsteht jetzt quasi ein komplett neuer Ort, ein zweiter Bauabschnitt ist auch schon angedacht.

Probleme mit Genehmigungen und Umweltschützern gab es nicht, aber viel Lob. Von Anfang an gab es viel Lob für das Resort auf dem Berg, in die Planung war auch die Nationalparkverwaltung von Anfang an einbezogen. Hotelchef Steinhäuser ist seit Juli so etwas wie der Mann für alles, von Bauberatung bis Reservierungsanfragen managt der Hotelfachmann den Betrieb derzeit noch allein. "Wir eröffnen im Mai 2013 und haben schon jetzt jede Woche zehn bis 20 Anfragen", sagt Steinhäuser. Auch erste Buchungen habe er bereits. Silvester 2013/14 sind die Holzhäuser sogar schon komplett weg.

Noch deutlich weniger konkret, dafür aber aufsehenerregend ist ein Vorhaben von zwei Harzern. Investor Heiko Rataj und Ingenieur Peter Schilling planen ein Vier-Sterne-Hotel auf der Okertalsperre. "Wir haben einen Standort gesucht, der atemberaubend ist", sagt Rataj, der unter anderem die Sommerrodelbahn in Hahnenklee gebaut und in Goslar ein Bikerhotel eröffnet hat. Das Staudammhotel würde auf vorhandene Infrastruktur aufbauen und könnte über Wasserkraft, Wärmepumpen und Solaranlagen komplett ökologisch betrieben werden. Erste Entwürfe zeigen ein der Krümmung des 75 Meter breiten und 260 langen Damms angepasstes Gebäude mit viel Stahl und Glas. "80 Betten und ein Restaurant", stellen die Lokalpatrioten sich vor.

Die Harzwasserwerke, die die Talsperre betreiben, stehen dem Projekt positiv gegenüber. "Im Augenblick läuft die Prüfung, ob Sicherheit und Statik gegeben wären", sagt Geschäftsführer Renke Droste. Eine Entscheidung solle voraussichtlich Mitte 2013 fallen. Rataj und Schilling sind optimistisch. In vier bis fünf Jahren könnte ihr Traum verwirklicht werden. Sie rechnen mit Investitionskosten von 15 Millionen Euro, erste Interessenten gebe es bereits. Nach ihren Recherchen wäre es das erste Talsperren-Hotel überhaupt - "und könnte auch auf anderen Staumauern gebaut werden".

Vom Harz in die Welt, sozusagen.