Die Kleingärtner wollten den Anteil der Ausländer begrenzen, nahmen den Beschluss aber zurück. Seitdem setzt man auf Integration.

Norderstedt. Idyllisch liegt die Kleingartenanlage am Norderstedter Kringelkrugweg in der Herbstsonne. Über allen Hütten ist Ruhe. Ganz anders als noch vor knapp einem Jahr.

Da drängelten sich in einer regnerischen Dezember-Nacht die Fernsehteams aller großen Sender mit den Vertretern etlicher Zeitungen und Nachrichtenagenturen vor dem Drahtgitter des Kleingartens. Weil im kleinen Vereinshäuschen auf dem Gelände die Kleingärtner bei einer Sondersitzung einen Beschluss diskutierten, der sie bundesweit als "braune Gartenzwerge" bekannt werden ließ, und ihnen Beifall aus der rechtsradikalen Szene einbrachte. Aus "Sorge um das Miteinander im Verein", so hatte es der Kleingarten-Vorsitzende Gerd Kühl formuliert, hatte die Mitgliederversammlung der Schreber eine Obergrenze festgelegt: Nur insgesamt 12,5 Prozent der Parzellen stünden Migranten zu - 25 Prozent davon sollten an Türken und Araber gehen, 25 Prozent Osteuropäer, 50 Prozent "sonstiger Herkunft".

Der Sturm der Entrüstung entwickelte sich zum Tornado für die überforderten Kleingärtner. Neben der medialen Aufmerksamkeit gerieten sie in den eigenen Reihen stark unter Beschuss. Die Bundes-, Landes- und Kreisverbände distanzierten sich, sie sahen ihre Bemühungen im Kampf gegen das "miefig-piefige Schreber-Klischee" und ihre Bemühungen um Multikulti unter dem Gartenlaubendach in Gefahr.

Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Jochim Grote drohte als Hausherr am Kringelkrugweg mit dem Entzug des Geländes, das im Besitz der Stadt ist, sollte der Beschluss der Kleingärtner nicht auf der Stelle wieder zurückgenommen werden. In jener regnerischen Dezember-Nacht 2011 nahmen die Kleingärtner den Beschluss nicht nur zurück, im Beisein der Integrationsbeauftragten der Stadt, Heide Kröger, und dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Kleingartenvereine, Norbert Franke aus Berlin, gelobten sie Besserung und baten um Hilfe bei der Integration von Migranten an der Gartenpforte. Hauke Borchardt, Sprecher der Stadt Norderstedt, sagte direkt nach der Abstimmung der Kleingärtner gegen ihren ausländerfeindlichen Beschluss: "Uns ist schon klar, dass allein durch das Heben der Hand bei der Abstimmung sich nicht automatisch auch etwas in den Köpfen verändert."

Als jetzt zum ersten Mal seit elf Jahren der Kleingartenausschuss der Norderstedter Kommunalpolitik tagte, konnten die Mitglieder des Gremiums den Eindruck gewinnen, dass sich zumindest im Kopf des Kleingarten-Vorsitzenden Gerd Kühl in den vergangenen Monaten nicht allzu viel verändert hat. Das Protokoll der Sitzung fasst den Auftritt Kühls so zusammen: "Herr Kühl äußert den Wunsch, dass die Geschehnisse in der Kleingartenanlage Kringelkrugweg nicht so hochgespielt werden, da sie sich nach seiner Ansicht nicht so dramatisch abgespielt haben."

Entgegen der Neigung des Kleingärtners alter Schule, alles ordentlich zurückzuschneiden und dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten, wünscht man sich am Kringelkrugweg anscheinend nichts sehnlicher, als dass endlich Gras über die Angelegenheit wächst.

Die Integrationsbeauftragte Heide Kröger und Ina Streichert vom Agenda-Büro sollen im Auftrag der Stadt dabei helfen, dass dies nicht geschieht. Die Kleingärtner nahmen die Unterstützung an. Und so konnten Heide Kröger und fünf Mitglieder des Vereins in der Sitzung dokumentieren, was sich am Kringelkrugweg zum Positiven gewendet hat in den letzten Monaten. Im "interkulturellen Miteinander" habe sich vieles verändert: Migranten und Deutsche würden mehr miteinander reden.

"Man grüßt sich häufiger - auch die Kinder." Beim gemeinsamen Reparieren von Gartengeräten sei man sich nähergekommen. Die am meisten kritisierten russischsprachigen Vereinsmitglieder würden jetzt viel stärker am "alltäglichen Leben im KGV" teilnehmen. Ein des Russischen mächtiges Neumitglied des Vereins fungiere als Mittler zwischen den Parteien.

Doch stößt es den Deutschen in der Anlage immer noch unangenehm auf, dass die Russen "Teile der Kleingartenordnung nicht in ausreichendem Maße beachten". Was wohl auch dadurch begründet ist, dass es die Kleingartenordnung nur auf Deutsch gibt. Heide Kröger will nun "die Umsetzbarkeit der Übersetzung der Gartenordnung ins Russische" prüfen. Außerdem würde der Vorstand gerne einen Backofen und eine Boulebahn bauen, um das Miteinander zu fördern, zudem sollen Vereinsfeste mit internationalen Buffets veranstaltet werden. So soll der begonnene Prozess des Aufeinanderzugehens in Gang gehalten werden.

Der Norderstedter Stadtvertreter Wolfgang Kelm, der selbst 23 Jahre lang eine Parzelle am Kringelkrugweg hatte, kennt den Vorsitzenden Gerd Kühl und die Verhältnisse in der Anlage recht gut. Für Kelm begründet sich das gestörte Miteinander durch eine über Jahrzehnte gewachsene Rivalität: "Da gibt es drei bis vier Gruppen, die sich nicht leiden können und bekämpfen", sagt Kelm. Mitglieder, die im jüngeren Teil der Anlage einen Garten haben, würden auch nach 30 Jahren noch als die "Neuen" bezeichnet. Daran könnten auch Boulebahnen und Feste nichts ändern.

Bei der Stadt Norderstedt hat man ein wachsames Auge auf die Entwicklung am Kringelkrugweg. Stadtsprecher Hauke Borchardt: "Wir begrüßen, dass die Integrationsbemühungen wirken, und wir sind zufrieden mit den Veränderungen des Miteinanders im Verein. Aber wir werden ganz genau beobachten, wie sich das in Zukunft entwickelt."