E.on will mit das Atomkraftwerk Brokdorf mit nur einem Trafo wieder ans Netz bringen. Die Atomaufsicht prüft derzeit den Antrag.

Kiel/Hannover. Das Atomkraftwerk Brokdorf kann vermutlich in den nächsten Tagen wieder anfahren. "Wir gehen davon aus, dass die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein unseren Antrag genehmigt, das Kernkraftwerk mit einem Trafo und halber Leistung zu fahren", sagte die Sprecherin des Betreibers E.on, Petra Uhlmann, dem Abendblatt. Die Kieler Atomaufsicht kündigte eine "zeitnahe" Entscheidung an. Grundsätzlich ist der Betrieb eines "halben Atomkraftwerks" genehmigungsfähig.

Der größte deutsche Meiler war am 7. August nach einer Panne im Transformator AT01 vom Netz gegangen. Anders als der defekte Transformator, der ausgetauscht werden soll, scheint der ebenfalls mehr als 25 Jahre alte Zwillingstrafo AT02 intakt zu sein. "Die Prüfungen und Messungen haben ergeben, dass der zweite Trafo technisch in Ordnung ist", berichtete Uhlmann.

Das entsprechende TÜV-Gutachten analysieren jetzt die Experten der Atomaufsicht, die beim Kieler Justizministerium angesiedelt ist. Die Atomaufsicht werde auf Basis des Gutachtens entscheiden, sagte ein Ministeriumssprecher.

Nach Einschätzung von E.on ist es sicherheitstechnisch unbedenklich, Brokdorf mit nur einem Trafo zu betreiben. Uhlmann stellte zugleich klar, dass bei jedem Trafo, ob alt oder neu, "Spontanfehler" nicht auszuschließen seien. Der BUND lehnt wie SPD, Grüne und SSW einen Teillastbetrieb Brokdorfs aus Sorge vor einem neuen Störfall ab.

Für E.on würde sich eine Wiederanfahrgenehmigung auszahlen. Der Konzern verliert durch den Stillstand Brokdorfs täglich bis zu eine Million Euro und könnte den Verlust bei einem Teilbetrieb zumindest halbieren. Diese Rechnung geht nach dem neuen Atomgesetz auf, weil es keine Reststrommenge für Reaktoren mehr gibt, sondern feste Restlaufzeiten. Brokdorf muss Ende 2021 stillgelegt werden.

Unter welchem Druck E.on steht, machte der größte deutsche Energiekonzern mit einer weiteren Entscheidung deutlich. Der lange geplante Festakt zum 25. Geburtstag des Meilers Brokdorf am 1. September wurde gestern mit Hinweis auf die wirtschaftliche Situation und die strukturellen Veränderungen im Konzern kurzerhand abgesagt. Hintergrund: Der Konzern will weltweit etwa 12 000 Stellen streichen. Eingeladen waren 80 Gäste, darunter Mitarbeiter und Anwohner des Atomkraftwerks, das 1986 trotz Massenprotesten ans Netz gegangen war.