Lübeck, Neumünster, Ostholstein und zwei mecklenburgische Kreise kommen in den Verbund. Schleswig befürchtet Teilung des Landes.

Hamburg/Kiel. In Schleswig-Holstein geht 550 Jahre nach dem Vertrag von Ripen ("up ewig ungedeelt") das Gespenst der Spaltung um. Nach den Hamburger Umlandkreisen wollen zum Jahreswechsel auch Neumünster, Lübeck und Ostholstein in die Metropolregion Hamburg einsteigen, in der dann 1,73 Millionen Menschen leben würden, mehr als 60 Prozent aller Schleswig-Holsteiner. Die Dänen-Partei SSW sieht darin einen Schritt zur Abspaltung des Landesteils Schleswig, der mit Hamburg nichts am Hut hat.

"Die Entwicklung ist sehr bedenklich", sagte die Fraktionsvorsitzende des SSW im Kieler Landtag, Anke Spoorendonk, dem Abendblatt. Die Metropolregion mache zwar Sinn, wenn sie sich um die gemeinsamen Belange der Menschen und Unternehmen in und um Hamburg herum kümmere. "Wenn aber der größte Teil des Landesteils Holstein seine Planungen und seine Politik an den Interessen Hamburgs orientiert, ist die unmittelbare Konsequenz eine Zweiteilung des Landes." Regionale Belange, die nichts mit Hamburg zu tun hätten, würden in weitem Umfang untergehen, warnte Spoorendonk. "Längerfristig wird einem Nordstaat mit Hamburg der Weg durch die kalte Küche geebnet."

Der Zug für eine Mega-Metropolregion ist aufs Gleis gesetzt. Vor dem Sommer beschloss der Lenkungsausschuss der Metropolregion, mit Lübeck und Neumünster erstmals kreisfreie Städte in den Regionalverbund aufzunehmen und ihn um den Kreis Ostholstein zu erweitern. Gehör fand auch der Wunsch Mecklenburg-Vorpommerns, den Kreisen Ludwigslust und Nordwestmecklenburg die Tür zu öffnen und die Metropolregion damit auf ein weiteres Bundesland auszudehnen.

"Wir gehen davon aus, dass wir alle Beitrittskandidaten zum 1. Januar 2012 in der Metropolregion begrüßen können", sagte Regionssprecherin Marion Köhler. Zuvor müssen noch alle bisherigen Mitglieder, neben den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen insgesamt 14 Umlandkreise, in ihren Parlamenten der Erweiterung zustimmen.

Als Motor des Expansionskurses gilt Hamburg. Die Metropole kann über die Aufnahme weiterer Mitglieder ihren Einfluss in der Region ausbauen, wobei insbesondere Lübeck eine strategische Rolle zukommt. Der Hafen der kleineren Hansestadt gilt als Tor zur Ostsee, zudem könnte Lübeck nach der geplanten Untertunnelung des Fehmarnbelts das Scharnier zwischen Hamburg und Kopenhagen bilden. Noch größer sind die Hoffnungen in Lübeck. Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) schielt seit Langem auf die Metropolregion, möchte eine Wirtschaftsachse nach Hamburg schmieden.

Wie Saxe macht auch Neumünsters Oberbürgermeister Olaf Tauras (parteilos) keinen Hehl daraus, dass Kiel und der Landesteil Schleswig nicht die Chancen bieten wie die Boomtown an der Elbe. "In Hamburg spielt die Musik." Der Blick Neumünsters richte sich deshalb Richtung Süden. "Es geht auch einfach darum, bei den Großen mitzureden", gibt Tauras zu. Die Eintrittsgebühr in die Mega-Region fällt kaum ins Gewicht. Der Jahresbeitrag beträgt für Kreis oder Stadt lediglich 7000 Euro.

Im Gegenzug können sich alle Mitglieder um die Förderfonds bewerben, je 1,2 Millionen Euro für Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Wichtiger als mögliche Fördermittel sind andere Einrichtungen der Metropolregion. Über ihre Geschäftsstelle in Hamburg, in der ein knappes Dutzend Beschäftigte arbeiten, laufen Projekte in Bereichen wie Tourismus und Klimaschutz. Die Mitglieder können zudem ihre Gewerbegebiete gemeinsam vermarkten und in den Gremien wichtige Kontakte knüpfen.

Im Visier dürften Saxe und Tauras dabei auch den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) haben. Er managt bereits den Nahverkehr in den Randkreisen Herzogtum Lauenburg, Stormarn, Segeberg und Pinneberg. Neumünster hat beim HVV bereits angeklopft, hofft bei einer besseren Anbindung an die Metropole auf gut betuchte Neubürger, die sich in Holstein ein preiswertes Haus zulegen und täglich mit der Bahn nach Hamburg pendeln.

Über das Tarifgebiet des HVV entscheidet allerdings nicht die Metropolregion. Sie ist kein Planungsverband, kann zu Themen wie Nahverkehr und Schulentwicklungsplanung allenfalls Vorschläge machen. Das letzte Wort haben bis auf Weiteres die Länderregierungen in Hamburg, Kiel, Hannover und künftig auch Schwerin.

Gerade in Schleswig-Holstein wird allerdings zugleich nüchtern registriert, dass sich immer mehr Blicke auf Hamburg richten. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wird deshalb nicht müde, dem Landesteil Schleswig auch eine andere Perspektiven zu eröffnen, eine engere Zusammenarbeit mit Dänemark. Eine echte Alternative ist das aber auch aus Sicht einiger Christdemokraten nicht. Der Süden Jütlands ist ebenso strukturschwach wie der Norden Schleswig-Holsteins.

Die Gefahr einer Spaltung sieht Carstensens Europa-Staatssekretär Heinz Maurus (CDU) gleichwohl nicht. "Vom wirtschaftlichen Wachstum Hamburgs und der Metropolregion wird das ganze Land Schleswig-Holstein profitieren."