Teil 1: Heiligenhafen. Für 30 Millionen Euro wurde der Badeort aufwendig modernisiert. Die Stadt will eine Million Gäste anlocken.

Heiligenhafen. Zu behaupten, die Ostsee sei blau, wäre falsch. Das Wort reicht nicht einmal ansatzweise, um die verschiedenen Nuancen zu beschreiben, die das Wasser hier vor der Küste Heiligenhafens zum Kunstwerk macht. Grund dafür ist der Grund.

Azurblau über Kieselstein, Türkis über Sandflächen und grünstichiges Marineblau über Algen. Besonders gut ist der Unterschied von der neuen Seebrücke aus zu sehen, die am kommenden Donnerstag eröffnet wird. Aber die Holzkonstruktion ist nicht die einzige Neuheit dieses Seebads kurz vor der Fehmarnsundbrücke: Heiligenhafen hat sich hübsch gemacht. Zehn Jahre lang wurde entworfen, geplant und gepinselt. Die 5,3 Millionen Euro teure Brücke ist der Abschluss dieser Modernisierung der öffentlichen Flächen und gleichzeitig der Start für ein großes Neubauprojekt, das bereits 2014 abgeschlossen sein soll.

+++ Ein perfekter Tag mit Sand, Wasser und Fisch in Heiligenhafen +++

Beiläufig, mitten im Gespräch, bückt sich Tourismuschef Manfred Wohnrade und hebt die im Küstenwind flatternde Papierserviette vom Boden auf. Ein Stück weiter der nächste Cellulose-Unrat. Auch danach greift der 46-Jährige, um wenig später alles zusammen in einem grauen Mülleimer zu versenken. "Wenn die Gäste zufrieden sind, bin ich es selbst auch", sagt Wohnrade. Und wer ihn - im weiß leuchtenden Hemd mit aufgestickten fünf Sternen und den Worten "Marina Heiligenhafen" - Müll auflesen sieht, glaubt ihm das aufs Wort. Insgesamt 30 Millionen Euro - zum Großteil Förderungen des Landes Schleswig-Holstein und der Europäischen Union - wurden in den vergangenen zehn Jahren investiert. "Und das sieht man auch", sagt Wohnrade beim Spaziergang entlang des Yachthafens. Acht Kilometer Promenade wurden aufpoliert, zehn Spielflächen mit maritim anmutenden Geräten eingerichtet und eine 400 Meter lange Erlebnisbrücke gebaut. "Hier herrschte lange der Charme der 1980er-Jahre", sagt Wohnrade. Neben neuen Zielen, verändertem Reiseverhalten und dem Wegfall einiger privater Unterkünfte sei sicher auch die Optik ein Grund gewesen, warum die Besucherzahlen sanken.

Derzeit zählt die 10 000-Einwohner-Stadt 700 000 Übernachtungsgäste im Jahr. Die Zahlen sind seit Beginn der Modernisierung bereits gestiegen. "Wir wollen aber wieder dahin, wo wir mal waren", sagt Wohnrade. "Eine Million ist unser Ziel." Deshalb beginnen 2013 direkt an der neuen Seebrücke auch die Bauarbeiten für einen Ferienpark und zwei Hotels - eines davon soll dann ein Beach-Motel werden, in dem junge Wassersportler absteigen. "Hier soll in Zukunft das Leben toben." Bis dahin sorgt eine Ostseelounge am Fuß der Brücke für Stimmung à la Café del Mar.

Aber was macht die Brücke eigentlich so besonders, dass sie im Namen das Wörtchen "Erlebnis" tragen darf? "Die Bau- und die Nutzungsart sind einfach einmalig", sagt Wohnrade.

Wie ein Blitz aus drei sich an den Enden überschneidenden Streben ragt die Brücke ins Meer. An jeder Kreuzung gibt es kleine Flächen, auf denen zum Beispiel ein Wasserspielplatz oder Sitzmöglichkeiten Platz finden. Im mittleren Teil wird die Brücke sogar zweistöckig, sodass mithilfe einiger Glaswände ein Raum entsteht, in den ein Café einzieht. So ist ein langer Blick aufs Wasser auch im Winter möglich, ohne zu frieren. Am Ende der Holzkonstruktion gibt es ein Badedeck, von dem aus man direkt ins an dieser Stelle etwas über zwei Meter tiefe Meer steigen kann.

"Es hat sich hier viel getan", sagt Anja Joras, 32, aus der Nähe von München. Obwohl die Adria so nahe an ihrer Heimatstadt liegt, ist sie bereits zum fünften Mal in den Norden gekommen. "Es ist viel kinderfreundlicher geworden hier." Joras kann das beurteilen, da sie selbst als Kind mit ihren Eltern hier Urlaub gemacht hat. "Da hätte ich auch gern so einen Spielplatz gehabt", sagt sie und zeigt auf das Wasserbecken, in dem sich Sohn Fabio, 5, und Nichte Loriana, 6, gerade gegenseitig nass machen. Auch ihnen sind die entlang der Promenaden verteilten Spielgeräte aufgefallen. "Aber einen Lieblingsplatz habe ich nicht", sagt Loriana, "da kann ich mich einfach nicht entscheiden."

Aber auch bei schlechtem Wetter sollte keine Langeweile aufkommen. Am Stadtrand, direkt neben dem von überall gut sichtbaren früheren Spionageturm der Bundeswehr, hat im Februar die Ostsee-Erlebniswelt eröffnet - Erlebnisse gibt es also auch fernab der Brücke. Die Mischung aus Museum und Aquarium ist ein Ableger des Meereszentrums Fehmarn und beschäftigt sich ausschließlich mit der Ostsee. Deshalb gibt es hier nicht Haie, Anemonenfische und Muränen zu bestaunen, sondern Schollen, Dorsche und Grundeln. "Wir wollten zeigen, wie schön und spannend das ist, was hier genau vor uns liegt", sagt Biologe Mark Schulz. "Hier gibt es auch bunte Fische."

Und über diese wacht Njörd, ein nordischer Meeresgott. Seit vergangenem Jahr sitzt ein Abbild aus Altmetall am südlichen Heiligenhafener Binnensee. Das unter anderem aus Schrauben und Imbusschlüsseln zusammengesetzte Kunstwerk war schnell nach der Enthüllung Gesprächsthema im Ort. An wen erinnert der nur? Markante Nase, spitzbübische Augenpartie, wallendes Haar. "Das war nicht unser gezielter Auftrag an den Künstler, sondern Zufall", sagt Tourismuschef Manfred Wohnrade, wenn ihn jemand auf die Ähnlichkeit der Figur zu Moderator Thomas Gottschalk anspricht.

Nicht nur für den Sommerurlaub, auch für einen spontanen Tagesausflug empfiehlt sich Heiligenhafen, aber genau darauf wurde auch hingearbeitet. Schließlich werden Kurzreisen immer beliebter. "Die Idee ist, dass jemand aus Hamburg unserer schönen Natur wegen hierher kommt und im Anschluss noch eines unserer neuen Angebote wahrnimmt - etwa einen Besuch im Spa, eine unserer Veranstaltungen oder bei schlechtem Wetter den Indoor-Spielplatz im Aktiv-Hus", sagt Tourismuschef Wohnrade. Denn neben allem Neuen, eines muss in Heiligenhafen nicht modernisiert werden: die Natur. Fast fünf Kilometer Strand, Steilküste und das Vogelschutzgebiet Graswarder bieten Meerurlaub für einen Tag nur eineinhalb Autostunden entfernt.

Nächsten Sonnabend: St. Peter-Ording