In Niedersachsen fahnden Polizeibeamte jetzt landesweit über das soziale Netzwerk. Datenschützer haben Bedenken gegen die Aktivitäten.

Hannover. Bei der Fahndung im Internet ist Niedersachsen jetzt erneut der Vorreiter. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) schaltete gestern in Hannover die neue Fanseite der Landespolizei beim sozialen Netzwerk Facebook frei. Während die anderen Bundesländer noch auf die Ergebnisse einer gemeinsamen Arbeitsgruppe warten, haben jetzt alle Polizeidienststellen in Niedersachsen die Möglichkeit, auf dem Weg über das Landeskriminalamt und Facebook nach Vermissten zu suchen und Straftäter zu verfolgen.

Es hat auch mit den Erfolgen der Polizeidirektion Hannover zu tun, dass Niedersachsen vorprescht. Beim Probelauf im vergangenen Jahr konnten binnen weniger Monate acht flüchtige Personen dingfest gemacht werden, nachdem die vorangegangene herkömmliche Öffentlichkeitsfahndung mit Plakaten erfolglos geblieben war. Die rund 110 000 Nutzer der Polizei-Fanpages in Hannover und Lüneburg sind jetzt der Grundstock für den zentralen Auftritt des Landeskriminalamtes.

+++ Fahndung im Netz +++

Gegen die Aktivitäten der Polizeidirektion Hannover war der Datenschutzbeauftragte des Landes, Joachim Wahlbrink, Sturm gelaufen. Weil die Server von Facebook in den USA stehen, wurden dort auch Daten der deutschen Nutzer gespeichert. Aus Wahlbrinks Sicht fehlte zudem für den Transfer von Polizeidaten, etwa Fahndungsaufrufe mit Bildern, jede Rechtsgrundlage.

Darauf hat das Ministerium reagiert. Wer künftig auf der Fanseite der Polizei Niedersachsen Details über eine Fahndung wissen und etwa Bilder anschauen will, der wird nicht mehr in die Vereinigten Staaten verlinkt, sondern auf den Server des Landeskriminalamtes. Minister Schünemann sieht damit das Problem gelöst: "Die Bedenken der Datenschützer sind nach unserer festen Überzeugung vom Tisch."

Dem widersprach gestern auf Abendblatt-Anfrage aber Uwe Robra, beim Datenschutzbeauftragten der Experte für Telemediarecht. Zwar sieht er eine ursprünglich angekreidete Rechtsverletzung dadurch abgestellt, dass jetzt die Daten nicht mehr auf Servern in den USA verwaltet werden: "Aber es gibt unverändert keine Rechtsgrundlage dafür, dass eine Behörde eine Fanpage bei einem sozialen Netzwerk betreibt." Damit arbeite das Innenministerium dem Betreiber Facebook zu: "Das ist ein Unternehmen, das sich nicht an deutsche oder auch europäische Datenschutzgesetze hält und die Daten der Nutzer ausschlachtet."

Im Norden bleibt Niedersachsen vorerst das einzige Bundesland, das trotz solcher rechtlicher Bedenken auf Facebook setzt, um dessen hauptsächlich junge Nutzer für die Fahndung einzuspannen. Thomas Giebeler, Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums, verweist auf die Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz, die sich noch mit dem Thema auseinandersetzt: "Eine politische Bewertung gibt es erst, wenn sich die Arbeitsgruppe eine abschließende Meinung gebildet hat." Und Mirko Streiber, Sprecher der Polizei Hamburg, sagt: "Wir wollen das rechtlich absichern."

Schünemann pochte darauf, die Innenministerkonferenz habe Anfang des Monats die Facebook-Fahndung als "sinnvolle Ergänzung der polizeilichen Informations-, Ermittlungs- und Fahndungsarbeit" bewertet. Eine Entscheidung in der Sache aber soll erst im nächsten Jahr fallen, und Bestandteil des Arbeitsauftrags ist ausdrücklich auch eine Prüfung der Rechtslage. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im niedersächsischen Landtag, Meta Janssen-Kucz, kritisierte die Ausweitung der Facebook-Fahndung: "Das wäre ein Affront gegen alle begründeten Verpflichtungen zur Wahrung des Datenschutzes." Schünemann nehme die Bedenken des Datenschutzes nicht wichtig genug: "Auch in diesem Fall gilt, dass der Zweck nicht die Mittel heiligt."