Banken geben dem Unternehmen im ersten Seebad Deutschlands keine Kredite mehr. Die Anteilseigner verlieren 90 Prozent ihrer Einlagen.

Heiligendamm. Es war ein langer Kampf, den Anno August Jagdfeld führte. Seit zwei Jahren hatte er nach Unterstützern und Investoren für das Grand Hotel Heiligendamm an der mecklenburgischen Ostseeküste gefahndet. Zuletzt hatte er verzweifelt versucht, das Ruder noch einmal herumzureißen, indem er das Hotel selbst führte und sogar noch private Mittel zuschoss. Doch die Nobelherberge war nicht zu halten.

Das idyllisch gelegene klassizistische Ensemble, das erste Seebad in Deutschland, hat leere Kassen. Es kamen zu wenig zahlungskräftige Gäste in den Badeort zwischen Warnemünde und Kühlungsborn.

Jagdfeld hat Insolvenzantrag für das Hotel der Spitzenklasse gestellt, das 2007 Gastgeber für die Teilnehmer des G8-Gipfels der Staats- und Regierungschefs war. Als Insolvenzverwalter wurde Jörg Zumbaum aus Düren, dem Sitz der Unternehmensgruppe, bestellt. Zuvor hatte es noch viele Gespräche mit meist inländischen Investoren wie der Oetker-Gruppe gegeben, die mit dem Brenners in Baden-Baden Erfahrungen mit einem historischen Luxushotel hat. Arabische oder russische Investoren seien nicht dabei gewesen, berichtet ein Insider. Alle Interessenten konnten sich jedoch nicht für die Immobilien in Heiligendamm angesichts der hohen Altlasten begeistern. In einem Insolvenzverfahren könnte dies anders sein. Neue Eigentümer müssen sich nicht mit dem Schuldenberg beschäftigen. Heiligendamm sollte Jagdfelds Lebenswerk abschließen. Für die Rekonstruktion hat er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse bekommen, wie er gern betonte. An die 800 Bauvorhaben hatte seine Fundus-Gruppe im ganzen Land errichtet, nicht immer mit dem gewünschten wirtschaftlichen Erfolg.

Gestern wurden die 300 Mitarbeiter über die Insolvenz informiert. Im Gespräch ist eine Auffanggesellschaft, an der sich neue Investoren beteiligen wollen. Der Hotelbetrieb läuft aber weiter, von einer Schließung ist nicht die Rede. Das Grand Hotel ist einer der größten Arbeitgeber in der Region. Die Gefahr, dass die historischen Gebäude wie schon in der DDR noch einmal verfallen, ist allerdings groß.

Insolvenzgrund ist die Zahlungsunfähigkeit der Grand Hotel Heiligendamm GmbH & Co. Kommanditgesellschaft. Die Kreditzinsen seien nicht mehr gezahlt worden, teilte das Unternehmen mit. Die Banken hätten erklärt, ihre Kredite definitiv nicht zu verlängern. Das Unternehmen sei aber nicht überschuldet, die Forderungen der Banken und Lieferanten könnten bezahlt werden, wird behauptet.

+++ Gesellschafter stimmen Kapitalschnitt zu +++

Jagdfeld hatte 1996 mit seiner Fundus-Gruppe das Gebäudeensemble in Heiligendamm sowie ein Landgut von der ostdeutschen Treuhandgesellschaft erworben. 2003 wurde das Hotel eröffnet, das zunächst von der Kette Kempinski gemanagt wurde. Nach Streitigkeiten führte Fundus-Chef Jagdfeld seit 2009 das Hotel in Eigenregie.

Jagdfeld war es zuletzt nicht gelungen, die 1900 Fondszeichner, die bereits 130 Millionen Euro in einen geschlossenen Immobilienfonds eingezahlt hatten, für eine Kapitalerhöhung um 32,5 Millionen Euro zu begeistern. Nur 700 000 Euro sind dabei zusammengekommen, wie Jagdfeld berichtet. Die Fondszeichner hatten jahrelang keine Ausschüttungen gesehen und einen Kapitalschnitt hinnehmen müssen. Damit waren 90 Prozent der eingezahlten Anlegergelder bereits vernichtet. "In den letzten vier Jahren habe ich aus privaten Mitteln sechs Millionen Euro in den Betrieb von Heiligendamm gesteckt", sagte der Fondsinitiator gestern. "Ich habe keinen Ausweg mehr gesehen. Die Banken wollten die Kredite nicht mehr verlängern und die Fondszeichner kein Geld mehr geben." Der Betrieb hätte nur noch ein, zwei Monate aufrechterhalten werden können, das Sterben wäre nur verlängert worden.

Das Hotel war zeitweise schlecht ausgelastet. Mit einer Bürgschaft von vier Millionen Euro musste 2009 sogar das Land Mecklenburg-Vorpommern einspringen - mit der Auflage, neue Betreiber zu finden, was aber bis heute nicht gelang. Im vergangenen Jahr konnte allerdings eine Belegung von 60 Prozent erreicht werden, und auch die wirtschaftlichen Ergebnisse hatten sich zuletzt verbessert.

An der Insolvenz haben zu großen Teilen die Kommune sowie eine Gruppe von Kritikern Schuld, sagte Jagdfeld. "Das Image von Heiligendamm war von da an ruiniert, als das Hotel zum öffentlichen Gelände erklärt wurde", kritisierte er. Jahrelang seien die Gäste durch Heerscharen von Radlern und neugierigen Spaziergängern gestört worden. "Jetzt noch besteht die Gemeinde auf einen Wanderweg mitten durch das Hotelgelände, das ist reine Sabotage."

Insolvenzverwalter Zumbaum sagte, die Beschäftigung der Mitarbeiter sei vorerst gesichert. Mithilfe neuer Investoren solle nicht nur das Hotel erhalten, auch anstehende Investitionen müssten ermöglicht werden. Die Auslastung des Hotels lag zuletzt im Jahresdurchschnitt bei 44 Prozent, 80 Prozent im Sommer, zwölf Prozent im Winter. Das reichte nicht für den Weiterbetrieb.

+++ Grand Hotel Heiligendamm ist insolvent +++

Heiligendamm - ein Name mit Klang. Hier lernten die Deutschen das Badengehen: Es ist das älteste Seebad des Landes. Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin hatte 1793 davon erfahren, dass Seebäder beliebt sind, in England jedenfalls. Ein solches musste auch sein Herzogtum bekommen. Der Hof- und Leibarzt des Herzogs, Samuel Gottlieb Vogel, empfiehlt die Errichtung eines Bades in Doberan mit einem überzeugenden Argument: "Durch die außer Zweifel gesetzte heilvolle Wirkung des Badens in Seewasser können sehr viele Schwachheiten und Kränklichkeiten des Körpers behoben werden. Jedoch wären hierfür besondere Einrichtungen wie die in England gebräuchlichen Badekarren und ein Badehaus erforderlich." Der Arzt hatte Vorstellungen davon, was Lust macht: "Dass das Baden in der See unfruchtbare Weiber fruchtbar mache, kann zwar dadurch nicht bewiesen werden, dass manches Frauenzimmer dieser Art von Seebadeorten geschwängert zurückkommt, wovon es in Engelland Beyspiele genug geben soll, indessen ist gar nicht zu bezweifeln, dass es Ursachen der weiblichen so wie in der männlichen Impotenz gibt, welche durch das Baden in der See gehoben werden."

Das hatte den Herzog endgültig überzeugt. Das erste Badehaus wurde nahe Doberan in Heiligendamm am 21. September 1793 eröffnet.

Der "Bauconducteur" Johann Christoph Heinrich von Seydewitz, Carl Theodor Severin und Georg Adolph Demmler schufen zwischen 1793 und 1870 ein klassizistisches Gesamtkunstwerk aus Logier-, Badekur- und Gesellschaftshäusern. Dieses strahlende Ensemble brachte Heiligendamm den Beinamen "Weiße Stadt am Meer" ein. Der europäische Adel fühlte sich im 19. und 20. Jahrhundert verpflichtet, am Ort die Heilwirkung von Wasser zu testen.

Um Heiligendamm zum Badeort erster Güte zu machen, benötigte auch Herzog Friedrich Franz I. Geld. Statt einen Fonds aufzulegen, verkaufte er 1000 mecklenburgische Söldner an König Wilhelm V. von Oranien in den Niederlanden. Der Herzog ordnete an, alle Ausgaben für Heiligendamm ausschließlich der herzoglichen Kasse zu entnehmen. So flossen die ersten 4250 Taler in das Projekt in Heiligendamm.