Stefan Ziegler rettete die siebenjährige Emma mit seinem Einsatz vor dem Feuertod bei Krippenspiel. Das Kind ist außer Lebensgefahr.

Bad Segeberg. Es sollte der Auftakt zu einem fröhlichen Fest im Kreis der Familie werden - doch der Besuch der St.-Johannes-Kirche zu Heiligabend endete für Stefan Ziegler, 37, im Krankenhaus. Ziegler war der Erste, der sich auf die siebenjährige Emma (Name geändert) warf, deren Lämmchenkostüm sich nach dem Krippenspiel an einer Kerze entzündet hatte. "Ich habe nur einen riesigen Feuerball an mir vorbeilaufen sehen", sagt der 37-Jährige. Mit der Jacke seiner vierjährigen Tochter stürzte er sich auf das brennende Kind, um die Flammen zu ersticken. Dabei zog er sich selbst schwere Verbrennungen an der linken Hand zu. Seitdem liegt er in der Lübecker Uniklinik, auch Silvester wird er voraussichtlich dort verbringen. Für heute ist eine Operation angesetzt: Haut aus dem Oberschenkel soll auf die Hand verpflanzt werden.

+++Feuer bei Krippenspiel: Mädchen kämpft um sein Leben+++

+++Mädchen bei Krippenspiel schwer verbrannt+++

Emma, das siebenjährige Mädchen aus Blunk, liegt im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg. Sie ist außer Lebensgefahr. "Ihr Zustand ist stabil, Komplikationen sind in diesem frühen Stadium jedoch nicht auszuschließen", sagte der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Marco Chwalek. Das Kind wurde nach Angaben einer Kliniksprecherin in ein künstliches Koma versetzt. Emma erlitt schwerste Brandverletzungen an Kopf, Armen, Hals und Brust. Stefan Ziegler schert sich nicht um seine Verletzungen. "Das ist doch alles egal", sagt er und winkt ab, "wichtig ist das kleine Mädchen." Während ihn viele als Lebensretter feiern, fühlt er selbst sich nicht wie ein Held. "Ich überlege immer, ob ich nicht hätte noch schneller sein können", sagt er und hofft, dass die Kleine sich so gut wie möglich wieder erholt. Ziegler: "Ich würde sie gern einmal besuchen."

Das Erlebte hat bei ihm und seiner Familie deutliche Spuren hinterlassen. Seine beiden Töchter seien noch immer fassungslos, sagt der Familienvater, und auch seine Frau habe das Ganze mitgenommen. Er selbst sehe noch immer "die Flammen, sobald ich die Augen schließe". Ein Gedanke lässt ihn nicht los: Es hätte auch eines seiner Kinder sein können. "Die Verkleidungskiste wird ausgeräumt", sagt Ziegler. Er meint die Truhe, in der seine Kinder verschiedene Kostüme zum Spielen, etwa Prinzessinnenkleidchen, gehortet haben. Es sind Kleider aus Polyester, leicht entflammbar. Der Brandunfall hat außer Emma und ihrem Retter noch andere Opfer gefordert. Bei den Kindern, die mit Emma das Krippenspiel aufführten, bleiben schlimme Bilder im Kopf. Die Eltern der Kinder und die übrigen Besucher des Gottesdienstes müssen ihren Schock verarbeiten. "Wir haben den Betroffenen Notfallseelsorge angeboten", sagt der Sprecher des Bistums, Marco Chwalek. In einer Traumagruppe soll das Erlebte aufgearbeitet werden. "Dazu werden die Mitglieder der Gemeinde eine spezielle Telefonnummer bekommen, von Helfern, die mit der Sache vertraut sind. So soll verhindert werden, dass die Hilfe suchenden Anrufer alles noch einmal erklären müssen", sagt Chwalek.

Bei der Norderstedterin Anneliese Stapelfeldt kommen alte und schlimme Erinnerungen hoch, wenn sie sich mit dem Fall der kleinen Emma befasst. Ihr Sohn Hendrik kam als Neunjähriger mit seinem Faschingskostüm einer brennenden Kerze zu nahe. Das Kostüm fing Feuer, Hendrik erlitt schwere Brandwunden. Der Junge musste über die Jahre vier Operationen über sich ergehen lassen und das Trauma verkraften, das auf seiner Seele lag. Heute ist Hendrik 27 Jahre, alles ist verheilt.

Für Anneliese Stapelfeldt war nach dem Unfall klar, dass sie anderen betroffenen Eltern Trost und Beistand spenden möchte. Sie entschloss sich zur aktiven Mitarbeit im Verein Paulinchen, der Initiative für brandverletzte Kinder, die 1993 von betroffenen Eltern gegründet wurde. Neben Adelheid Gottwald ist Anneliese Stapelfeldt eine der Vorsitzenden des Vereins. Die Eltern von Emma haben Kontakt zu Paulinchen. "Zunächst sind wir einfach da, um den Eltern Trost zu spenden, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein dastehen mit ihrem Schicksal und dass es Menschen gibt, die das alles schon mal erlebt haben", sagt Stapelfeldt.

Kinder, deren Haut stark verbrannt wurde, müssen sehr tapfer sein. Der Weg der Heilung ist sehr lang. Die Kinder sind im Wachstum, aber die vernarbte Haut macht nicht mit. Etliche Korrekturoperationen über Jahre können die Folge sein. "Es kommt auf die betroffenen Körperteile an. Aber gerade Haut an Gelenken muss häufig korrigiert werden", sagt Stapelfeldt. Die unangenehmste Phase im Heilungsprozess sei die erste Zeit nach dem Unfall. "Dem Kind werden Kompressionen angelegt, die das Narbengewebe flach halten sollen", sagt Stapelfeldt. Regelrechte Anzüge aus dem eng anliegenden Verbandsmaterial werden den Kindern in Sanitätshäusern angepasst. Stapelfeldt: "Bis zu zwei Jahre lang müssen diese Kompressionen getragen werden. Das ist sehr belastend." (abendblatt.de)