Wurde in den 80er Jahren getrickst? Die Debatte geht weiter. Jetzt soll ein Untersuchungsausschuss offene Fragen klären.

Berlin. Ein Bundestagsuntersuchungsausschuss soll klären, ob in den Achtzigerjahren bei der Wahl des möglichen Atommüll-Endlagers Gorleben getrickst wurde. Das Parlament setzte am Freitag auf Betreiben der Oppositions-Fraktionen ein 15-köpfiges Untersuchungsgremium ein. SPD, Grüne und Linke wollen wissen, ob eine politische Vorauswahl für den Salzstock in Niedersachsen auf Druck der damaligen Bundesregierung von Helmut Kohl (CDU) erfolgte.

Die Debatte um Gorleben wurde zuletzt wieder angeheizt durch Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, den vor zehn Jahren von Rot-Grün verhängten Erkundungsstopp für den Salzstock aufzuheben. Während die Union rein fachliche Gründe für eine mögliche Eignung des Standorts als Endlager anführt, spricht die Opposition von manipulierten Gutachten. Zahlreiche Fachleute hätten sich schon in den Achtzigern gegen Gorleben ausgesprochen. Die Bundesregierung solle bis zum Abschluss der Untersuchungen auf eine weitere Erkundung des Salzstockes verzichten, verlangt die SPD-Fraktion.

Für die Opposition stelle sich die Frage, weshalb sich die Bundesregierung mit Kabinettsbeschluss vom Juli 1983 bei der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie ausschließlich auf den Standort Gorleben beschränkte und keine Alternativen in Betracht zog. Die Opposition will wissen, auf welcher Grundlage diese Entscheidung durch welche Personen getroffen worden sei.

Sie bezweifelt auch, dass bei der Entscheidung der aktuelle Stand der Wissenschaft zugrunde gelegt worden sei. Zu klären sei auch, ob Expertisen unter politischem Druck zustande gekommen seien oder ob Erkenntnisse vorlagen, aber zurückgehalten worden seien. Letztlich geht die Opposition davon aus, dass damals der Öffentlichkeit Informationen vorenthalten beziehungsweise falsche oder unvollständige Angaben gemacht worden seien.

Unterdessen stießen Pläne der Bundesregierung auf heftige Kritik, eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke auf insgesamt bis zu 60 Jahre zu prüfen. Die Grünen warfen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine Rückkehr zur alten Atompolitik der Union vor.

Tatsächlich will die Bundesregierung vier Szenarien für eine mögliche Verlängerung der AKW-Laufzeiten um vier, zwölf, 20 oder 28 Jahre im Vergleich zum geltenden Recht durchrechnen, wie ein Regierungssprecher am Freitag bestätigte.

Darauf habe sich Röttgen mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) verständigt. Bislang geht das Atomgesetz von rechnerischen AKW-Laufzeiten von 32 Jahren aus. Ein Sprecher Röttgens sprach von bloßen "Rechenmodellen", aus denen sich "keine Präferenz für tatsächliche Laufzeitverlängerungen" ableiten lasse.