Ohne die “drei Musketiere“, davon sind viele in Soltau überzeugt, würde es Breidings Großen Garten nicht mehr geben, diese verwildert-verwunschene Märchenwelt auf mehr als zehn Hektar am Rande der Heidestadt.

Soltau. Die Bagger waren fast schon im Anmarsch, um den Sommersitz der Industriellenfamilie Röders teilweise platt zu machen. Dieses Idyll aus dem 19. Jahrhundert mit Rhododendrenhainen, Liebesinsel im See, einer neugotischen Ruine am Ufer und - thronend auf einem Hügel - der klassizistischen Fabrikantenvilla in leuchtendem Gelb - eine poetische Alternative zu den touristischen Hightech-Zielen im benachbarten Heidepark und in Bispingen -, ist keine Autostunde von Hamburg entfernt.

Anfang 2005 musste die Eigentümerin, die Unternehmensgruppe Breiding - sie handelte mit Bettfedern - Insolvenz anmelden. Garten und Haus wollte der Hamburger Insolvenzverwalter Peter Knöpfel verkaufen und suchte lange nach einem Interessenten. Den glaubte er auch bald gefunden zu haben.

Als dann aber im Landkreis bekannt wurde, dass für diesen Deal Teile des unter Denkmal- und Naturschutz stehenden Ensembles "zu einem gehobenen Wohngebiet entwickelt werden sollten", schlug die Stunde von drei couragierten Bürgern, den besagten Musketieren. So werden Günter Schulz (65, ehemaliger Verwaltungsleiter in Soltau), sein Jugendfreund Jürgen Rymarczyk (64) - er war Gemeindedirektor im nahe gelegenen Neuenkirchen - und Jörg Beck aus Neuenkirchen (55), Betreiber eines Ameisenerlebniszentrums in Undeloh, genannt.

Aus der Zeitung hatten sie von den neuen Bebauungsplänen erfahren, die zunächst auch in der Stadtverwaltung Zustimmung fanden.

"Da haben wir Alarm geschlagen", erzählt Schulz, "und am 15. Oktober 2007 einen Verein gegründet. Auf einen Schlag hatten wir 70 Mitglieder." "Heute sind wir 150", sagt der Vereinsvorsitzende Bernd Ingendahl, dem die Golfanlage Hof Loh im benachbarten Tetendorf gehört. Mit vereinten Kräften setzten die Vereinsmitglieder alles daran, den privaten Garten für die Öffentlichkeit zu retten.

Der Streit innerhalb der Stadt eskalierte, und bald war der Plan für die Bebauung vom Tisch. Im September 2008 kam Breidings Garten zur Zwangsversteigerung. 260 000 Euro werden von der eigens gegründeten Stiftung aufgebracht. An ihr beteiligt sind die Stadt Soltau mit 70 000 Euro, die Volksbank Lüneburger Heide mit 130 000 Euro sowie Hinrich und Eckhart Röders mit jeweils 30 000 Euro.

Rüdiger Röders-Arnold (62), ein Nachkomme der Industriellenfamilie, ist jetzt Vorstand der Stiftung, er arbeitet eng mit dem Verein zusammen, dessen Aufgabe die Pflege des Gartens ist. Die Stiftung wiederum hat zum Ziel, dass "das Zeugnis deutscher sentimentaler Gartenarchitektur" in den Zustand von 1939 gebracht wird. "Dazu müssen wir als erstes das Totholz aus den Bäumen entfernen, die Wege fräsen und die alten Sichtachsen wieder freilegen", sagt Röders-Arnold. "Und wir müssen uns überlegen, was aus der alten Villa wird."

Klar ist, dass die Stadt nicht die Betriebskosten tragen kann. So gibt es etwa Pläne für eine weitere Jugendherberge in der Lüneburger Heide.

Der Firmengründer August Röders hatte in den 1850er-Jahren das Moorgelände am Böhmelauf gekauft, urbar gemacht, Bäume gepflanzt und nach seinem Stiefvater Breiding benannt. Am langen Konferenztisch im getäfelten Salon des Landsitzes haben einst die geschäftsführenden Mitglieder des weitverzweigten Familienunternehmens ihre Strategien abgesprochen. Die Röders waren damals schon "global players" mit Unternehmen in China, Russland, Amerika.

Exotische Bäume, Mitbringsel aus fernen Ländern, standen im Garten. Ein großer Teil ist bei der Explosion eines Munitionswaggons am 11. April 1945 von umherfliegenden Stücken zerstört worden.

Dennoch ist großartig, was bis heute von dem "zonierten Landschaftsgarten englischen Typs" mit seinen 565 Bäumen übrig geblieben ist. Mit ihrer Diplomarbeit über Breidings Garten haben André Poldrack und Urs Leyhe von der Leibniz Universität in Hannover jetzt zudem die Grundlage für die Restaurierung dieses großbürgerlichen Idylls geschaffen.

Jeden 2. Sonntag im Monat kostenlose Führung durch Breidings Garten. Beginn 15 Uhr an der Villa. Info: Günter Schulz, Tel. 05191/133 00.