Schleswig-Holstein hat am Sonntag die Wahl. Wer gewinnt, ist völlig offen. SPD, Grüne und SSW planen schon eine Dänen-Ampel, CDU und FDP warten ab

Kiel. Welche Partei am Sonntagabend im Kieler Landeshaus feiern und Schleswig-Holstein die nächsten fünf Jahre mitregieren darf, ist nach den letzten Umfragen offen. Nach Informationen des Abendblatts haben die drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und SSW gleichwohl schon einen Fahrplan für den Machtwechsel vereinbart. Sie planen für Sonnabend, den 9. Juni, Landesparteitage, um eine Dänen-Ampel samt Koalitionsvertrag von der Basis absegnen zu lassen. Drei Tage später steht im Landtag die Wahl des Ministerpräsidenten an.

Bei CDU und FDP, die Schleswig-Holstein seit Herbst 2009 regieren, gibt es noch keine Pläne für den Fall eines Wahlsiegs. "Aus Respekt vor den Wählern warten wir den Ausgang der Wahl ab", sagte CDU-Landesgeschäftsführer Daniel Günther. Auch die FDP hat noch keinen außerordentlichen Parteitag terminiert. Umso konkreter geht das rot-grün-blaue Lager ans Werk. Die SPD will am 9. Juni von 10 bis 14 Uhr in den Holstenhallen in Neumünster die Rückkehr in die Regierung beschließen, die Grünen im "Kiek in" in Neumünster. Der SSW plant für denselben Sonnabend einen Parteitag in Flensburg, allerdings nur für den Fall, dass die Partei der dänischen Minderheit als Mehrheitsbeschaffer benötigt wird.

Ob die Dänen-Ampel vorschnell war, wird sich am Sonntagabend um 18 Uhr zeigen, wenn ARD und ZDF ihre Prognosen wagen. 20 Minuten später sollen die ersten Hochrechnungen vorliegen. Im Idealfall ist gegen 19 Uhr klar, welche Regierungskoalitionen möglich sind. Im Fall eines Kopf-an-Kopf-Rennens von CDU und SPD oder einer Zitterpartie - etwa der FDP an der Fünf-Prozent-Hürde - wird es spätestens kurz vor Mitternacht Gewissheit geben. Gegen 23.30 Uhr will Landeswahlleiterin Manuela Söller-Winkler das vorläufige amtliche Endergebnis verkünden.

Der Wahlkampf, der sich über fast vier Monate hinzog, war für schleswig-holsteinische Verhältnisse ungewohnt unaufgeregt. In mehr als 1000 Veranstaltungen ging es um die Schulen, den Sparkurs und immer wieder auch um lokale Probleme wie etwa den "Buckel" (eine umstrittene 1,40 Meter hohe Bodenwelle auf einer Umgehungsstraße in Bargteheide). "Der Wahlkampf war sehr sachlich", bilanziert der Kieler Politikwissenschaftler Professor Joachim Krause. Das sei auch ein Verdienst der Spitzenkandidaten Jost de Jager (CDU) und Torsten Albig (SPD). Beide Spitzenpolitiker, der schwarze Wirtschaftsminister und der rote Kieler Oberbürgermeister, bevorzugten im Wahlkampf die leisen Töne und brauchen dafür kein Baldrian.

Beide sind von Natur aus keine Lautsprecher, wobei Albig ganz bewusst noch zwei Gänge zurückschaltete. Seine Strategie, Schleswig-Holstein zum "Lieblingsland" zu erklären und als sanfter Sozi im bürgerlichen Lager Stimmen zu sammeln, wäre bei groben Angriffen in sich zusammengebrochen. Selbst die SPD-Abteilung Attacke mit Landeschef Ralf Stegner an der Spitze rückte selten aus. Stattdessen verteilten die Genossen 30 000 Herz-Sticker und knapp eine Tonne Schoko-Herzen.

Ganz ohne Konflikte lief es aber nicht. Die CDU knöpfte sich die Dänen-Ampel vor, rechnete insbesondere mit dem Südschleswigschem Wählerverband ab und schürte damit alte Ressentiments gegen eine angeblich nicht nur beim Wahlrecht (keine Fünf-Prozent-Hürde) bevorzugte Minderheit. Die Kampfansage schlug Wellen bis nach Dänemark, wo eine der größten Zeitungen, die linksliberale "Politiken", in einem Leitartikel CDU-Chefin Angela Merkel aufforderte, ihren Parteifreunden an der Küste Einhalt zu gebieten.

"Dieser Wahlkampf war gleichwohl ein sehr angenehmer Kontrast zu dem, was wir 2009 erleben mussten", bekräftigt Krause. Vor zweieinhalb Jahren ging es weniger um politische Inhalte und mehr um die persönliche Auseinandersetzung zwischen Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und dem damaligen Spitzenkandidaten Stegner. Nach dem Bruch der Großen Koalition gifteten sich beide derart an, dass eine Neuauflage eines schwarz-roten Bündnisses in der CDU bis heute fast ausgeschlossen wird, zumal Stegner weiter die roten Strippen zieht. Bei der SPD ist die Bereitschaft zu einem Bündnis mit der CDU kaum größer, obwohl Carstensen nach der Wahl von der politischen Bühne abtritt.

Einig sind sich beide Volksparteien darin, dass Schleswig-Holstein zu normalen politischen Verhältnissen zurückfinden muss. Die letzte reguläre Wahlperiode war die von 2000 bis 2005. Die Große Koalition ging nach vier Jahre zu Ende, die schwarz-gelbe Regierung brachte es wegen des Neuwahl-Urteils des Landesverfassungsgerichts auf nur 30 Monate.

Spannend wird der Urnengang nicht überall in Schleswig-Holstein. Jochen Block, Bürgermeister von Bergewöhrden, weiß schon, wer in seinem Ort die Nase vorn hat: "Die CDU wird eine klare Mehrheit kriegen." 2009 holte die Union im kleinsten Dorf Dithmarschens 19 von 23 gültigen Zweitstimmen, satte 82,6 Prozent. Block: "Wir sind ordentliche Leute hier, fast alles Bauern." In einem Punkt ist Bergewöhrden Vorbild für das ganze Land: "Wir haben fast immer eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent."