Die Soziale Erhaltungsverordnung verhindert schon jetzt in einigen Stadtteilen überteuerten Wohnraum. Weitere Stadtteile in Arbeit.

Die Bewohner von St. Pauli betrifft es genauso wie die im Karoviertel, in St. Georg und Ottensen. Wütend und hilflos müssen sie mit ansehen, wie Quartiere zu Szenevierteln mutieren, Mieten und Wohnungspreise steigen, die alteingesessene Bevölkerung wegzieht. Gentrifizierung nennt die Wissenschaft den Prozess, die Immobilienbranche spricht von Aufwertung, der Volksmund nennt es Yuppisierung.

Die Viertel hoffen nun auf die Heilkraft des Instruments "Soziale Erhaltungsverordnung". Die Genehmigungsverfahren stehen für mehrere Stadtteile vor dem Abschluss. "Damit haben wir ein wirksames Instrument in der Hand, um die Bevölkerung vor Luxusmodernisierung und nachfolgender Verdrängung zu schützen", sagt Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD).

Hinter dem sperrigen Begriff steckt ein Bündel von Maßnahmen: Wenn ein Haus abgerissen oder modernisiert werden soll oder die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen geplant ist, muss der Eigentümer sich das beim Bezirksamt genehmigen lassen - und genau das kann unter Hinweis auf die Erhaltungsverordnung verweigert werden. Seine Wirkung entfaltet der Grundsatzbeschluss schon früher, denn die Bezirksämter können Anträge mit Hinweis auf begonnene Untersuchungen ein Jahr aufschieben. "Für St. Pauli und St. Georg treten die Verordnungen vermutlich noch im Dezember in Kraft", sagt Markus Schreiber, Leiter des Bezirksamtes Mitte.

In St. Pauli sind allein etwa 27 000 Anwohner betroffen. Auch in Ottensen und in der Sternschanze ist ein erweiterter Mieterschutz in Sicht. Das Ergebnis der Voruntersuchungen war ebenfalls eindeutig und wenig überraschend: Es gibt eine Verdrängung von Bevölkerungsschichten, und das alteingesessene Milieu ist zu schützen. "Wir hoffen, dass wir noch in diesem Jahr die Erhaltungsverordnungen anstoßen können, sodass sie im Frühjahr in Kraft treten", sagt Nils Fischer, Sprecher des Bezirksamtes Altona. Auch für Eimsbüttel-Süd, Altona-Altstadt und Wilhelmsburg, wo sich im Gefolge der IBA-Projekte Aufwertungstendenzen abzeichnen, werden Untersuchungen vorbereitet.

Das Instrument "Soziale Erhaltungsverordnung" ist nicht neu : Die bereits 1995 erlassene Verordnung in der südlichen Neustadt habe zu einer Stabilisierung der Bevölkerung beigetragen und wird daher gültig bleiben, so die Stadtentwicklungsbehörde. Für St. Georg wurde das Instrument 2002 diskutiert und verworfen. Grund: Mieten und Kaufpreise hatten schon ein hohes Niveau erreicht. In Eimsbüttel/Hoheluft und Barmbek/Uhlenhorst setzte die Politik das Instrument schnell wieder ab.

Angesichts 30 000 fehlender Wohnungen in Hamburg geht die Einführung der Verordnung "unfassbar langsam voran", kritisiert SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote. Bereits 2008 habe sich die Bezirksversammlung für die Verordnung in St. Georg ausgesprochen. "Das Instrument bedeutet immer einen Eingriff in die Grundrechte der Eigentümer", sagt Michael Sachs, Staatsrat für Stadtentwicklung. Um keine Angriffsfläche für Klagen zu bieten, sei der Erlass nur auf der Grundlage gesetzlich vorgeschriebener Untersuchungen und Nachweise möglich. Und die sind aufwendig - mit wissenschaftlicher Voruntersuchung, Hauptstudie, Expertengesprächen, Begehungen und Haushaltsbefragungen.

"Ziel ist es, Aufwertungspotenzial und Verdrängungsdruck über mehrere Indikatoren zu messen", sagt Matthias Klupp, Geschäftsführer des Hamburger Instituts Analyse & Konzepte. Es wurde mit der Voruntersuchung für St. Pauli beauftragt. Dazu gehören Miethöhen und Kaufpreise, Haushalts- und Einkommensstrukturen, Zunahme von Eigentumswohnungen, Ausländeranteil und Angaben zur Wohndauer.

Der Mieterverein begrüßt das Steuerungsinstrument: "Angesichts der Wohnungsnot in Hamburg muss geschützt werden, was noch zu schützen ist", meint Siegmund Chychla, stellvertretender Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Solide, langfristig orientierte Vermieter hätten nichts gegen die Verordnung. Zudem kurbelte diese eher den Wohnungsbau an: "Wer nicht umwandeln darf, baut Wohnungen."

Der Wohnungswirtschaft sind bürokratische Eingriffe ein Dorn im Auge. "Quartiere müssen sich weiterentwickeln, damit sie nicht umkippen. Stillstand ist schädlich", sagt Peter Hitpaß vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen und verweist auf Ottensen, das - früher auf der Kippe - heute ein boomender Stadtteil sei. "Vor allem dürfen die Erlasse nicht dazu führen, dass Modernisierungen gebremst werden. Das schadet dem Mieter."

"Man kann keine Glocke über ein Wohngebiet stülpen, um die Bewohner unter Bestandsschutz zu stellen", sagt Heinrich Stüven. Der Vorsitzende des Grundeigentümerverbandes Hamburg plädiert dafür, eine gesunde Durchmischung in Wohnvierteln zu fördern: durch sozialen Wohnungsbau und den Bau von Eigentumswohnungen.