Hamburg. Poppige Farben an Wänden, Decke und Boden, silberne Glühlampen und Bedienung am Tisch - die Kantine des Spiegel-Verlags ist weit über Hamburg hinaus bekannt und steht seit 1998 unter Denkmalschutz. Doch das Ende für die Kult-Kantine ist abzusehen. Schon ragen am Brooktorkai in der HafenCity die Baukräne in den Winterhimmel: Das Verlagshaus zieht auf die Ericusspitze, wo ein neues, größeres Restaurant mit breiter Terrasse und Blick auf die Elbe geplant ist. 2011 soll es fertig sein und bezogen werden.

Für die alte Kantine aus den Sechzigerjahren ist da kein Platz, jedenfalls nicht in ihrer jetzigen Form: "Es gibt noch nichts Definitives mitzuteilen", sagt Anja zum Hingst, Sprecherin des Verlags. "Ein Teil des Inventars zieht mit uns um, ein anderer bekommt einen Platz im Museum für Kunst und Gewerbe." Während die neue Kantine ebenso wie der Neubau aus einer Hand von dem dänischen Architekturbüro Henning Larsen entworfen wird, gilt dies nicht für die Kantine im derzeitigen Verlagshaus an der Ost-West-Straße/Ecke Brandstwiete: Als Verlag und Redaktion 1969 in die neuen Büros zogen, war Werner Kallmorgen, Architekt des zwölf Stockwerke hohen Glasbaus, nicht mit der Gestaltung des Inneren betraut. An seiner statt wurde Verner Panton engagiert - ein dänischer Designer und Architekt, damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Panton war Mitarbeiter des ebenfalls dänischen Stararchitekten Arne Jacobsen gewesen, hatte sich aber früh selbstständig gemacht und einen eigenen, dem Kunststoff, grellen Farben und extravaganten Formen zugewandten Stil entwickelt. Berühmt wurde er 1967 mit der Serienproduktion des "Panton Chair", einem Nachfolger des Models "Freischwinger S", den der Däne für das Möbelhaus Thonet entworfen hatte. Für das Spiegel-Hochhaus bekam Panton den Auftrag, einen Kontrast zum Äußeren des Gebäudes herzustellen und es von Innen zu beleben. Panton entschied sich, bis zum zehnten Stockwerk jeder Etage eine eigene, stark leuchtende Farbe zu geben. Konferenzräume stattete der Designer mit kreisrunden, grünen Teppichen und Pendelleuchten aus Muschelplättchen aus. Das Foyer erscheint wie ein psychedelisch anmutender Raum aus Glas und Chrom - mit rot, violett und blau leuchtenden Wänden und Decken. Die Kantine und die Snackbar inszenierte Panton als Gesamtkunstwerk.

Die Dreiteilung von Wänden, Fußboden und Decke hob er auf, indem er alle Oberflächen mit ähnlich kräftigen Farben versah oder ganze Wände mit viereckigen Plastikleuchten bestückte. Dieselben Farben nimmt noch heute der Teppich auf, ebenso wie der Tresen, der mit Dreiecken und Kreisen aus Kunststoff beklebt ist. Von den Decken hängen farbige Pyramiden und Pendelleuchten. Die Arbeit für den Verlag gehörte zu Pantons schönsten Erlebnissen, zitierte der "Spiegel" vor einigen Jahren dessen Witwe, Marianne Panton. Er habe viele seiner Ideen im Haus umsetzen können, obwohl diese sehr gewagt gewesen seien. Tatsächlich löste das fertiggestellte Verlagshaus im Januar 1969 große Aufmerksamkeit aus, auch weil die Kantine von außen für jeden einsehbar war.

Über die Jahre schwand der Einfluss Pantons im Haupthaus, die Flure und Räume der Redaktionen wurden nach und nach weiß übermalt. Die Kantine und die Snackbar jedoch wurden 1998, als es Zeit für Renovierungsarbeiten war, unter Denkmalschutz gestellt. Der Verlag bekam die Auflage, den Originalzustand wiederherzustellen. Teile mussten von Hand nachgearbeitet werden, so etwa der Teppich. Der wird nun, 42 Jahre nachdem Panton ihn entworfen hat, ins Museum am Steintorplatz ziehen.