Ob altes Instrument, Buch, Stuhl oder Europalette: Beim Upcycling werden Dinge so umgestaltet, dass daraus neue Möbel entstehen

Kai Hollmann hat nicht nur das richtige Gespür für Hotels, sondern auch für das passende Design. In seinen beiden „Superbuden“ auf St. Pauli und in St. Georg gibt es Garderoben-Haken aus Abfluss-Pümpeln, Tische aus Waschtrommeln, Sitzhocker aus Tauen, Hocker aus Bierkästen, Mausefallen als Bildhalter und ähnliches mehr.

Der Hotel-Rebell, der sich dem Motto verschrieben hat: „Bei mir kommen nicht Gäste, sondern Freunde zu Besuch“, hat in seinen Häusern die Zweckentfremdung zum Designprinzip erhoben. „Wir wollen etwas Besonderes bieten und uns von den großen Ketten abheben“, erläutert Marketing-Chef Klaas Jeschke die Hintergründe. „Wir sprechen Kunden mit kleinem Budget an, deshalb sind es alles banale, preiswerte Objekte und Materialien, die bei uns witzig-zweckentfremdet zum Einsatz kommen.“ Viele Ideen seien eher zufällig schon in der Bauphase entstanden. So wurden aus stabilen Bauplanen Bettrücken, aus ganz normalen Schubkarren Sessel. Die zumeist jungen Gäste lieben den schrägen Style für den kleinen Geldbeutel; die Superbuden, beide eine Mischung aus Hotel und Hostel, sind zu 85 Prozent ausgelastet.

Ganz früher waren einmal Sperrholzkisten als Regale, Bücher als Regalträger, Lampen aus Papierkörben oder Tische aus Wagenrädern die Klassiker für klamme Erstwohnungsbesitzer. Heute, im Zeitalter des Shabby Chic, wo sich jeder gern absetzt von der durchdesignten Möbelwelt, sind wieder originelle Umwandlungen und Zweckentfremdungen gefragt – sei es nun selbst gemacht oder von pfiffigen Designern entworfen und produziert.

Ein Paradebeispiel dafür ist die Manufaktur Lockengelöt auf St.Pauli. „Wir wollen mit Rohstoffen überraschend umgehen, Dinge anders sehen und so etwas Neues schaffen“, ist das Credo von Dennis Schnelting und Carsten Trill. Zweckentfremdung und Recycling von Alltagsgegenständen sind ihr Produktionsprinzip. Seit 2004 werden bei Lockengelöt „echte“ , allerdings unbenutzte Ölfässer aus dem Hamburger Hafen zu Schränken, farbige Schallplatten zu Wandleuchten oder Bücher zu Garderoben umfunktioniert. Alles in feinster Handarbeit. „Die besten Produktideen sind aus Versehen entstanden“, sagt Carten Trill. „Das Schlüsselbrett aus Büchern ist zum Beispiel entstanden, als wir Musterhaken für ein neues Produkt auf ein schwarzes Buch legten, um zu sehen, wie sie darauf wirken. Auf die Idee, aus Fußball-Kickern Flaschenöffner zu machen, sind wir beim Tischfußballspielen gekommen.“

Die Kölner Firma Bordbar Design hat sich indessen darauf verlegt, ausrangierte Trolleys aus Flugzeugen fit zu machen für ein zweites Leben. Die Container bekommen per Folienbeklebung auch innen ein neues Gesicht nach Kundenwunsch. Als beleuchtete Minibar, als schmuckes Weinregal, als Küchenregal oder als Kaffeeschrank mit eingebauter Espressomaschine sind sie dann noch lange am Boden im Einsatz.

Frische, fantasievolle Zweckentfremdungen stellt die Berliner Firma roomsafari vor; sie hat auch in Hamburg einen Ableger (Lehmweg 56). Ein simpler Hosenbügel, kombiniert mit einem durchsichtigen, gerundeten Polycarbonatstück und einer einfachen Glühbirnenfassung wird zu einer eleganten, mit verschiedenen Preisen ausgezeichneten Designerleuchte, die mit dem Haken fast überall befestigt werden kann.

Ein wahrer Hingucker ist die Leuchte Kubus K1 Invers: die weichen, flaumigen Gänsefedern bilden hier das Innere des Lampenschirms. Außen sind hingegen Federkiele zu sehen. Sorge, das sich das Naturmaterial durch die Wärme des Leuchtmittels erhitzt und möglicherweise sogar entflammt werden könnte, braucht man nicht zu haben: „Die Federn sind wie Wolle schwer entflammbar. Zudem ist der Abstand des Leuchtmittels so groß, dass nichts passieren kann“, sagt Designerin Heike Buchfelder. Die Architektin bietet unter dem Label pluma cubic auch Lampenschirme mit Federn außen an.

Europaletten werden indessen für die Möbelserie „45“ des jungen Labels Kimidori aus Berlin verwendet. Begonnen wurde zunächst mit einem Hocker, später folgten Schränke und Sitzmöbel. Gebrauchsspuren werden hier nicht kaschiert. Im Gegenteil: Um diese Spuren zu betonen und charakteristisch zu präsentieren, werden die Bretter in klassischen, geometrischen Mustern in 45 und 90 Grad zueinander verlegt.

Wer aufmerksam die Stände auf dem Weihnachtsmarkt in der Spitalerstraße vor wenigen Wochen besucht hat, dem dürfte der Stand von Olaf Cordes aufgefallen sein. Bei ihm werden aus Musikinstrumente Leuchten. „Angefangen hat alles vor gut vier Jahren. Meine Frau und ich saßen im Wintergarten bei einem Glas Wein und schauten auf das an der Wand hängende Horn. Da sagte meine Frau zu mir: Mach doch daraus mal eine Leuchte.“

Seitdem verwandelt der 48-jährige Hobbyhandwerker im Keller seines Hauses in Buxtehude mal eine Trompete, dann eine Quetschkommode oder ein Saxofon zu edlen Füßen für Leuchten. Zu bewundern sind seine Kreationen www.lumines-leuchten-unikate.de

Warum nicht aus einem Turnkasten oder einer Turnbank ein mobiles Möbel mit Stauraum machen? Das dachte sich Andreas Gröbel und machte kurzerhand aus Sportgeräten, denen der Angstschweiß aus der Schulzeit noch anhaftet, komfortable und witzige Möbel, die auch als Bar und Schrank dienen können. Seine Kreationen bietet der gelernte Dekorateur und Schlosser gemeinsam mit einem Freund unter dem Label „Zur schönen Linde" an. Genau 35 weitere, ungewöhnliche Vorschläge, wie man aus alten Dingen oder Materialien originelle Dekorationen für die Wohnung machen kann, zeigt Elli Laycock in ihrem Buch „Handmade Vintage“ (16,95 Euro). Bei ihr werden aus überzähligen Silberbesteckteilen attraktive Wandhaken, aus Notenpapier ein origineller Lampenschirm, aus der alten Briefmarkensammlung neue Tischsets – alles pfiffig, witzig und garantiert einmalig.

Spezielle Handwerkerqualitäten sind nicht nötig. Spaß am Basteln und ein wenig Geschick reichen aus, so die Autorin. Außerdem erklärt sie Schritt für Schritt, wie man vorgehen sollte, und eine Liste nötiger Werkzeugeist auch hinterlegt. So sollte es problemlos gelingen, aus einer einfachen Glasvase mittels Häkeldeckchens ein Unikat zu machen.