Fast jede fünfte Wohnung gehört einer Bauvereinigung. Bei neuen Projekten setzen Stadtplaner sehr enge Grenzen

Hamburg baut und baut – doch das hat auch eine Kehrseite: In den neuen Quartieren herrscht vielfach architektonische Einfallslosigkeit. Architekten und Stadtplaner verfahren derzeit nach dem Motto: Quadratisch ist einfach und gut. So wird ein kastenartiger Neubau nach dem anderen errichtet – sei es nun in der HafenCity, in Othmarschen oder anderswo. Das Bemühen, zumindest durch Auskragungen an der Fassade oder durch Gestaltung des Fensterbereichs unverwechselbare Architektur zu schaffen, scheint gering.

Petra Böhme verrät, dass dies bei der Jahresauftaktveranstaltung des Arbeitskreises Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften (AHW) vor wenigen Tagen im Grand Elysée auch ein Thema war. „Viele von uns würden es begrüßen, wenn wieder mehr Häuser mit richtigen Dächern gebaut werden“, sagt die Vorsitzende des Arbeitskreises. Der AHW vertritt immerhin 30 Wohnungsbaugenossenschaften in der Hansestadt mit rund 130.000 Wohnungen und mehr als 200.000 Mitgliedern.

Angesichts von gut 700.000 Mietwohnungen in der Hansestadt bedeutet dies, dass nahezu jede fünfte Wohnung einer Genossenschaft zuzuordnen ist. Damit ist ihr Einfluss auf das Baugeschehen und auf das Mietniveau groß. „Allerdings nur bedingt auf die Architektur“, sagt Böhme, die zugleich Vorstandsmitglied im Altonaer Spar- und Bauverein ist. „Die vielen Vorgaben durch die Stadtplanung mindern unseren Einfluss auf die Architektur.“

Dafür verweisen Wohnungsbaugenossenschaften gern auf die Tatsache, dass sie nicht auf Rentabilität abzielen, sondern Überschüsse – bis auf die Dividendenausschüttung – in ihre Bestände reinvestieren. Mitglieder profitierten davon. Das tun sie wirklich: Die Nutzungsgebühr – so bezeichnet man die Miete, denn Genossenschaftsmitglieder erwerben Anteile und erhalten damit auch ein Mitspracherecht bei Zusammensetzung der Gremien – liegt im Schnitt unter dem Mittelwert des Mietenspiegels. Dazu Petra Böhme: „Im Durchschnitt betrug die Kaltmiete 2013 bei unseren Mitgliedern 6,03 Euro pro Quadratmeter.“ Darin enthalten sei bereits der Neubau, immerhin etwa 900 Wohnungen. „Eine Auswertung für 2014 liegt leider noch nicht vor“, sagt sie. Das Mietniveau liege aber bei Bewohnern, die schon lange ihre Wohnungen nutzten, zum Teil auch weit darunter – bei 4,50 oder 5 Euro/m2.

Zum Vergleich: Eine 2013 von den wohnungswirtschaftlichen Verbänden in Auftrag gegebene Studie vom Center for Real Estate Studies (CRES) zum Hamburger Mietwohnungsmarkt ergab, dass die Bestandsmiete bei privatwirtschaftlichen Vermietern im Schnitt 7,70 Euro/m2 (normale Wohnlage) und 9,32 Euro/m2 in guten Wohnlagen betrug. Wer aktuell nach einer Mietwohnung sucht, muss laut Immobilien Scout 24 derzeit eine durchschnittliche Kaltmiete von 10,40 Euro/m2 zahlen.

Die Wartelisten bei den Genossenschaften sind entsprechend lang. Macht es überhaupt noch Sinn, sich auf die Liste setzen zu lassen? „Auf jeden Fall“, sagt die AHW-Vorsitzende. Zwar müssten Interessenten ein wenig Geduld mitbringen, „vor allem, wenn sie sehr spezielle Vorstellungen von Lage und Schnitt der Wohnung haben“. Neu hinzu kämen aber jedes Jahr besagte 900 Wohnungen, die gebaut werden, „und bis zu 8000 Wohnungen, die jährlich so auf dem Markt landen und neu vergeben werden“. In jedem zweiten Fall profitiere ein Neu-Mitglied davon.

Wer jedoch erst einmal eine Wohnung hat, gibt diese selten auf. Dafür sprechen nicht nur die niedrigen Mieten, sondern auch das lebenslange Wohnrecht. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist damit ausgeschlossen. Auch liegt den Genossenschaften das Wohlergehen ihrer Mitglieder sehr am Herzen: Es werden Nachbarschaftstreffs und Mitgliederfahrten organisiert, zahlreiche Hilfen im Bedarfsfall angeboten ebenso wie Gemeinschaftsräume und -flächen. „Besonders viel tun wir für unsere Senioren“, hebt Böhme hervor. Viele von ihnen sind indessen nur ungern zu einem Wohnungstausch bereit, auch wenn die Kinder längst ausgezogen sind und der Partner verstorben ist. „Wir versuchen Anreize zu schaffen, indem wir die Neumiete nicht erhöhen. Aber wir müssen feststellen: Menschen, die viel Zeit zu Hause verbringen, brauchen auch ihren Raum“, sagt Böhme. Das gelte für viele Singlehaushalte, für die man jetzt primär Wohnraum schaffen wolle.

Wo Interessenten fündig werden ist hinterlegt unter wohnungsbaugenossenschaften-hh.de