Es sollte der Anfang von ihrem Traum vom Eigenheim sein, zwei Jahren später war das Haus der des Ehepaars Wolter aber immernoch ein Rohbau. Ihr Bauretter war ein Sachverständiger.

Historisch niedrige Zinsen für Baufinanzierungen lassen viele Menschen vom eigenen Haus träumen. Auch Jessika und Ralph Wolter geht es so. Ihr Traum hat sich allerdings zu einem Albtraum entwickelt. Denn obwohl die Baufinanzierung gut kalkuliert war, sie den Bauvertrag vorab von einem Experten kontrollieren ließen, ging letzten Endes alles schief.

Doch der Reihe nach. Auf die Idee zu bauen, kommt das Ehepaar durch eine Nachbarin. „Sie hatte ein schönes Grundstück zur Hand, schlug uns vor, dort gemeinsam mit ihr Doppelhaushälften zu errichten“, erinnert sich Jessika Wolter. Die Idee kommt an, auch weil schon da absehbar ist, dass das Haus, in dem das Paar mit Sohn Luc zur Miete wohnt, verkauft werden soll. Die Nachbarin hat bereits einen Bauträger in Lübeck ausgemacht, seine Pläne gefallen auch den Wolters gut. Man kommt ins Gespräch. Verträge werden aufgesetzt, juristischer Rat eingeholt – dann platzt die Finanzierung der Nachbarin. Die Wolters müssen von da an alleine weiterplanen.

Als die Vertragsunterzeichnung ansteht, kommt es zu einer Begebenheit, die als Vorzeichen für alles weitere gedeutet werden kann: Der Bauträger drängt darauf, die Verträge zu unterschreiben, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein fester Zahlungsplan vereinbart ist. „Wir haben das sofort beanstandet“, sagt die 46-Jährige. Es heißt, der werde nachgeliefert – und so unterzeichnet das Paar.

Ein Kardinalfehler, wie sich herausstellt. Zwei Monate später flattern mit dem ersten Spatenstich hohe Zahlungsaufforderungen rein. Jeweils 18.000 Euro soll das Paar für die Gründungsarbeiten inklusive Bodenplatte zahlen. Angesichts der für den Hausbau veranschlagten reinen Baukosten in Höhe von 235.000 Euro sind das immerhin 15 Prozent der Gesamtkosten. „Wir waren aufgeschreckt. Das war eine Vorauszahlung, die nicht den bis dahin erbrachten Leistungen entsprach“, sagt das Paar. Von nun an sind die Wolters auf der Hut. Gespräche werden geführt, die Bauarbeiten verlaufen stockend, erste grobe Mängel am Bau werden deutlich. Im August dann zieht das Paar die Reißleine – die Baufirma fordert Geld, ohne noch etwas zu tun. Selbst eine Baufinanzexpertin aus dem Umfeld der Firma rät: So schnell wie möglich raus aus den Verträgen!

Das Haus gleicht zu diesem Zeitpunkt einer Bauruine. Nerven liegen blank. Währenddessen muss das Paar – sie Leiterin einer Diätküche, er Vertriebskaufmann – die Raten für den Kredit weiterzahlen. Es wird eng. Auch räumlich. Das Haus, in dem die dreiköpfige Familie wohnt, wird planmäßig verkauft. Eine neue Bleibe muss her: Statt der 135 Quadratmeter, die der Familie ihr Traumhaus bieten soll, muss sie in eine 55 m2 große Mietwohnung ziehen. Ein Arbeitszimmer gibt es dort nicht. In der Küche befinden sich mittlerweile Türme an Papier rund um einen kleinen Tisch – stumme Zeugen des Schriftwechsels mit dem Bauträger.

Zu diesem Zeitpunkt kommt Herbert Oberhagemann, Leiter des Regionalbüros Hamburg des Verbands Privater Bauherren VPB, ins Spiel. Man könnte ihn auch als Bauretter bezeichnen. Doch er mag diese Bezeichnung nicht. „Weil es so etwas nur im Fernsehen gibt“, sagt der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige.

In Wirklichkeit sei es so, dass keiner kostenlos arbeite und die Bauherren nie die Hände in die Taschen stecken können. Das zeige auch dieses Beispiel. „Mittlerweile musste Frau Wolter die Planungen für vieles übernehmen, was ihr auch gelingt“, stellt der Experte mit einem Schuss Bewunderung fest.

Die Möglichkeit jedoch, aus dem Vertrag mit der Baufirma herauszukommen, die liefert er. In seinem Gutachten macht der diplomierte Architekt der Baufirma unmissverständlich klar: Die Mängel im Haus sind so gravierend – im Dachgeschoss werden die vereinbarten Raummaße nicht eingehalten, sodass man dort nur eingeschränkt stehen kann –, dass deren Behebung ebenso viel Geld kostet, wie die Firma von den Bauherren einfordert. Die Firma kann dem nichts entgegensetzen, sie zieht sich zurück. Es beginnt die Suche nach einem neuen Bauträger. Doch keiner will sich mit dem Haus mit den vielen Mängeln befassen. Wolters freuen sich, als der Unternehmer, der direkt nebenan ein Haus errichtet, sich dazu bereit erklärt. Er macht einen kompetenten Eindruck. Ein Irrtum. Schnell wird klar: Seine Handwerker, die Subunternehmer, warten seit Langem auf Lohn. Bei den Wolters führt dies dazu, dass die Arbeiten wieder zu stocken beginnen. Damit es überhaupt weitergeht, bezahlen sie nun alles direkt.

Dem Unternehmer kündigen sie indes fristlos. Zwar macht dieser „entgangenen Gewinn“ geltend, doch Oberhagemann ist sicher: Das Paar sitzt am längeren Hebel. „Er hat zu viele Gläubiger am Hals, und wegen gravierender Mängel im Nachbarhaus hat er dort zudem eine Klage am Hals.“

Die Wolters haben indessen ihr Haus zumindest mängelfrei. Die Innenausbauten wollen sie jetzt mithilfe einiger ausgewählter Firmen, handwerklich begabter Angehöriger und in Eigenleistung bewerkstelligen. „Wenn alles gut geht, können wir Ende Dezember einziehen“, hofft das Paar. Sein Fazit: „Auf gar keinen Fall Geld für die Überprüfung der Verträge sparen und einen Experten wie Herrn Oberhagemann hinzuziehen.“ Und was rät der Sachverständige? „Bauherren sollten sehr selbstbewusst und kritisch gegenüber Firmen auftreten, auch wenn diese sich angesichts der großen Nachfrage durch Bauwillige fast schon aussuchen können, für wen sie ein Haus errichten.“