Ein Dach aus Naturmaterial sorgt für ein angenehmes Raumklima. Wichtig ist aber die regelmäßige Pflege

Der Hahn Apollo und seine 20 Hennen haben es gut getroffen. Ihr Auslauf ist der Garten eines alten Reetdachhauses aus dem Jahre 1834, in dem sie den ganzen Tag Würmer picken und Gras fressen können. Eine Idylle, in der sich auch Ingvar und Cornelia Grebe, die das denkmalgeschützte Gebäude in Rosengarten-Emsen vor einigen Jahren gekauft haben, wohlfühlen. „Wir waren auf der Suc*****he nach einem norddeutschen Bauernhaus und haben uns sofort in dieses hier verliebt“, sagt die in Lüneburg tätige aus Nordrheinwestfalen stammende Tierärztin Cornelia Grebe. „Uns gefällt die Landschaft“ ergänzt der Agrar-Ingenieur Ingvar Grebe, der in der Tierfutterbranche arbeitet. „Wir haben immer mit der Natur und von der Natur gelebt.“ In dem von Pferdeweiden umgebenen Haus haben die Grebes, beide Reiter und Jäger, mit ihren beiden Hunden Red und Irka ihr Traumhaus gefunden. In dem niedersächsischen Zweiständerhaus, in dem es noch historische Alkoven (Wandbetten) und einen alten Billegger-Ofen gibt, haben sie sich das alte Flett (Hallenhaus) als Wohnzimmer eingerichtet. Als historisches Prachtstück aus Familienbesitz steht unter dem hölzernen, schwarzen Ständerwerk ein altes Biedermeier-Sofa. Die Balken im Haus sind schwarz, weil früher Tag und Nacht der Rauch eines offenen Feuers das Holz konserviert und haltbar gemacht hat. Es blieb erhalten, obwohl einige der früheren Eigentümer recht unsensibel mit der historischen Bausubstanz der ehemaligen Scheune mit Gesindestuben umgegangen sind. Seit 1930 wurde das Haus nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Zeitweilig diente es als Lazarett, später als Flüchtlingsunterkunft und als Jagdhaus. Mit den 1960er-Jahren kamen die damals üblichen „Verschlimmbesserungen“. Die Fenster wurden vergrößert und Glasbausteine eingesetzt. 1986 erfolgte ein Besitzerwechsel, der dem Haus zugutekam. Es wurde denkmalgerecht in seinen historischen Zustand zurückversetzt. Durch einige zeitgemäße Modernisierungen wie eine große Glasfront anstelle der alten Scheunentür konnten zeitgemäße Wohnvorstellungen umgesetzt werden.

Auch wurde der Dachraum unter der Reetdeckung zu Wohnräumen mit Dachgauben ausgebaut. „Damals wurde unter dem Reet eine Dämmschicht aus Kork eingezogen“, sagt Ingvar Grebe. Der darüberliegende Dachboden hat keine zusätzliche Dämmung. Das ist nur möglich, weil bei unter Denkmalschutz stehenden Häusern Ausnahmen von der EnEV (Energieeinsparverordnung) gemacht werden können. Neue Reetdachhäuser dagegen müssten mit einer Dämmschicht aus Glaswolle und der notwendigen Hinter- und Entlüftung versehen werden, erklärt Dachdeckermeister Uwe Behr aus Winsen.

Die Dämmung und Lüftung zählen, wenn sie nicht sachgerecht angebracht wurden, zu den Schwachstellen eines modernen Reetdaches. „Normalerweise hält ein Reetdach gut 40 Jahre und länger“, sagt Uwe Behr. „Die Wetterseite verwittert schneller, braucht dafür aber auch an die 20 Jahre.“ Kann sich wegen einer fehlerhaften Dämmung Feuchtigkeit im Reet bilden, ist ein idealer Nährboden für Pilze geschaffen, der das Reet schnell faulen lässt. Feuchtigkeit bildet sich auch an den modernen Accessoires eines Reethauses wie den beliebten Gauben. Hier kann das Wasser nicht so schnell abfließen wie auf den steileren Dachflächen, und es durchfeuchtet das Reet. „Gauben und Kehlen gehören zu den Schwachstellen eines modernen Reetdaches“, sagt Uwe Behr.

Das Ehepaar Grebe ist sich bewusst, dass ein Reetdach mehr Pflege benötigt. „Wir haben vor dem Einzug einige Stellen ausbessern lassen und werden das Dach alle zwei, drei Jahre kämmen lassen, damit sich keine Moosschicht bildet“, sagt Cornelia Grebe. Moos wie auch ein dichter Baumbestand um ein Reetdachhaus verhindern das Austrocknen eines Reetdachhauses.

Jahrhundertelang hat das norddeutsche feuchte Klima den Reetdächern nur wenig anhaben können, wenn sie regelmäßig gepflegt wurden. Wissenschaftler der Fachhochschule (FH) Lübeck warnen jedoch, dass der Klimawandel künftig auch den Reetdächern zusetzen könnte. Die Sommer würden heißer werden und die Luftfeuchtigkeit zunehmen. Auch im Winter, in dem die Dächer traditionell trocknen würden, müsse man nun mit mehr Regen rechnen. Als Plädoyer gegen Reetdächer wollen die Wissenschaftler diesen Befund jedoch nicht verstanden wissen, sondern als Aufforderung, den Reetdächern besondere Aufmerksamkeit bei der Pflege zu widmen. Das sieht Ingvar Grebe ähnlich: „Lieber beizeiten einen kleinen Schaden reparieren, als später zur großen Lösung gezwungen zu sein.“ So habe man es früher auch gehalten.

Reet, darin sind sich die Bewohner und Fachleute einig, ist ein faszinierender Baustoff. Er ist natürlich, wird nicht chemisch behandelt und schafft ein gutes Raumklima ist. „Unter einem Reetdach ist es im Sommer kühler und im Winter warm“, sagt Dachdeckermeister Uwe Behr. Diese Vorteile können sich auch Besitzer pfannengedeckter Bauernhäuser gönnen. „Dachpfannen durch Reet zu ersetzen, ist kein Problem“, erklärt Behr. „Umgekehrt ist es schwieriger, weil dann Sparren eingezogen werden müssen.“ Heutzutage rechnen die Reetdachdecker nach Quadratmeter ab. Die Preise liegen zwischen 75 und 85 Euro, wobei Dachflächen günstiger sind als Gauben und Kehlen. Das Material für diese Dachdeckung ist ausgesprochen international. Das Reet kommt aus Rumänien, der Türkei, ja selbst aus China. Wer sich für ein Reetdach entscheidet, muss wissen, dass er wegen der Abstandsflächen zum Nachbargrundstück ein größeres Grundstück gebraucht wird. Außerdem ist die Feuerversicherung teurer.