Noch haben nur wenige hierzulande die Vorteile der Frachtboxen erkannt. Entwürfe aus den Niederlanden und den USA inspirieren zum Umdenken

Als der amerikanische Spediteur Malcolm McLean vor etwa 50 Jahren den Container erfand, konnte er sich sicherlich nicht vorstellen, wie vielseitig seine Frachtkisten einmal eingesetzt werden: Sie dienen als provisorische Büros, als Ausstellungsräume, als Baracken auf Baustellen, als Notunterkünfte – damit assoziiert man Containerbauten hierzulande wenig mit architektonisch Interessantem.

Aus den Metallboxen lassen sich aber auch schicke Luxusbleiben konstruieren. Eine neue Generation von findigen Architekten weltweit begeistert sich für das Wohnen im Container. So hat zum Beispiel der Amerikaner Marti aus Missouri vier Original-Seecontainer mithilfe eines Architekten kunstvoll umgebaut (my home in a box: 8747house.blogspot.com). Auf der Biennale 2007 in Venedig machte der Container der Kaffeefirma Illy Furore: Per Knopfdruck verwandelte er sich vom rostbraunen Container zum schicken Café.

Der slowenische Architekt Jure Kotnik gehört ebenfalls zur Riege der Container-Anhänger. Er hat sich während seines Studiums mit mobilem Container-Wohnen befasst und 2007 einen Architekturpreis für den Umbau eines Seecontainers erhalten. 2011 gründete Kotnik zusammen mit Diplomkaufmann Peter Dussl die Firma Conhouse in Birmingham, die auf die Errichtung von Containerbauten spezialisiert ist. In Deutschland gibt es eine Niederlassung in Nürnberg.

„Noch sind die Deutschen sehr konservativ, wenn es um das Bauen geht. Sie errichten am liebsten Häuser aus Stein für die Ewigkeit“, sagt Peter Dussl. „Das Bewusstsein, dass sich aus Containern tolle Bauwerke errichten lassen, setzt sich hier erst langsam durch. In den Niederlanden oder in den USA ist man in dieser Hinsicht viel weiter.“

So baute das in Amsterdam ansässige Unternehmen Tempohousing im Süden Amsterdams eine Studentenwohnanlage aus 1000 Frachtcontainern unter dem Namen „Keetwonen“. Die Apartments sind 30 Quadratmeter groß und bei Studenten sehr beliebt. Eines der bekannten Conhouse-Projekte steht in der Züricher In-Location „Frau Gerolds Garten“. Hier verkaufen junge Kreative Design und Fashion in kleinen Ateliers, vielfach in umgebauten Containern. Die hippe Taschen-Firma Freitag hat ihre Ausstellung im Freitag-Turm, einem Gebilde aus 15 aufeinandergestapelten Hochseecontainern.

„Die Nachfrage nach modularen, leicht zu transportierenden und architektonisch pfiffigen Einheiten für den Wohn- und Gewerbebau steigt aber auch hier“, sagt Peter Dussl. „Wer in Deutschland ein Containerhaus kauft, macht das, anders als beispielsweise in den USA, nur selten aus Mobilitätsgründen. Im Vordergrund stehen der schnelle und preisgünstige Bau und der Transport. Denn das einzige Modul, dass es in Massen weltweit in gleichen Abmessungen gibt, ist der Frachtcontainer.“

In der Tat haben diese verbindlich eine Breite von 2,44 Meter und eine Innenhöhe von 2,6 Metern. Die Länge kann zwischen sechs und zwölf Metern variieren. Die Rede ist dann von 20- und 40-Fuß-Containern. Auf dieses Format sind weltweit Lkw, Züge, Schiffe und Hebeeinrichtungen eingestellt.

Konstruiert werden die Behälter aus genormten Stahlprofilen. Die kleinste Einheit besteht aus einem Element, das als Schrebergarten-, Wochenend- oder Wellness-Haus zum Einsatz kommen kann, erläuert Dussl. Vorteil der Container: Theoretisch können sie endlos in alle Richtungen aneinander gekoppelt werden.

Außerdem lässt sich mit ihnen aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades in weniger als zwei Monaten ein Haus mit allen Leitungen und Anschlüssen schlüsselfertig aufstellen. Container eignen sich auch für Cafés, Läden, Büros und temporäre Bauten aller Art, wie der IBA-Bau in Wilhelmsburg zeigt.

Zudem kann ein Modul an ein konventionelles Wohnhaus angedockt werden, etwa wenn sich Familienzuwachs ankündigt, ein Büro oder barrierefreier Wohnraum für die Großeltern benötigt wird. „Ab 850 Euro pro Quadratmeter kostet der gut und vollständig ausgestattete Wohnraum in einem ausgebauten Container“, erklärt Dussl. Seine Bewohner müssten weder auf modernen Wohnkomfort noch auf energetische Standards verzichten.

Um eine Wärmedämmung nach der jüngsten EnEV zu erreichen, sind die Wände des Conhouse zweischalig aufgebaut und mit Fassadenelementen verkleidet, die die Stahlstruktur komplett umhüllen. Die Außenfassade kann sowohl eine Stein-, Holz- oder auch Aluminium-Optik erhalten. Aufgestellt werden Containerhäuser auf Punktfundamenten. Streifenfundamente oder gar eine Bodenplatte sind durch das geringe Eigengewicht auch bei zweigeschossigen Bauten nicht notwendig. Die Fundamentierung sowie die Hausanschlüsse werden zusammen mit einem Architekten geplant und von Spezialisten vorbereitet und auch abgenommen.

Inzwischen haben sich eine Reihe professioneller Anbieter auf das Bauen mit Container-Modulen spezialisiert. „So praktisch und funktional diese Bauform auch ist, richtig eingeschlagen ist das Thema hier noch nicht“, sagt Architekt Mathias Salinger, der sich mit seiner Oldenburger Firma „Create your Cubes“ auf Bauten aus Hochsee-Containern spezialisiert hat. Einen Pressecube für Werder-Bremen, ein kleines Hotel, Studentenapartments, einen Showroom, Büroerweiterungsbauten und einen Aussichtsturm hat Salinger aus Seecontainern bereits gebaut.

Der Architekt ist sicher, es sind die vielen Vorurteile wie zum Beispiel, man schwitze im Sommer in den Wohnboxen und klappere im Winter mit den Zähnen, die dazu beitragen, dass die Skepsis gegenüber dieser Bauform noch hoch ist. „Doch in 15 bis 20 Jahren wird sich diese Bauweise durchgesetzt haben“, glaubt Salinger. Der Containerbau eröffne viele Möglichkeiten. Der Gestaltung des Inneren seien wenig Grenzen gesetzt, praktisch jeder Bodenbelag sei geeignet, das Gleiche gelte für Wandverschalungen und Tapeten, eckige oder runde Fenster, eine Wand als Fensterfront oder ein kleiner Balkon, alles sei möglich. „Und der einfache Transport ermöglicht Bauten in unzugänglichen Gebieten. Die Module lassen sich problemlos mit einem Hubschrauber transportieren“, sagt Salinger.

Die Anforderungen an eine moderne Lebensweise begünstigen diese Form des Bauens. Heute wird das Modulhaus als flexible Wohnform der Zukunft gehandelt – zugeschnitten auf die junge urbane Generation der Berufsnomaden, die zentral wohnen möchte, sich nicht binden und kein Vermögen für ein Grundstück ausgeben können.