In Workshops können Laien erproben, wie sich mit Kontrasttönen interessante Akzente setzen lassen. Dort lernt man auch, wie die Profis vorgehen.

Schon beim ersten Blick auf die Farbkarte wird es deutlich: Die Auswahl ist nicht einfach – allein die Bezeichnungen der Weißtöne eines einzigen Herstellers verraten die ungeheure Vielfalt. So erkennt der Laie zwar feine Unterschiede zwischen den Tönen White, Island White, Mineral White und Edelweiß, aber welcher davon wirkt am besten in der eigenen Wohnung? Eine Frage, die sich erst recht stellt, wenn man Lust auf eine knallige, poppige Farbe hat.

Der Hamburger Inneneinrichter Peter Nolden bietet in seinem Geschäft an der Isestraße (www.peter-interior-farben.de) eine praktische Lösung an: Zu jeder der bei ihm erhältlichen 96 Farben mit so klangvollen Namen wie High Society oder Boudoir gibt es einen kleinen Farbtopf, ausreichend für etwa eine DIN-A3-Fläche. „Mit einer gestrichenen Pappe kann man dann den Farbton an mehreren Stellen des Raumes testen. Zum Beispiel dort, wo viel Sonne hinkommt oder in einer Ecke, in der nur eine Lampe für Helligkeit sorgt. Am besten ist es natürlich, die Farbe auf der echten Putzfläche zu testen, aber dann zeigt sie ihre Wirkung nur an dieser speziellen Stelle“, sagt der Fachmann.

Vorlieben für einen Farbtrend verlaufen in Zyklen, wie Forscher der Hildesheimer Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst herausgefunden haben. In der Innenarchitektur ändern sich die Farbvorstellungen etwa alle fünf bis acht Jahre. Ebenso beobachten Trendforscher, dass sich auch das Weltgeschehen in Farben widerspiegelt: Nach dem Anschlag auf das World Trade Center zum Beispiel hat sich in den USA die Palette der nachgefragten Farben für kurze Zeit verdüstert.

Katrin Täubig von Healing Home Design bietet in Hamburg Workshops zum Thema Farbe an. Als Einrichtungs-Coach empfiehlt sie eine kleine Sammlung der verwendeten Materialien anzulegen, in Branchenkreisen spricht man auch von einem Moodboard. Dabei werden alle Materialien des Raumes, seies Holz vom Boden, Stein vom Kaminsims, ein kleines Stück Teppich oder Stoffe von Sitzmöbeln und Gardinen sowie ein Muster der Wandfarbe auf ein größeres Stück Karton gelegt oder geklebt. Wer es noch genauer machen möchte, kann dabei sogar den Flächenanteil im Raum berücksichtigen. Dazu wird ein größeres Holzstück für die große Fläche des Dielenbodens genommen, während ein kleines Stück Glas stellvertretend für eine Glasvitrine steht.

„Alle Materialien im Raum haben ihre eigene Wirkung, deshalb sind Moodboards eine große Hilfe und können vor allem jederzeit bei weiteren Entscheidungen herangezogen werden, sei es zum Beispiel für eine neue Fensterdekoration einige Jahre später“, sagt Katrin Täubig. Auch könne man damit einem Fachmann verdeutlichen, welche Farben, Materialien und Strukturen bereits im Raum vorhanden sind.

Grundsätzlich lassen helle Farben Räume größer wirken. Das gilt nicht nur für den Farbton Weiß, sondern auch für Hellblau oder leicht grünliche Töne. „Doch auch dunkel gestrichene Wände können einem Raum Weite geben und ihn großzügiger erscheinen lassen“, sagt Amandus Mayer, Geschäftsführer des Farbenfachgeschäftes A. Wilh. Mayer & Sohn mit Showroom in Stellingen. Zudem würden dunkler gestrichene Wände die Schattenwirkung im Raum minimieren und die Atmosphäre verstärken. Auch die derzeit gefragten Schlammtöne harmonieren gut mit den Farben vieler Bezugsstoffe und den Dekotextilien für Fenster. Sie bilden einen neutralen Hintergrund, insbesondere bei knalligen Farben – sei es, wenn der Sessel in türkis gehalten ist oder für eine bunte Kissenparade auf dem Sofa.

Bei der Farbwirkung sollte nicht nur das Tageslicht bedacht werden, auch Kunstlicht hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wirkung einer Wandfarbe, besonders wenn die Lichtquelle von einem Lampenschirm umgeben ist. So kann eine weiße Wand zum Beispiel im Bereich einer Stehleuchte mit einem roten, durchsichtigen Schirm leicht rötlich wirken. Auch Räume ohne Fenster wie zum Beispiel ein Flur können in einem dunkleren Ton gestrichen werden, da hier ohnehin meist elektrisches Licht verwendet wird. Generell sorgen Pastellfarben für eine sanftere Raumatmosphäre, während bunte Töne eher anregen und dunkle Farben für Geborgenheit sorgen. „Viele haben Angst vor Farben“, stellt Katrin Täubig immer wieder fest.

Ilonka Pallokat, Teilnehmerin eines Farben-Workshops, hat ihre Räume beispielsweise lieber Ton in Ton gestaltet und mit farbigen Accessoires Eyecatcher gesetzt. Katrin Täubig ermuntert ihre Kunden durchaus, mehr Mut zur Farbe zu zeigen: „Notfalls streicht man halt wieder um.“ Eine andere Kursteilnehmerin entdeckte das Grün für sich und gab ihrem Arbeitsraum im Keller damit eine völlig neue Note. „Ursprünglich wollte ich Anthrazit streichen lassen“, sagte Simone Weisgerber, „in Grün wirkt der Raum jedoch viel freundlicher und frischer.“ Wer zugleich das Raumklima im Auge behalten möchte, kann auf Farben und Putze auf mineralischer und pflanzlicher Basis zurückgreifen. Im Gegensatz zu marktgängigen Produkten enthalten diese keinen Kunststoff und bilden so eine atmungsaktive Farbschicht. „Wir reden bei atmungsaktiven Farben von ,Feinen Erden‘“, sagt Amandus Mayer. Gemeint seien Produkte auf Lehm-, Kalk- oder Caseinbasis. Besonders bei Räumen mit Schimmelproblematik sei Kalkfarbe angebracht, da sie auf natürliche Weise antibakteriell wirkt und so die Sporen- und Schimmelbildung unterdrückt. Lehm- oder Kalkfarben können zudem auch Gerüche aufnehmen. „Das ist besonders praktisch bei einer offenen Küche und ein Segen für Allergiker und Asthmatiker“, sagt Mayer. Farblich muss man bei Farben der Feinen Erde keine Abstriche machen, stehen doch bei den Lehmfarben etwa 150 Töne zur Auswahl und bei den Kalkfarben um die 70 Farbtöne.

Eine weitere Option zur farblichen Gestaltung eines Raumes bietet die Tapete. „Hier ist darauf zu achten, dass das Dekor nicht den Raum dominiert, sondern den Stil des Raumes und der Einrichtung ergänzt“, sagt Nadine Weber, Shopleiterin vom Showroom Tapetenwechsel. Ganz wichtig sei es dabei, den Rapport zu erfragen, denn manche Muster seien sogar breiter als eine Tapetenbahn. Besonders praktisch sei die Verwendung von Vliestapeten, so Weber, denn hier wird nur die Wand eingekleistert, und die trockene Tapete kann sauber im Kleisterbett auf Stoß ausgerichtet werden – und ganz einfach auch nach Jahren in einem Stück wieder abgezogen werden, wenn der Raum neu gestaltet werden soll.

Einen Moodboard Workshop bietet Katrin Täubig am 22. Juni von 11 bis 15 Uhr an, die Teilnahmegebühr beträgt 99 Euro. www.healinghomedesign.de