Aktuelle Entwürfe inszenieren den Anschein des einfachen Lebens durch Verwendung von viel recyceltem Holz

Über alle Trends hinweg lässt sich ein besonderer Wandel in der Wohnung verfolgen: Die Küche wird immer mehr zum Lebens- statt Arbeitsraum. Zwar sind zeitgemäße Modelle smart und vernetzt – Abzugshauben lassen sich in der Arbeitsplatte versenken, es gibt Kälteschubladen und fast schon grafisch gestaltete Gaskochfelder –, doch immer mehr Hersteller erkennen den Mehrwert von guter Gestaltung.

„Ich glaube, dass die Küche der Zukunft sehr viel weniger technologiegesteuert sein wird, als viele Firmen das heute annehmen“, sagt Trendforscherin Oona Strathern aus Wien. „ Ich bin überzeugt, dass die Küche der Zukunft mehr der aus der Vergangenheit ähneln wird: Sie wird chaotischer, geruchsintensiver und definitiv interessanter, um darin zu kochen.“

Die Branche interpretiert diese Kundenwünsche und Zukunftseinschätzungen bereits mit Designs, die den Anschein eines einfachen Lebens wiedergeben sollen. Auf der Küchenschau Eurocucina der Mailänder Möbelmesse Salone Internazionale del Mobile Mitte April setzten Hersteller daher nicht nur, aber auch auf natürliche Materialien. Die Marke Team 7 stellte zum Beispiel die Küche „Loft“ vor, eine Art moderne Landhausküche mit von Hand sortierten Holzfronten, zum Beispiel aus Wildeiche oder Wildnuss. Der Hersteller Lago präsentiert das Modell 36e8, das Fronten aus alter Eiche mit einer Arbeitsplatte aus Stahl verbindet. Auch ökologische Aspekte werden bei den neuen Designs bedacht: Statt Bäume zu fällen, werden alte Hölzer wiederverwertet. Upcycling statt Recycling nennt sich das. „Es geht nicht um einen Öko-Style, sondern darum, eine Art von Shabby-Chic-Couture in die Küche zu bringen“, sagt die Trendforscherin Strathern. Die Möbel sollen ein wenig danach aussehen, als wären sie schon lange in Gebrauch. „Ein Beispiel dafür ist die „Duemilaotto“-Küche von Piero Lissoni für Boffi, die auf eine wunderbare Art und Weise raues Holz, die Überbleibsel einer alten Berghütte, als Tisch in eine elegant-glatte Design-Küche integriert.“

Den Trend zum Retrolook greifen auch andere Hersteller auf, zum Beispiel das italienische Unternehmen Valcucine. Die Küche SineTempore soll traditionelle Werte vermitteln durch Verwendung von Techniken wie Brandmalereien, Intarsien, Schnitzarbeiten und Mosaike für die Holzoberflächen. Bekannt für seine interessanten Designprojekte in Sachen Küche ist Schiffini. Der skulpturale Küchenblock Drawer Kitchen der deutschen Designerin Gitta Gschwendtner sieht aus, als seien unterschiedlich große Holzboxen ganz beliebig aufeinandergestapelt worden. „Die Drawer Kitchen ist eine funktionelle Kücheninsel, die ein sehr skulpturales, abstraktes und dekonstruktivistisches Aussehen hat – fast wie eine explodierte Speichereinheit“, sagt die Designerin. „Sie schafft eine Verbindung zwischen Lebensmittelzubereitung und dem sozialen Aspekt des Essens, denn sie vereint den Funktionsbereich Küche mit dem Ess- und Wohnzimmer.“

Designer setzen bei Entwürfen auf mehr Flexibilität und Geselligkeit

Genau das ist ein weiterer Trend: Immer öfter fallen die Wände zwischen Küche und Wohnzimmer. Lebenszonen vereinen sich – in einer Zeit, in der viele Menschen sich mit Snacks und Fast Food begnügen und oft nur noch am Wochenende gekocht wird. Für diese Zielgruppe gibt es Küchenmodelle, bei denen edle Materialien wie Leder, Polster und glänzende Oberflächen Verwendung finden. Bulthaup hat aktuell die Modulküche EG2A im Programm, die auf Flexibilität und Miteinander in der Küche setzt. Das sogenannte Vorbereitungselement mit Holzauflage in Eiche und Nussbaum schafft zusätzliche Arbeitsfläche. Das Regal fasst daneben individuell gestaltbare Laden aus einem Rost, Schneidbrett, Einlege- und Ausziehtablar. Das Präsentationselement mit Einlegetablaren aus Aluminium wirkt wie ein modernes Regal für den Wohnraum – und lässt die Grenze zwischen Küche und Wohnzimmer verschwinden.

„Niemand möchte mehr allein in der Küche stehen und das Essen vorbereiten, beim Kochen soll es heute auch gesellig zugehen“, sagt Designer und Innenarchitekt Peter Fehrentz aus Hamburg diese neuen fließenden Raumübergänge. „Da passt es nicht, wenn noch die eher kompakten, herkömmlichen Kücheneinrichtungen zum Einsatz kommen. Die wirken, wenn alles aus einem Guss ist, einfach nicht besonders wohnlich.“ In einem Wohnraum sei es ja auch so, dass unterschiedliche Möbel kombiniert werden. „Man will nicht mehr in einem Funktionsraum sitzen.“