Im Woodcube in Wilhelmsburg kam keine Bauchemie zum Einsatz, und die Energiebilanz kann sich auch sehen lassen

Hell, geräumig, natürlich, gesund und klimaschonend – fünf Attribute beschreiben das Wohnen im Woodcube, einem vierstöckigen Massivholzbau auf dem ehemaligen IBA-Gelände in Wilhelmsburg. Das Gebäude zeigt, was möglich wird, wenn Tradition und Moderne zusammenkommen. „Anfänglich hatten wir Angst, dass wir einen finnischen Saunalook erhalten, doch so ist es nicht“, sagt Andreas Gagneur, der mit Partnerin und Nachwuchs in das Gebäude gezogen ist. „Mittlerweile macht es meinem dreieinhalbjährigen Sohn und mir viel Spaß, an die Decke zu schauen und Gesichter im Holz zu suchen.“

Ein modernes BUS-System sorgt für technische Finessen

Insgesamt acht Wohnungen sind in dem hölzernen Würfel untergebracht. Ganz oben leben auch Bauherr Mathias Korff, Geschäftsführer der DeepGreen Development GmbH, und seine Frau Sylvia. Statt über die Betontreppe geht es per Fahrstuhl mit Bremsenergierückgewinnung in die Wohnung. „60 Prozent des Stroms lassen sich darüber einsparen“, sagt Korff. Ein hochmodernes BUS-System sorgt für weitere technische Finessen. „Verlassen wir unsere Wohnung, schalten sich automatisch alle Stand-by-Geräte aus. Übers iPhone kann ich zudem den Stromverbrauch an jeder Steckdose messen. Ich weiß jetzt endlich, was die Kosten in die Höhe treibt, nämlich meine stromzehrende Espressomaschine“, sagt Korff lachend.

Doch auf Hightech kommt es dem Bauherrn eigentlich gar nicht an. Es weist das Projekt nur zusätzlich aus. Ihm ging es eher darum, in einer Wohnumgebung ohne Schadstoffe zu leben, denn Korff ist Allergiker: „Ein Gebäude aus Holz, komplett ohne Bauchemie, das auch noch funktioniert, wenn der Strom mal ausfällt.“ Vorbilder gebe es genug. In Norwegen und Japan zum Beispiel stünden mehr als 1000 Jahre alte Massivholzbauten und trotzten extremen Witterungsbedingungen. „Wir haben uns des alten Wissens angenommen und das Holz – deutsche Lärche aus Höhenlagen – im Winter in der saftruhenden Phase schlagen lassen. In dieser Zeit ist wenig Feuchtigkeit in den Bäumen. Dann bleibt das Holz liegen, bis es nochmals ausgeschlagen hat. Auf diese Weise zieht Restfeuchte heraus, die Enzymstruktur ändert sich, und der Nährstoffanteil wird geringer. Das Holz wird damit uninteressant für Insekten“, erklärt Korff. Außer Holzschutzmitteln bewerteten Korff und seine Frau auch Leim und andere Kleber als problematisch. Sie entschieden sich deshalb für einen Wandaufbau, der darauf vollständig verzichtet. Korff überschlägt: „In einem Kubikmeter Leimholz werden 25 Kilogramm Leim verarbeitet. Hätten wir darauf gesetzt, wären bei 500 Kubikmeter Holz, die im Woodcube verbaut sind, rund 12,5 Tonnen Leim enthalten gewesen.“ Gesund könne das nicht sein. Leimholz und OSB-Platten dürften schließlich nicht einmal im Kamin verbrannt werden, sondern müssten auf den Sondermüll, betont Korff. Die Wände im Woodcube bestehen daher aus Brettbohlen. Zur Aussteifung dienen Brettlagen, die horizontal, vertikal und diagonal aufeinandergeschichtet sind. Verbunden werden die insgesamt 30 Zentimeter dicken Wandschichten mit Buchenholzdübeln, die mit Quark, Soda und Kalk besprüht werden und in den Bohrlöchern aufquellen. „Durch industrielle Herstellung konnten alle Wände und Decken in sieben Tagen produziert werden. Aufgebaut wurde das Gebäude von nur drei Leuten“, sagt der Bauunternehmer.

Neben dem Gesundheitsaspekt stimmt im Woodcube auch die Energiebilanz, denn Holz ist ein optimaler Isolator. Der Passivhausstandard lässt sich damit problemlos erfüllen. Das Gebäude ist völlig CO2-neutral. „Gerade die Herstellung von Baumaterialien und Technik verbraucht viel Energie“, sagt Mathias Korff. „Wir haben vorher über den gesamten Lebenszyklus eine Öko-Bilanz aufstellen lassen, die jede Fensterscheibe, jede Kloschüssel und jedes Stück Beton berücksichtigt. Auch Fahrstrecken und Bearbeitung. Hätten wir den Woodcube als konventionelles Gebäude gebaut, dann wären allein in Herstellungsprozessen 8500 Tonnen CO2 angefallen. Als Passivhaus ausgeführt, wären es sogar 12.800 Tonnen gewesen.“ Auch Müll wurde vermieden. „Auf der Woodcube-Baustelle mussten alle Verpackungen mit zurückgenommen und wiederverwertet werden.“

Im Haus riecht es gut, man schläft und erholt sich besser

Am Ende hat sich der Aufwand gelohnt: „Dieses Gebäude hat einen guten Schallschutz, ein gutes Klima, und es sieht cool aus.“ Ehepaar Korff ist mehr als zufrieden. Dem schließt sich Andreas Gagneur an: „Ein dreiviertel Jahr nach dem Einzug können wir sagen: Das System Holz hat sich bewährt. Im Haus riecht es gut, man atmet richtig auf, wenn man hineinkommt, schläft tiefer und hat eine bessere Erholungsphase.“

Auch architektonisch bietet der Woodcube seinen Bewohnern dank Holzkonstruktion einiges, denn die Balkons kragen ohne Stützen und Abhängung frei aus. „Passivhäuser dürfen keine Wärmebrücken haben, daher haben viele keine Balkons. Bei Holz gibt es wegen der schlechten Wärmeleitfähigkeit keine Wärmebrücken. Bautechnisch ist das ein großer Schritt“, sagt Korff.

Die statischen Eigenschaften von Holz zahlen sich auch im Inneren aus: Essbereich, Wohnen und Arbeiten gehen ineinander über. Trotzdem verliert man sich nicht im Raum, denn das sichtbare Holz an Wänden, Decken und Boden vermittelt Geborgenheit. Auf dem Boden im Erdgeschoss liegen Eichendielen. Selbst nach 30.000 Besuchern während der IBA sehen sie immer noch gut aus. „Ab und an haben wir mal gefegt, das war alles“, erinnert sich Sylvia Korff. Alles sei auf maximale Haltbarkeit ausgelegt. Man werde in 30Jahren den Unterschied sehen. Spätestens dann hätten sich die um 15 Prozent höheren Baukosten amortisiert.

Natur und Gesundheit profitieren allerdings von diesem Bau sofort: Der Nachbar der Korffs, Allergiker und Asthmatiker, konnte bereits nach wenigen Wochen im neuen Zuhause auf seinen Inhalator verzichten, wie sie stolz berichten.

„Wir haben mit dem Wohnungskauf eine Lebensentscheidung getroffen. Die Wohnung ist für uns kein Anlageobjekt, sondern ein Traum. Auch das Umfeld ist super. Es gibt hier einen Park und eine Schwimmhalle vor der Tür“, sagt Gagneur. „Und wenn man aus dem Fenster guckt, sieht man nicht nur viele nette Nachbarn, sondern blickt auch noch auf andere schöne Häuser“, freut sich der Neu-Wilhelmsburger.