Rücksicht muss sein, auch in einem Mietshaus. Eine Hausordnung regelt das Miteinander, kann selbst aufgestellt werden

Der Bahnhof hat sie, die Bücherei, das Stadion und das Mietshaus ebenso: eine Hausordnung. Neben dem Mietvertrag fristet sie eher ein Schattendasein. Meist wird das Papier erst herausgekramt, wenn es kracht. Dabei soll es eigentlich Streit vorbeugen und das friedliche Miteinander der Bewohner und Nutzer sichern. „Sinn ist es, Regeln zum reibungslosen Zusammenleben, zum Schutz des Gebäudes sowie zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit und Ordnung im Haus aufzustellen“, erklärt Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund (DMB).

Festgelegt werden kann im Grunde genommen alles. Staatsbibliotheken beispielsweise erlauben den Aufenthalt nur zu den regulären Öffnungszeiten, erwarten größtmögliche Ruhe in den Lesesälen und verlangen ausdrücklich, dass niemand gestört wird.

Inhaltlich sind Hausordnungen „so bunt wie das Leben“, sagt Buchautor Oliver Elzer aus Berlin. Vorgaben gebe es nicht, weil Hausbewohner die Dinge im Rahmen des sogenannten Selbstorganisationsrechts untereinander regeln sollten. Der Bedarf scheint grenzenlos. Bezogen auf Wohnimmobilien, ist eine von Elzer zusammengestellte Liste ellenlang. Sie beginnt mit Blumenkübeln, setzt sich fort mit Fußmatten, Rollatoren, Getränkeautomaten und Grillen und hört bei Putzen, Wäschewaschen und Trocknen längst nicht auf. Mieter bekommen die Unterlage in der Regel zusammen mit dem Mietvertrag in die Hand gedrückt. Mit der Unterschrift wird sie Teil des Vertrags. In der Konsequenz hat der Mieter die Regeln einzuhalten.

Zu den Klassikern gehört das wöchentliche oder monatliche Treppenputzen: Macht der Mieter das nicht, darf der Vermieter ihn ermahnen. Bleibt es weiter schmutzig und die Reinigungsfirma rückt an, übernimmt der Mieter die Kosten. Sind in einer Wohnanlage einheitlich rote Blumenkübel vorgesehen, ist auch das verbindlich. Dagegen können die Bewohner getrost Vorschriften ignorieren, die im Juristendeutsch „überraschend“ heißen. Zum Beispiel, schon an der Haustür die Pantoffel anzuziehen. Ein grundsätzliches Verbot, Kinderwagen und Rollatoren im Flur abzustellen, ist unwirksam, wenn ausreichend Platz da ist.

Nachträgliche Änderungen der Hausordnung oder ihre Aufstellung überhaupt sind grundsätzlich erlaubt – solange dem Mieter daraus keine über den Mietvertrag hinausgehenden weiteren Pflichten erwachsen – wie zum Beispiel Schneeschippen. Schließzeiten dürfen ergänzt werden, wenn eingebrochen wurde. Streiten Parteien beispielsweise wegen der Wasch- und Trockenräume, kann ein Nutzungsplan erstellt und aufgenommen werden, der auch ein Sonntagswaschverbot beinhaltet.

Auf die ausgehändigte Hausordnung sollte hingewiesen werden

In beiden Fällen heißt das Argument „Notwendigkeit“, erläutert DMB-Expertin Hartmann. Theoretisch müsste zusätzlich der Mietvertrag geändert werden, was aber äußerst selten vorkommt. Vermieter sollten sicherheitshalber im Vertrag auf die ausgehändigte Hausordnung hinweisen und sich nicht einfach darauf verlassen, ihr Mieter werde schon den Aushang im Treppenhaus beachten.

Formulierungen, die das sichtbare Aufhängen von Wäsche oder Betten auf Balkonen oder Terrassen verbieten, finden kaum Gnade vor den Augen von Juristen. Ähnliches gilt für Vorschriften über bestimmte Duschzeiten, ein generelles Spielverbot für Kinder oder den Zwang zu einheitlichen Werbeverbotsschildern am Briefkasten. Dagegen sind gleich gestaltete Namensschilder zu akzeptieren.

Eine Hausordnung ist allerdings keine Pflicht. Gibt es sie nicht, klären die Nachbarn ihre Dinge in Absprache untereinander. Dabei soll zwar jeder zu seinem Recht kommen, gleichzeitig aber Rücksicht nehmen. „Das Gebot der Rücksichtnahme gilt immer“, sagt Gerold Happ, Geschäftsführer des Eigentümerverbands Haus und Grund Deutschland. Im Streitfall kann sich grundsätzlich niemand auf vermeintlich angestammte Rechte berufen – nach dem Motto: „Hier habe ich aber immer geparkt.“ Das Mietrecht kennt kein Gewohnheitsrecht.

Mitglieder von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) können laut WEG-Gesetz (§ 15) eine Hausordnung für ihre Anlage verlangen. Dazu reicht im Prinzip eine Bitte auf der Eigentümerversammlung. Deren Mitglieder machen sich entweder selbst an die Arbeit oder delegieren an den Verwalter. Über ein von ihm vorgelegtes Dokument muss nicht einmal abgestimmt werden, erläutert Buchautor Elzer. Ansonsten reicht die einfache Mehrheit der WEG-Versammlung. Der dritte Weg führt über den Bauträger, der häufig schon bei Gründung der WEG Vorgaben macht.

Vermietende Eigentümer bringt die Hausordnung gelegentlich in eine Zwickmühle. Denn der Grundsatz „Was dem Vermieter verboten ist, gilt auch für den Mieter“, kollidiert an einigen Stellen mit dem Mietrecht. Bestes Beispiel ist die Hundehaltung. Die kann die WEG verbieten, im Mietrecht ist sie jedoch erlaubt.

Das Beispiel Ruhezeiten zeigt: Die WEG kann sie grundsätzlich festlegen, sie dürfen aber nicht ein völliges Musizierverbot bedeuten. Ein Ausweg laut Happ: Schon im Mietvertrag individuelle Lösungen vereinbaren.