US-Konzern will mit einer Hypothekenausfallversicherung hierzulande jungen Bauherren zur Immobilie verhelfen

Ein Vorort von Frankfurt, ein spartanisch eingerichtetes Büro am Ende eines Flurs. Hier sitzt Tim Rooney, und sein Elan bildet den bestmöglichen Kontrast zur einschläfernden Umgebung. Rooney hat eine Mission. „Mehr als zwei Drittel der Deutschen wollen ein Eigenheim“, sagt er und bezieht sich dabei auf eine Umfrage, die er selbst in Auftrag gegeben hat. „Aber“ – und da wechselt er zu einer Betroffenheitsmiene – „ein großer Teil der Menschen wird diesen Wunsch nie realisieren können.“ Denn jeder Fünfte davon glaubt nicht daran, das notwendige Eigenkapital dafür aufbringen zu können. Rooney will dieses Problem lösen.

Engländer und Amerikaner kaufen, ohne einen Cent angespart zu haben

Der Brite lebt seit sieben Jahren in Deutschland, war viele Jahre bei der Deutschen Bank zuständig für die strategische Ausrichtung und Durchführung des Kreditgeschäfts. Seit Ende 2013 ist er nun Deutschland-Chef von Genworth, einem amerikanischen Finanzdienstleister. Und da kommen seine Betroffenheit ob der unerfüllbaren deutschen Wünsche nach Wohneigentum und der angloamerikanische Geschäftssinn zusammen. Denn Genworth ist angetreten, den Deutschen ihre Wünsche zu erfüllen. „Der Markt tut zu wenig für die jungen Menschen, die zum ersten Mal ein Haus oder eine Wohnung kaufen möchten“, sagt er. Konkret: Die Banken seien zu zurückhaltend. Sie böten zu selten eine Vollfinanzierung an, also ein Darlehen über die komplette Kaufsumme eines Eigenheims. Stattdessen verlangen sie in Deutschland fast immer einen gewissen Anteil an Eigenkapital.

Im Schnitt liegt dieser Eigenanteil beim ersten Eigenheimkauf in Deutschland bei 38 Prozent, wie eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag mehrerer Bausparkassen und des Bundesbauministeriums erst vor einigen Wochen ergab. Wer den zweiten Kauf tätigt, der bringt sogar meist noch mehr eigenes Geld mit. Dann liegt die Eigenkapitalquote im Durchschnitt bei 59 Prozent. Denn die meisten investieren in solchen Fällen den Verkaufserlös einer anderen Immobilie in das neue Heim.

Ganz anders dagegen in Großbritannien und den USA. Dort ist es üblich, dass junge Menschen, kaum dass sie im Berufsleben stehen, sich eine Wohnung kaufen, ohne einen Cent gespart zu haben. Die Bank gibt ihnen stattdessen die komplette Kaufsumme als Darlehen. Und oft sogar noch mehr als das: Das Darlehen deckt häufig sogar auch noch die Nebenkosten, die beim Erwerb fällig werden. So etwas ist in Deutschland praktisch unmöglich, und auch die Vollfinanzierung des Kaufpreises ohne Nebenkosten ist die Ausnahme. „Zwischen Anfang 2013 und heute lag der Anteil an Darlehen mit einer Vollfinanzierung zwischen acht und zehn Prozent“, sagt Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher der Dr. Klein & Co. AG, einem Vermittler von Immobilienfinanzierungen. „Der Anteil geht seit einiger Zeit sogar kontinuierlich zurück“, heißt es beim Konkurrenten Interhyp.

Das liegt auch daran, dass die Finanzinstitute bei solchen Vollfinanzierungen mehr Kapital zurücklegen müssen, und das belastet vor allem kleinere Häuser. Genau hier will nun Genworth aber dem Markt Beine machen. Denn das Unternehmen bietet für solche Vollfinanzierungen sogenannte Hypothekenausfallversicherungen an. Anstatt dass der Kunde also beispielsweise 20 Prozent Eigenkapital mitbringt, kann die Bank oder Sparkasse bei Genworth 20 Prozent des Darlehens gegen einen Ausfall versichern. Sie hat dann die gleichen Sicherheiten wie bei einem Kredit mit entsprechendem Eigenkapitalanteil und kann damit ihre Bilanz entlasten, sprich: Sie hat Geld für weiteres Geschäft frei.

„In den USA ist das schon ein Riesenmarkt“, sagt Rooney. Auch hierzulande sei die Zeit dafür gekommen. Die Bedingungen seien perfekt. „Der deutschen Wirtschaft geht es bestens und der Immobilienmarkt ist im Aufwind.“ Doch: Mehr und höhere Schulden als Rezept, um bisher unerfüllbare Wünsche nach einem Eigenheim zu erfüllen – da regt sich bei den meisten Deutschen Misstrauen. Ist dieses Konzept nicht gerade erst in den USA und Großbritannien krachend zusammengebrochen und hat der Welt eine Finanzkrise ungekannten Ausmaßes beschert?

„Die Finanzkrise wurde nicht durch die Vollfinanzierung von Immobilien ausgelöst“, kontert Rooney den Vorwurf, „die Ursache lag vielmehr darin, dass die Bonitätsanforderungen an die Schuldner immer weiter heruntergeschraubt wurden.“ Kredite gab es auch für Hauskäufer, die kaum oder sogar gar kein Einkommen hatten. Und im Zuge steigender Preise wurden hypothekenbelastete Immobilien immer neu beliehen. Das wolle jedoch niemand. Auch Rooney will die Vollfinanzierung auf Menschen beschränken, die einen festen Arbeitsplatz mit einem guten Einkommen haben und somit beste Sicherheiten bieten.

Diese Menschen können allerdings meist auch recht gut rechnen. Daher stellen sie recht schnell fest, dass eine Vollfinanzierung sehr teuer ist. Denn je geringer das Eigenkapital desto höher die Zinssätze, die die Kreditinstitute verlangen. „Ein höheres Risiko wird detaillierter und vor allem teurer bepreist“, sagt Gawarecki. Mehr noch: „Vollfinanzierungen sind heute sogar teurer als noch vor drei oder fünf Jahren.“ Und daran ändert auch eine Hypothekenausfallversicherung nichts.

Je weniger Eigenkapital, desto höher fallen die Zinssätze der Banken aus

Der Zinsunterschied zwischen einer Finanzierung mit etwa 20 Prozent Eigenkapital und einer Vollfinanzierung variiert natürlich je nach Bank, dürfte nach Berechnungen von Dr. Klein im Mittel aber zwischen 0,40 und 0,50 Prozentpunkten liegen, oft auch noch höher. Dies lässt sich mithilfe der diversen Baufinanzierungsrechner im Internet nachvollziehen, beispielsweise bei der ING Diba: Angenommen, das neue Heim soll 200.000 Euro kosten und der Käufer bringt 20 Prozent Eigenkapital mit, also 40.000 Euro, so wird hier bei zehnjähriger Laufzeit ein Effektivzins von 2,53 Prozent veranschlagt. Die Rate bei drei Prozent Tilgung beträgt dann 734 Euro pro Monat. Soll das gleiche Objekt ohne Eigenkapital finanziert werden, so erhöht sich der Zinssatz auf 3,4 Prozent und die monatliche Rate liegt bei 1059 Euro. Das sind fast 50 Prozent mehr. Daher ist es meist schlicht und ergreifend wesentlich günstiger, zwei oder drei Jahre zu warten und in dieser Zeit etwas Eigenkapital anzusparen, um dann zu deutlich geringeren Zinssätzen das Eigenheim zu finanzieren.