Ein Kabelbrand machte alle Pläne, das Gebäude zu sanieren, zunichte. Die Eigentümerin fasste den Entschluss, das Haus komplett neu aufzubauen

Steht man vor dem reetgedeckten Haus mit den grünen Fensterläden, ahnt man nicht, dass es sich um einen Neubau handelt – stark angelehnt an eine alte Kate, die vorher auf dem Grundstück gestanden hatte und im Jahr 1840 erbaut worden war. Eigentlich sollte die alte Kate behutsam, Stein für Stein, restauriert werden. Doch ein Brand machte seinerzeit alle Pläne zunichte, das Haus zu sanieren. „Bis auf die Grundmauern wurde alles vernichtet“, sagt Eigentümerin Sybille F.

Ein in das Fachwerk des neuen Hauses eingearbeiteter Holzbalken mit der Aufschrift „Afbrennt un wedder opboot 2009“ an der Vorderfront erinnert an dieses Ereignis. Wie sich später herausstellte, hatte ein Kabelbrand das Feuer ausgelöst.

Menschen kamen damals nicht zu Schaden. Über den Haufen geworfen waren damit aber auf einen Schlag alle bis dahin mit dem Denkmalschutz sorgsam erarbeiteten Pläne, das Haus zu sanieren. „Wir mussten von heute auf morgen umdenken“, erinnert sich Sybille F., die das Haus trotz seines miserablen Zustandes – „es ähnelte einer Ruine“ – gut ein Jahr zuvor gekauft hatte. Außenstehende könnten meinen, der Brand sei der neuen Hausherrin damals gerade recht gekommen. Doch die 40-Jährige weist solche Vermutungen energisch zurück. „Ich hatte mich in das alte Haus verliebt. Auch, weil ich einen Großteil meiner Kindheit in einem alten, reetgedeckten Haus verbracht habe.“ Ihr Anliegen sei es gewesen, der alten Kate wieder zu neuem Glanz zu verhelfen.

Pläne wurden geschmiedet, Verträge vergeben – dann kam der Brand

Zusammen mit dem Architekten Bernd Lietzke, einem erfahrenen Sanierer, machte sie sich damals an die Arbeit. „Wir spürten schnell, dass wir ähnliche Vorstellungen hatten“, erinnert sich Lietzke. Kontakt zum Denkmalschutz wurde aufgenommen, Pläne geschmiedet, erste Aufträge vergeben – dann kam der Brand. „Ich habe sechs Monate gebraucht, um mich mit dem Gedanken anzufreunden, die Kate völlig neu aufzubauen“, erinnert sich die Hausherrin. Zuerst habe sie nur der Gedanke beherrscht: Die ganze Mühe, der gesamte Erkenntnisprozess umsonst. Dann reifte der Wunsch heran: Ich baue das Haus wieder auf!

„Kurioserweise war es gar nicht leicht, eine Baugenehmigung zu erlangen. Plötzlich stand die Frage im Raum, ob auf dem Gelände nicht auch etwas anderes entstehen könnte“, erinnert sich die Juristin. Doch Geduld und Überzeugungsarbeit machten sich bezahlt. Eine neue Reetdachkate durfte gebaut werden. „Wir haben uns exakt an die früheren Außenmaße gehalten, den Bau nur ein wenig nach hinten, weg von der Straße versetzt“, sagt Lietzke. Und hinsichtlich der Decke sei die Chance genutzt worden, mehr Höhe einzuplanen. „Man muss ja nicht unbedingt im Neubau den Kopf einziehen“, sagt der Architekt.

Um das Haus von seiner Anmutung her so aussehen zu lassen, als ob die alte Kate saniert worden wäre, wurde ein Bauträger gesucht, der Erfahrung mit der Errichtung von Fachwerkhäusern hat. Schnell fiel die Wahl auf die Firma Emil von Elling. Zugleich fasste Sybille F. den Entschluss, angesichts der „erheblichen Mehrkosten“ für historische Baumaterialien, auf neue Baustoffe zu setzen. Gleichwohl wurde bei der Ausführung der Arbeiten auf gute alte Handwerkstradition gesetzt. Bei der sichtbaren Balkenkonstruktion im Haus wurde beispielsweise darauf geachtet, dass das verwendete Eichenholz wie alt anmutet. „Die tiefen Risse in den Balken bedeuten aber nicht, dass sie in irgendeiner Weise nicht ausreichend stabil sind“, sagt Lietzke beruhigend.

Da die Bauherrin auch sonst viel Wert auf Holzarbeiten legte, wurde die schöne, langgestreckte Arbeitsplatte in der Küche, wie vieles andere im Haus auch, aus Eichenholz angefertigt. „Die Planungen für die Küche habe ich komplett in die Hände einer Firma gelegt, die aus Bayern stammt und die ich über das Internet ausfindig gemacht hatte“, sagt die Hausherrin. Um ganz sicher zu gehen, sei sie damals über das Wochenende runtergefahren, um mehr über die Firma zu erfahren. „Ich war begeistert von den vielen, frischen Ideen dort.“

Hell und modern wirkt das Haus auch in allen anderen Räumen. Hier wird das Talent von Bernd Lietzke als Innenarchitekt sichtbar. So entwarf er die Treppe, die ins Obergeschoss führt. Sie ist aus Messing, Eichenholz und Glas gefertigt und wirkt wie eine Skulptur im Raum. Hausherrin Sybille F. freut sich jeden Tag an der sanften, geschwungenen Form. Modern sind auch die Bäder gestaltet. Das Gäste-WC im Erdgeschoss überrascht mit einer in der Seitenwand integrierten Lichtkonstruktion, die auf Wunsch in unterschiedlichen Farben leuchtet. Im Dachgeschoss, wo die Hausherrin unter hellem Gebälk in einem loftartigen Raum schläft, ist das Bad wiederum mit dunklen, quaderartigen Fliesen ausgelegt. „Die habe ich bei einem Baustoffhändler hier oben im Norden entdeckt. Sie stammen aus einer Villa aus Süditalien und geben dem Bad exakt die rustikale Note, die ich haben wollte.“

Um die Anmutung eines alten Hauses perfekt zu machen, hat Lietzke im Dachgeschoss ein Fenster knapp unter dem Reetdach einbauen lassen. Nicht nur sorgt es für weiteren Lichteinfall in den Schlafbereich der Hausherrin, von außen hat es den Anschein, es handle sich um einen jener Auslässe in der Wand, wie sie seinerzeit üblich waren, um Heu oder Stroh ins Haus einzufahren. „Da wir schon dabei sind: Auch bei der Haustür habe ich darauf geachtet, dass sie alt anmutet. Die Griffe aus Messing stammen noch vom alten Haus. Die konnte das Feuer nicht zerstören“, ergänzt die Hausherrin. Die Menschen in der Umgebung danken den Aufwand, den sich Sybille F. und Bernd Lietzke mit der Replik der alten Kate gemacht haben. „Es kommt immer mal wieder vor, dass Menschen an meiner Tür stehen mit Alben oder Fotos, die das alte Reetdachhaus vor dem Brand zeigen.“