Der Hamburger Innenarchitekt Jan Wichers und seine Frau zogen von der Alstervilla auf die Etage, die sie sich passgenau ausbauten

Die schneeweiße alte Villa an der Hamburger Außenalster: feinste Adresse, perfekt restauriert. 400 Quadratmeter auf zwei Stockwerken mit acht Zimmern, die sich um eine offene Wohnhalle im Zentrum gruppieren – so viel Großzügigkeit macht gelassen. Aber auch Arbeit. „Brauchen wir das eigentlich noch?“, fragten sich Jan Wichers und seine Frau Cristiana. Fast 30 Jahre haben der renommierte Inneneinrichter und die gebürtige Italienerin, eine Kunstberaterin, in der Villa gelebt, doch jetzt, da die beiden Kinder erwachsen und ausgezogen sind, blieben einige Zimmer ungenutzt. Wozu also noch dieses riesige Haus, der ganze Aufwand?

Die Wichers wollten sich verkleinern, aber nicht verschlechtern. Sie suchten nach einer Alternative, in der sie auch in zehn oder 20 Jahren noch mit Komfort und Stil würden leben können. Doch die Suche gestaltete sich schwieriger als vermutet. Denn es galt, einen neuen Rahmen zu finden für die Atmosphäre aus Perfektion und Persönlichkeit, die sich im alten Zuhause im Spannungsverhältnis aus den Gründerzeiträumen und dem Mix aus neuer Kunst, modernen Möbeln und alten persischen Teppichen entfaltet hatte.

Die Lösung bot schließlich ein Neubau, auf den Jan Wichers zufällig in der Nähe stieß. Dort entstanden moderne Stadtvillen mit Eigentumswohnungen, deren Architektur aus klaren geometrischen Elementen und großflächigen, quer gerasterten Fenstern sich bewusst absetzte vom Neoklassizismus vergleichbarer Investorenprojekte. „Begeistert waren wir vor allem von der Fülle des Lichts“, sagt Jan Wichers. Er konnte sie an den bodentiefen Fenstern und den 3,20 Meter hohen Decken erahnen, die der Entwurf versprach. „Wir hatten eine Wohnung gekauft, noch bevor mit dem Bau des Hauses begonnen worden war.“

Eigentlich sind es sogar zwei separate Apartments auf übereinanderliegenden Etagen. Das obere hat 80 Quadratmeter, dient als Büro und Atelier für Cristiana Wichers und bietet Platz für Gäste. Darunter wohnt das Ehepaar auf 145 Quadratmetern. Erschlossen werden die beiden Bereiche über das Treppenhaus mit Lift, sodass sich später das Treppensteigen erübrigt. Weil er sich so früh zum Kauf entschieden hatte, konnte Jan Wichers viel Einfluss auf den Grundriss seiner Wohnung nehmen: Um ein quadratisches Entree legte er Küche und Esszimmer, Wohn- und zwei Schlafräume nebst Ankleide – und dazwischen ein Bad. Die Räume gehen, nur durch Schiebetüren getrennt, ineinander über: „Das ist zeitgemäß und viel kommunikativer.“

Geplant wurde der Wohnsitz „für ein Leben mit Freunden“, wie die Wichers sagen. Das fängt mit großzügigem Stauraum für Mäntel und Jacken im Flur an, die sich hinter lederbezogenen Einbautüren verstecken. Ein, zwei Schritte – und schon stehen Gast und Gastgeber im Esszimmer, einem zentralen Ort der Wohnung. Nicht so groß wie in der Villa, dafür behaglicher und mit direktem Zugang zum großzügigen Balkon. Den runden Tisch hat Jan Wichers wie fast alle Möbel selbst entworfen. Die Rückwand der offenen Küche füllen maßgebaute Schränke mit viel Stauraum, ihre Fronten aus Nussbaumholz haben ein einheitliches Furnierbild.

Es ist der gezielte Einsatz solcher warmen Materialien, der, zusammen mit ausgewählten leuchtenden Farben und der Präzision der Verarbeitung, den loftartigen Räumen wohnliche Eleganz verleiht. Bei Jan Wichers, dem Profi und Detailexperten, sieht das ganz leicht und selbstverständlich aus. So führen alte Kelims und Gabbehs, die seine Frau und er seit Jahren sammeln, wie Hinweisschilder durch die Wohnbereiche. Es sind Nomadenteppiche, Stammesarbeiten aus Persien zumeist, die auf dem durchgehend in den Räumen verlegten Fischgrätparkett zu sehen sind; viele der Bodenbeläge sind 50, sogar 60 Jahre alt und tragen Muster und Farben, die Jan Wichers an Art brut, Kandinsky oder Klee erinnern: „Die kühnen Abstraktionen und die fast unbegrenzte schöpferische Freiheit machen mich sprachlos.“

Gekonnt nutzt das Paar Farben, um Kontraste in Räumen zu setzen

Die alten Teppiche harmonieren erstaunlich gut mit den modernen Mustern der Stoffe, die Jan Wichers für Bezüge und Vorhänge wählte – vielleicht gerade wegen der Kontraste, die sich daraus ergeben. Es sind alles Textilien des Mailänder Stoffverlags Dedar. „Ich bin dieser Firma immer treu geblieben, wenn ich Stoffe für unsere Einrichtung ausgesucht habe“, sagt der Hausherr. „Die Sicherheit im Hinblick auf Farben, Qualität und die ausgefallenen Dessins begeistern mich immer wieder.“

Die Hand des Interior-Profis wird vor allem im kleinen Arbeitsbereich deutlich: Die klaren Farben des Kelims am Boden (diverse Blau- und Rot-Töne), das grafische Vorhangmuster und die klaren Kanten des Tisches sowie der gekurvte Cello-Stuhl nehmen harmonisch Bezug aufeinander. Cristiana Wichers Gespür in Einrichtungsdingen wird wiederum im Schlafzimmer sichtbar, wo sie zahlreiche Bilder dicht an dicht um das Doppelbett gehängt hat. Das Dunkelblau an der Wand lässt die Farben auf Bildern, Kissen und dem Teppich leuchten, während raumhohe Schranktüren in heller Furnieroptik ebenso wie die beigen Vorhänge für Ruhe im Raum sorgen.

Von vielen Dingen hatte sich das Paar bei dem Umzug trennen müssen, von manchem – wie der Sammlung exotischer Möbel – fiel der Abschied schwer. Aber dass der über und über mit Plastikspielzeug beklebte, lebensgroße „Sitzende Mann“, eine Skulptur des amerikanischen Künstlers Leo Sewell, mit umziehen würde, stand von Anfang an fest. Das Ehepaar hängt an dem Kerl. Er wurde am Tisch im Atelier platziert – und sorgt dort für „good vibrations“. „Manchmal sitze ich hier mit Geschäftspartnern, und bislang hat es immer geklappt“, sagt Jan Wichers und lächelt. „Wenn sie gehen, ist der Auftrag für ein neues Projekt beschlossen.“

Dieser Hamburg-Beitrag ist der aktuellen Ausgabe „Architektur & Wohnen“ entnommen (8,50 Euro)