Bei Erbauseinandersetzungen kommt es oft zu Zwangsversteigerungen. Manche Objekte gehen unter Marktwert weg

Zwei Erben, zwei Vorstellungen. Was die Mutter Tochter und Sohn hinterließ, waren ein Sparbetrag und ihr Bungalow. Damit war die Lunte für den Streit gelegt. Der Sohn wollte das Haus verkaufen, um das Erbe zu Geld zu machen. Die Tochter wollte es unbedingt behalten, hatte aber nicht genug Geld, um ihren Bruder auszuzahlen. Einen Kredit wollte sie nicht aufnehmen. Er war nicht bereit, sich auf Abschlagszahlungen einzulassen. Am Ende kam das Haus unter den Hammer – zur Freude des neuen Eigentümers, der es 20 Prozent unter Marktwert ersteigerte.

Die Zahl der Zwangsversteigerungen ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 22,7 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 1998 gesunken. „Nur noch 47.617 Versteigerungstermine wurden 2013 von Amtsgerichten anberaumt – rund 14.000 weniger als noch 2012“, sagt Axel Mohr, Geschäftsführer des Argetra Verlags, der monatlich alle Zwangsversteigerungstermine der mehr als 500 Amtsgerichte veröffentlicht und auswertet. Dass in diesem Jahr die Zahl erneut zurückgeht, glauben Experten nicht. „Durch die steigende Beschäftigung geraten weniger Eigentümer als in den vorangegangenen Krisenjahren in Zahlungsschwierigkeiten“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. „Dafür ist aber die Zahl der Teilungsversteigerungen gleich geblieben und dürfte langfristig weiter anziehen“, sagt Mohr. Zu einer Teilungsversteigerung kommt es immer dann, wenn mehrere Besitzer einer Immobilie sich nicht über deren Verwendung einig sind.

So wie eine Bank eine Zwangsverwertung beantragen kann, wenn der Schuldner seine Hypothek nicht bedient, kann jeder Teileigentümer an einer Immobilie eine Teilungsversteigerung veranlassen, wenn er seinen Anteil am Gebäude zu Geld machen will und die Mitbesitzer ihn nicht auszahlen können oder wollen. Da die Zahl der Erbfälle durch die Überalterung der Gesellschaft in den kommenden Jahren steigen wird, werde es auch vermehrt zu Streitigkeiten in Erbengemeinschaften kommen. „Wir werden deshalb langfristig mehr Teilungsversteigerungen sehen“, sagt Vornholz.

Da ein Erbe gegen den Willen der anderen jederzeit eine Teilungsversteigerung durchsetzen kann, wäre es „am sinnvollsten, in diesem Fall die Immobilie gemeinsam zu verkaufen“, sagt Peter-Georg Wagner, Researcher bei der Maklervereinigung Immobilienverband Deutschland (IVD). „Dadurch würde ein deutlich höherer Veräußerungserlös erzielt werden als bei einer Zwangsverwertung.“ Doch häufig verhindern über die Jahre aufgestaute Ressentiments unter den Hinterbliebenen sinnvolles Handeln. Gleiches gelte für Ehescheidungen, sagt Vornholz. „Manchmal ist einer bereit, sich selbst zu schädigen, nur um dem anderen einen Schaden zufügen zu können.“

Auch ohne Bieter müssen Antragsteller die Kosten übernehmen

Bei einer Teilungsversteigerung fallen beim Amtsgericht die gleichen Gebühren wie bei einer von der Bank betriebenen Zwangsverwertung an. „Die Gesamtkosten können nur grob geschätzt werden, da sie vom Verkehrswert der Immobilie abhängen“, sagt ein Sprecher des Amtsgerichts Karlsruhe. Bei einem Verkehrswert von 250.000 Euro müsse mit Gerichtskosten von rund 6000 Euro gerechnet werden. Das sind rund 2,4 Prozent des Verkehrswerts. Bei geringeren Verkehrswerten fallen die Gebühren allerdings proportional höher aus. Hinzu kommen die Kosten für das Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswerts durch einen unabhängigen Sachverständigen. Dafür falle – je nach Zeitaufwand – nochmals ein Betrag von bis zu 2500 Euro an. „Bei großen oder komplexen Immobilien kann das Gutachten auch teurer sein“, sagt der Sprecher. Hinzu kämen noch Kosten von rund 1000 Euro für die Veröffentlichung des Versteigerungstermins. „Diese Kosten müssen in jedem Fall vom Antragsteller getragen werden, auch wenn sich am Ende kein Bieter finden sollte“, sagt Mohr.

Zudem sei keineswegs sicher, dass eine Immobilie bei einer Zwangsverwertung den Verkehrswert erzielt. „Beim ersten Versteigerungstermin beträgt das Mindestgebot 70 Prozent des Verkehrswerts“, sagt der Experte. Findet sich zu diesem Preis kein Bieter, wird ein weiterer Versteigerungstermin anberaumt. „Dabei gibt es dann keine Untergrenze für ein Mindestgebot mehr“, sagt Mohr. Der Antragsteller könne die Versteigerung jedoch vor dem Zuschlag stoppen, wenn ihm das beste Gebot zu niedrig ist. „Die gezahlten Gebühren sind dann allerdings verloren“, sagt der Experte.

Immobilienkäufer hingegen haben die Chance, bei einer Zwangsverwertung günstig an Haus oder Wohnung zu gelangen. „Sie können eine Immobilie deutlich unter dem Marktwert ersteigern“, sagt Mohr. Im Schnitt vergingen 361 Tage – fast zwölf Monate – zwischen dem Beginn der Zwangsverwertung und dem ersten Versteigerungstermin. „Da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren deutlich angezogen haben, lagen die tatsächlichen Marktwerte in vielen Fällen deutlich über dem rund ein Jahr zuvor ermittelten Verkehrswert“, sagt Mohr. „Wer ein Haus oder eine Wohnung zu 80 Prozent des Verkehrswerts ersteigert hat, bekam das Objekt daher zum Teil 30 Prozent unter dem jeweils aktuellen Marktwert.“