Bezahlbare Wohnateliers existieren kaum. Projekte in Bergedorf und Eidelstedt zeigen jedoch, dass es Alternativen gibt, von denen alle profitieren – nicht nur die Künstler, sondern auch die Stadtteile.

Franz Kraft kann sich glücklich schätzen. Er ist einer der wenigen Künstler in Hamburg, die über ein Wohnatelier verfügen. Gut 90 Quadratmeter ist es groß, 740 Euro warm bezahlt der Bildhauer dafür im Monat. Für diesen Preis würde der 74-Jährige anderswo kaum eine gleichwertige Bleibe finden.

Vor allem wäre die Chance gering, mit anderen Künstlern unter einem Dach wohnen zu können. Dafür nimmt er in Kauf, dass alle Räume fließend ineinander übergehen: Von seinem Bett aus blickt er direkt auf seine „Werkstatt“, die sich auf ein paar Regale an den Wänden und drei Tische beschränkt. Im hinteren Teil dient ein Sofa älteren Jahrgangs als komfortableres Sitzmöbel, der Schreibtisch – hinter dem längsseits zwei deckenhohe Regale mit Büchern und Magazinen stehen – befindet sich direkt neben der schmalen Küchenzeile im Flur. Als Raumteiler dient zum Wohnraum hin ein selbst gebauter Stützpfeiler, verputzt in Weiß, mit Einschüben für seine Minatur-Skulpuren aus Gips, Bronze und anderem Material. „Vielleicht kommt ja eine davon mal in voller Größe auf einer der vielen Verkehrsinseln zur Geltung, die derzeit entstehen“, sagt Kraft und lächelt dabei verschmitzt.

Der Bildhauer hat gelernt, sich mit Wenigem zu begnügen. „Meine Highlights sind die Ausstellungen, die wir dann und wann in der Galerie dieses Hauses veranstalten“, sagt der 74-Jährige, der zusammen mit dem Maler Jens Lausen zu den älteren Semestern in der „Künstler-WG“ gehört. „Im Sommer nächsten Jahres feiern wir das 20-jährige Bestehen des Künstlerhauses, dann wollen wir wieder an die Öffentlichkeit gehen“, kündigt Kraft an. Mit dem Künstlerhaus ist die geschichtsträchtige Villa am Möörkenweg in Bergedorf gemeint. Sie beherbergt seit Februar 1994 elf Wohnateliers. Um die Jahrhundertwende diente sie noch als Tanz- und Ausflugslokal, in den 50er-Jahren wurde hier Kirschlikör für die Firma Eckes produziert. Seit nahezu 20 Jahren dient das Gebäude nun als Quartier für Künstler – nach erfolgtem Um- und Ausbau auf Anregung des Vereins „Ateliers für die Kunst (Afdk)“ und mit finanzieller Unterstützung der Kulturbehörde und privater Sponsoren.

„Hier können wir unter einem Dach leben und uns austauschen“, sagt Kraft. Während in der Wohnung zur Linken gemalt werde, werde über ihm komponiert und im Innenhof geschweißt – dies alles gegebenenfalls auch mal zu Uhrzeiten, an denen Mitbewohner sich gestört fühlen könnten. „Wir gehen aber alle sehr rücksichtsvoll miteinander um“, sagt Kraft. In Bergedorf selbst hoffe er, dass man ihn und seine Mitbewohner als Bereicherung für das Kulturleben empfinde.

Sylvia Henze, Vorsitzende des Adfk, freut sich über dieses Engagement. „Genau dieser Austausch zwischen Künstlern und den Menschen in den Stadtteilen kann viel Positives bewirken.“ Ein ähnliches Projekt sei mit der Süptitzvilla in Eidelstedt zustande gekommen. „Auch hier haben Künstler zu sehr preisgünstigen Konditionen Raum zum Arbeiten unter einem Dach gefunden. Sie bezahlen jetzt eine symbolische Miete von 50 Cent pro Quadratmeter sowie die Betriebskosten und bringen sich im Gegenzug mit kreativen Projekten für den Stadtteil ein.“ Henze hofft, dass dieses Modell viele Nachahmer findet. „Schließlich profitieren alle davon: Der Eigentümer, dessen Gebäude nicht leer steht, und die Künstler, die sich mit Aktionen in den Stadtteil einbringen.“ Möglich wurde das Modell durch einen städtebaulichen Vertrag des Bezirks mit dem Grundeigentümer. Der sieht vor, dass die Rotklinkervilla am Hörgensweg für einen Zeitraum von 20 Jahren für soziale Zwecke genutzt wird.

„Neun Jahre dieser vertraglich gebundenen Nutzung stehen noch aus. Und so kam der Bezirk auf uns zu und fragte uns, ob wir nicht eine Verwendung für die Villa wüssten“, sagt die Afdk-Vorsitzend.

Die Konzeptkünstlerin und Fotografin Anke Schmidt-Eckhoff ist eine von fünf Mietern in der Villa Süptitz. Zu ihnen gehört auch Christoph Wüstenhagen. „Zuvor hatte ich ein Atelier in Hammerbrook“, sagt der Maler. „Dieses hier ist jedoch wesentlich günstiger, zudem gefällt mir das Projekt mit der Anbindung an den Stadtteil.“ Wüstenhagen arbeitet mittlerweile als Kunstlehrer auf Honorarbasis an der Grundschule nebenan. Auch zum Jugendzentrum hat er Kontakt aufgenommen.

Sylvia Henze ermutigt dies alles, noch einen Schritt weiter zu denken. „Ich träume davon, dass die Politik den Mehrwert von Künstlern in der Stadt erkennt und sich dafür stark macht, dass preiswerte Wohnateliers entstehen.“ Die Vorgaben für Investoren könnten ähnlich aussehen wie bei der Errichtung von Sozialwohnungen. „Die Idee ist nicht weltfremd. Schon beim Bau der Grindelhäuser wurden preiswerte Flächen unter dem Dach für Künstler vorgehalten“, sagt die engagierte Vereinsvorsitzende.

Die Kulturbehörde rät indessen Künstlern, die einen Atelierplatz suchen, sich an die Kreativ Gesellschaft zu wenden, eine städtische Einrichtung. Geschäftsführer Egbert Rühl: „Wir vermitteln etwa 7500 Quadratmeter im Jahr an bildende Künstler. Entweder direkt oder über eine Immobilien-Datenbank im Internet.“ Derzeit habe die Kreativ Gesellschaft fünf Objekte, die sie als Hauptmieter Raum für Raum untervermiete. Dies biete für beide Seiten Vorteile, sagt Rühl: „Wir prüfen die Bewerber. Der Vermieter hat also uns als Ansprechpartner, wir verwalten die Räume und tragen auch eventuelle Mietausfälle.“ Die Künstler wiederum bekämen die Räume, müssten sich nicht um Immobilien kümmern.

www.afdk.de, www.kreativgesellschaft.org