Häuser, die mehr Wärme und Strom erzeugen, als sie selbst verbrauchen, werden erschwinglicher

Wer auf die rasant steigenden Strompreise und seinen strapazierten Geldbeutel blickt, wünscht sich, diesen Posten aus dem monatlichen Etat streichen zu können. Das ist möglich - sogar dauerhaft. Und nicht nur das: Wer in einem Plus-Energie-Haus lebt, produziert zumeist mehr Strom als benötigt wird. Der Überschuss wird ins Netz eingespeist und dem Erzeuger vergütet.

"Mehrere Hundert" dieser Plus-Energie-Häuser stehen bereits in Deutschland, sagt Christian Stolte, Bereichsleiter "Energieeffiziente Gebäude" bei der Dena (Deutsche Energie-Agentur GmbH). Ein Kataster gibt es nicht, zumal die Definition weiter zu fassen ist: "Ein Plus-Energie-Haus ist ja eigentlich ein weitergedachtes Passivhaus", so der Experte. Prinzipiell gilt: Die benötigte Energie für Heizung und Warmwasser wird im oder am Haus selbst gewonnen, meist durch thermische Solaranlagen und Photovoltaikanlagen, und von einem guten Wärmekonzept ergänzt. Die seit Jahren immer weiter nach oben geschraubten Anforderung für Neubauten sind in der Energieeinsparverordnung (EnEV) geregelt.

"Das Plus-Energie-Haus muss über Neubauten in die Breite getragen werden", sagt Christian Stolte, der vor allem das Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser als "Zielgruppe" im Blick hat. Größere Gebäude, wie Büro- oder Mietshäuser, verfügen in der Regel nicht über ausreichend Flächen für Solarpanele, deren Erträge sie versorgen könnten. In jedem Fall "deutet aber alles darauf hin, dass wir in Zukunft immer bessere Gebäude haben werden. Wenn das Plus-Energie-Haus zum Standard wird, sind auch die Mehrkosten gering." Tatsächlich hat die Öffnung zum Massenmarkt begonnen. Die meisten Fertighaushersteller haben das Plus-Energie-Haus inzwischen im Programm. Weber-Haus etwa vermeldet, bereits mehr als 500 verkauft zu haben.

Ein exponiertes Beispiel eines Plus-Energie-Hauses steht in Berlin. Genau genommen ist dies ein "Effizienzhaus Plus", mit dem der Bauherr, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), über verschiedene Technologien im Bereich Energieeffizienz, Hausautomation und Elektromobilität das Wohnen der Zukunft erprobt. Seit März 2012 lebt dort eine Familie, die das Haus insgesamt 15 Monate testen soll.

Dass das Plus-Energie-Haus längst zu marktfähigen Preisen und auch überall gebaut werden kann, will die Solarsiedlung Freiburg beweisen, 47 Häuser sind bereits fertiggestellt. Das eindrucksvolle Projekt des Solararchitekten Rolf Disch geht allerdings weit über das Konzept des Ein- und Zweifamilienhauses hinaus und sieht das Plus-Energie-Haus als perfekte Lösung für fast jede denkbare Form der Nutzung - vom Wohnungs- und Gewerbebau über Hotel, Schule, Ausstellungsgebäude bis zum Seniorenheim.

Ein weiteres Pilotprojekt sind die Jesteburger Sonnenhäuser südlich von Hamburg. Dort wurden fünf Einfamilienhäuser errichtet, die mehr Wärme und Strom erzeugen als sie selbst verbrauchen. Vier sind bereits vermietet, eines ist aktuell noch frei. Neben dem Anliegen, den Bewohnern Komfort und ökologisches Wohnen im Verbund bieten zu wollen, soll das Quintett künftigen Bauherren Informationen geben und Anregungen liefern. Weitere Plus-Energie-Siedlungen bestehen zudem in Köln-Ostheim, Königsfeld und Nürnberg.