Die Anfertigung erfolgt nach historischem Vorbild. Es ist ein neuer Trend zu Hochwertigkeit in der Innenarchitektur.

Mit Herzblut und Beharrlichkeit treibt sie ihre Idee voran: Kristina Meißner macht Tapeten. Nun ist die 44-jährige Hamburgerin nicht irgendwer, und ihre Tapeten sind nicht irgendwelche. Meißner ist Historikerin. Und sie macht historische Tapeten. Auf Leinwand, mit Bindemitteln und Farben, deren Zusammensetzung sie in Geschichtsbüchern gefunden hat, und mit Motiven, die aus vergangenen Jahrhunderten stammen.

"Früher habe ich Zeitreisen organisiert, in denen ich Leute in die Vergangenheit führte. Ich habe Kostüme besorgt, Essen aus der jeweiligen Zeit gekocht und Hotelzimmer ausstaffiert", sagt Meißner. "2005 gab es ein Rokoko-Event in Amerdingen bei Graf Stauffenberg, dort sah ich handgemalte Wandmotive von Stauffenbergs Urururgroßmutter in einem Salon." Da sei ihr die Idee gekommen: "Tapeten wurden früher nicht gedruckt. Man musste alles malen! Das mach ich auch." Sie mottete ihren Fundus ein und vergrub sich zur Recherche in die Bücher: historische Bindemittel, Geschichte der Pigmentfarben, Kulturgeschichte der Tapete.

Eine Arbeit mit überlieferten Mustern, die als angenehm empfunden werden

Heute steht Meißner in ihrem gemieteten Atelier: vier schmale Räume, die ineinander übergehen, es liegen Muster, Farben und Schablonen herum. Sie trägt einen Arbeitskittel, schiebt Rollen von Leinwand beiseite, um den Weg zum Küchentisch frei zu machen. An den Wänden stehen, lehnen, hängen ihre Arbeiten: Kirschblüten, Magnolien und Gräser vor blauem oder rosafarbenem Grund, Vögel, Girlanden und Bänder. "Ich arbeite gern mit überlieferten Mustern und Grundformen, die wir als angenehm empfinden", sagt Meißner. "Die Motive stammen fast alle aus dem 18. Jahrhundert, das ist meine liebste Zeit." Vor allem die Dekore aus dem Rokoko hätten es ihr angetan. Für sie wirkten sie schlicht, freundlich und sehr feminin.

Ihre Tapeten sind nicht nur individuell, sondern einzigartig, jede ein Unikat. Bevor sie mit der Arbeit beginnt, besucht Meißner ihre Klienten, sieht sich die Räume an, in denen eine ihrer Tapeten-Kreationen hängen soll. Dann macht sie zu Hause Skizzen, erstellt Farbproben, die sie wiederum mit dem Kunden abstimmt. Erst dann macht sie sich daran, eine Tapete zu fertigen. Als Grundlage verwendet die Historikerin Zeug, einen relativ grobmaschigen Leinwandstoff. Zunächst grundiert sie das Gewebe, damit keine Farbe durch die Maschen läuft. Darauf bringt sie verschiedene Lagen Farbe, die sie teilweise schleift: "Es entsteht ein Farbton als Untergrund, der in sich changiert", so Meißner. Anschließend überträgt sie die Muster der Entwürfe auf die Leinwand und malt sie mit Farben aus, die sie aus Bindemitteln und Pigmenten selbst abmischt. "Manchmal fällt es mir schwer, den richtigen Farbton zu treffen. An das Bindemittel musste ich mich langsam herantasten, es hat lange gedauert, bis ich wusste, was geht und was nicht", sagt sie. Das fertige Produkt bringt sie meist auf einer Trägerplatte an. "Meine Tapeten sind besonders haltbar, denn man kann sie jederzeit wieder abziehen, aufrollen und wieder benutzen. Man kann sie auch vererben, wie ein Bild."

Meißner spricht eine besondere Klientel an, die ein Faible hat für Historisches und Wertiges, die bereit ist, für ein Paneel mehrere Hundert Euro auszugeben.

"Dafür bekommen meine Kunden aber auch etwas, das speziell für sie, nach ihrem Geschmack und für den Raum angefertigt wurde", sagt die Designerin.

Die Historikerin liegt damit im Trend: "Verbraucher wollen heute ihre Persönlichkeit und ihren Stil durch ihre Einrichtung zeigen, das spiegelt sich auch in der Wahl der Tapete wider", sagt Karsten Brand, Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts. "Mit Tapete drücken die Bewohner ihren ganz persönlichen Geschmack aus, ähnlich wie sie das mit Mode machen." Er bemerke ein gesteigertes Interesse: "Inneneinrichtung bekommt einen höheren Stellenwert, Tapeten werden vermehrt als Gestaltungsmittel eingesetzt. Verbraucher suchen eine bestimmte Art von Tapete, die sie an ihren letzten Urlaub, an einen bestimmten Modestil oder eine besondere Epoche erinnert", sagt Brand. "Dieser Trend von Hochwertigkeit und Individualität in der Inneneinrichtung nimmt zu."

Ein Blick ins Internet bestätigt diese Beobachtung: Individuelle Tapeten werden dort angepriesen, Fotos oder Designvorlagen als Gestaltungsmittel für die heimische Wand angeboten. "Raumgerecht" bietet Tapetentiere, Bäume und Wolken an, die im Netz bestellt werden können und mit Kleister und Pinsel direkt ins Haus geschickt werden. "Berlintapete" ermöglicht dem Kunden eine vollständig digital produzierte Tapete nach jeder Mustervorlage.

Ein Konzept, das dem Meißners widerspricht: "Ich mache Kunsthandwerk, ehrlich, mit Freude und der Intention, die Räume und so den Alltag etwas schöner zu machen." Reich werde sie damit sicher nicht. "Aber wenn ich die Wahl hätte, mir etwas Geld verdienen zu können mit etwas, hinter dem ich nicht stehe, oder eben das zu machen, was ich mache, dann würde ich immer die Tapetenmalerei wählen."