Alte Baumaterialien sind nicht nur nachweislich langlebig, ihre Gebrauchsspuren machen sie im Lauf der Zeit auch zu einer Art Kulturgut.

Balken für das alte Fachwerk, ein Ersatz für den Messingbeschlag aus dem Barock oder Originaldielen für den Boden: Viele Bauherren wollen ihren Altbau mit historischen, gut erhaltenen Werkstoffen renovieren. Sogar in manchem Neubau werden Materialien aus zweiter oder dritter Hand verbaut.

"Es gibt drei Gründe, weswegen Menschen alte Baustoffe in ihren Wohnungen und Häusern verwenden: wenn beispielsweise Stücke in einem alten Haus fehlen, die ergänzt werden müssen, oder weil die Menschen Gefallen finden an Materialien, die Gebrauchsspuren tragen, und sich dahinter möglicherweise eine Geschichte verbirgt. Im Laufe der Zeit werden sie so zu einer Art Kulturgut", sagt Architekt Jens Schlüter aus Hamburg.

Manchmal spiele auch der ökologische Aspekt eine Rolle. "Dann geht es vor allem darum, bestehende Stoffe sinnvoll weiterzuverwenden."

Handwerker und Bauexperten schätzen ihren praktischen Nutzwert: "Alte Materialien haben über Jahrzehnte, zum Teil über Jahrhunderte den Beweis erbracht, dass sie den Anforderungen gewachsen sind, welche an sie gestellt werden", sagt Rainer Leonhardt von der Bundesvereinigung der Restauratoren im Handwerk in Bergheim (Nordrhein-Westfalen). Historische Baustoffe zeichneten sich also durch eine lange Lebensdauer aus, was oft an der Beschaffenheit des Materials liege. "Eine märkische Kiefer wurde früher nach 70 bis 80 Jahren mit einem Stammumfang von rund 40 Zentimetern geschlagen. Heutzutage wird ein solcher Baum mit demselben Stammumfang bereits nach 40 Jahren gefällt", sagt Leonhardt. "Ihr Wachstum wurde manipuliert. Das wirkt sich natürlich auf die Festigkeit und andere Eigenschaften des Holzes aus." Ein weiterer Pluspunkt sei, dass alte Bauteile meist so gefertigt sind, dass sie mit einfachem Werkzeug und wenigen Handgriffen repariert werden können. "Außerdem gab es früher keine Verbundstoffe. Damit sind historische Materialien ganz unproblematisch zu recyceln."

Die Suche nach historischen Baustoffen ist jedoch aufwendig. Auf den ersten Blick scheint es eine Flut an Ansatzpunkten für die Suche zu geben - von Verkaufsbörsen im Internet über Kleinanzeigen und Flohmärkte bis zum Antiquitätenladen. Dort finden sich mit Glück manche schöne Stücke wie Türlaibungen aus der Gründerzeit und gut erhaltene Waschschüsseln, Armaturen und Ziegel etc. Wer jedoch ein Fenster austauschen oder einen Türbeschlag erneuern will, kommt mit Stöbern nicht weit. Denn die Bauelemente müssen zum Stil und zu den Maßen des Gebäudes passen. Fündig werden Raritätenjäger daher wohl eher im historischen Baustoffhandel. Aber dieser Markt ist klein, und die Suche nach den Schätzen muss teils bundesweit, wenn nicht sogar grenzüberschreitend stattfinden.

"Unserer Erfahrung nach sollte man etwa ein Drittel mehr Zeit einkalkulieren", sagt Olaf Elias, Vorstand im Unternehmerverband Historische Baustoffe in St. Georgen (Baden-Württemberg). Die Chancen, in Hamburg fündig zu werden, sind gering. "Alte Baumaterialien findet man eher im Süden Deutschlands", sagt Architekt Schlüter. Meist passen die historischen Baustoffe jedoch nicht perfekt: Bauteile, die vor den Zeiten der industriellen Massenfertigung und Normierung hergestellt wurden, können sich um wenige, aber entscheidende Millimeter unterscheiden. "Historische Wasserhähne und Duschköpfe sind nicht mit heutigen Rohren und Gewinden kompatibel", sagt Leonhardt. "Wer bei einem Waschbecken Altes und Neues miteinander kombinieren möchte, der sollte auf eine moderne Armatur setzen und ein altes Becken verwenden, damit solche Probleme von vornherein umgangen werden." Am besten zieht man einen versierten Handwerker möglichst frühzeitig in die Materialauswahl ein. Wer mit der Materie vertraut ist, kann schnell beurteilen, ob das historische Fundstück seinen Preis wert ist. Elias: "Denn die Nutzschicht alter Dielenbretter kann zu dünn oder Nut und Feder zu stark abgenutzt sein."