Bei dem nachwachsenden Rohstoff kommt es auf die richtige Eindeckung an. Empfehlung: Ein möglichst steiler Aufbau, sonst wird's ein “Misthaufen“.

Wendelsdorf. Reetdächer sollten möglichst steil sein, damit das Regenwasser gut abfließen kann. Ist dies nicht der Fall, siedeln sich leicht Pilze und Bakterien an, und das Schilf verfault. "Ist das Dach oder die Gaube zu flach, wird's ein Misthaufen", sagt Dachdeckermeister Thorsten Ring aus Wendelsdorf (Mecklenburg-Vorpommern). Der Reetsachverständige der Handwerkskammer rät zu einer Neigung von mindestens 40 Grad. Diesen Tipp gibt er vor dem Hintergrund, dass gut vier Prozent der neueren Reetdächer in Norddeutschland schon nach wenigen Jahren verrottet sind.

Je steiler das Dach, desto länger hält das Reet - zu diesem Ergebnis kommt auch das Institut für Bauen und nachwachsende Rohstoffe der Fachhochschule Lübeck, das die Bautechniken gesunder Schilfrohrdächer untersucht hat. Gut verarbeitete Schilfdächer können 60 bis 80 Jahre alt werden, sagt Marlies Händschke, Geschäftsführerin der Reetdachdeckerinnung Mecklenburg-Vorpommern in Stavenhagen.

Von einem "bösen Killerpilz", der die Dächer auffrisst, will der Mikrobiologie-Professor Frieder Schauer aus Greifswald daher nichts wissen. "Das sind ganz normale Mikroorganismen, die überall vorkommen, denen aber bauliche Mängel und schlechte Rohware die Chance zum Angriff geben." Der Reetexperte arbeitet an einem Schnelltest, um die Güte des weltweit importierten Materials zu prüfen. Thorsten Ring ist sicher: Nur trockenes, sauberes Schilf darf verwendet werden. Das Material sollte 35 Zentimeter dick, schön dicht und mit mindestens sechs Zentimeter Hinterlüftung verlegt werden.

In den 1990er-Jahren erlebte der Naturbaustoff eine Renaissance. Es gab verlockende Reetdach-Förderprogramme. "Die Nachfrage nach Rohr überstieg das heimische Angebot, enorme Mengen Reet wurden teils unkontrolliert in Osteuropa eingekauft", sagt Dachdecker Ring. Heute müssten Handwerker weiterhin auf die Ressourcen aus dem Ausland zurückgreifen: "Schilf holen wir aus Polen, Rumänien, Ungarn, der Ukraine, der Türkei und sogar aus China, nur so ist die enorme Nachfrage zu decken", sagt Ring. Umweltauflagen in Mecklenburg-Vorpommern untersagten dagegen den Abbau - "und das heimische Schilf bleibt allein den Vögeln vorbehalten".