Studien, die sich mit der finanziellen Situation im Alter beschäftigen, fördern eklatante Mängel zutage. Fast die Hälfte der Erwerbstätigen kann den Wohlstand im Ruhestand nicht halten, wie es beispielsweise im ersten deutschen Vorsorgeatlas des Rentenexperten Bernd Raffelhüschen heißt. Rund 60 Prozent der Rentnerhaushalte besäßen Wohneigentum, doch ein Viertel davon verfüge über so geringe Einkünfte, dass sie ihr Eigentum verkaufen müssten, um über die Runden zu kommen. Ein Verkauf bedeutet aber meist den Auszug aus dem Haus.

Das soll sich jetzt mit der "Reverse Mortgage", zu Deutsch "Rückwärts-Hypothek", ändern. Dieses Modell wird bereits in den angloamerikanischen Ländern praktiziert und soll nun auch hierzulande eingeführt werden. Dabei schießt die Bank in Form einer lebenslangen monatlichen Rente oder als Einmalbetrag Kapital auf eine bestehende Immobilie vor. Im Grunde beleiht der Eigentümer also sein Haus bei der Bank, um im Gegenzug das in der Immobilie gebundene Kapital dafür zu nutzen, das monatliche Einkommen zu erhöhen. Die Kredithöhe berechnet sich nach der statistischen Lebenserwartung des Eigentümers und dem geschätzten Verkehrswert der Immobilie bei Erreichen der Lebenserwartung.

Die Modelle unterscheiden sich in Hinblick auf die Beendigung des Darlehensvertrages. Bei den Produkten der Förderbanken, die in Kürze am Markt sein werden, muss die Darlehensschuld bei Auszug aus der selbst genutzten Immobilie zurückgezahlt werden. In der Regel wird dann die Immobilie verkauft. Stirbt der Kunde, können seine Erben die Darlehensschuld auch über ein neues Hypothekendarlehen zurückzahlen. Bei den privaten Anbietern entscheidet der Kunde, ob er die Darlehensschuld zuzüglich Zinsen tilgt oder das Haus in das Eigentum der Bank übergehen soll. Stirbt der Kreditnehmer, können die Erben den Kredit tilgen oder die Bank verwertet die Immobilie und zahlt den Erben die Differenz zwischen Erlös und Kreditschuld aus.

Seit März dieses Jahres ist die Münchner ImmoKasse deutschlandweit zusammen mit der Deutschen Kreditbank als Vertragspartner der Darlehensnehmer mit dem Produkt "Immorenten-Plus" auf dem Markt. Hier bekommen Immobilienbesitzer ab 65 Jahren zu einem Festzins von 6,9 Prozent einen Betrag einmalig ausgezahlt, der bis zu 35 Prozent vom Verkehrswert der Immobilie beträgt. Das Darlehen ist bis zum Verkauf oder Ableben zins- und tilgungsfrei. "Die Mehrzahl der Kunden nutzt den Kredit für die Sanierung oder den altersgerechten Umbau ihrer Immobilie oder um eine Pflegekraft zu finanzieren", sagt Stefanie Leiter, Geschäftsführerin der ImmoKasse ( www.immokasse.de ).

Angesichts drohender Altersarmut entwickelt der Bundesverband Öffentlicher Banken auf Druck der Politik gemeinsam mit staatlichen Förderbanken ebenfalls solche Produkte. Die Investitionsbank Schleswig-Holstein wird in diesem Monat starten, Hamburg will folgen. Mit etwa 60 Jahren sollen Kunden danach ihre Immobilien beleihen können und daraus eine monatliche Rente beziehen. Das Darlehen ist grundschuldgesichert, laufende Zins- und Tilgungszahlungen fallen nicht an. Berechnungsgrundlage ist der Beleihungswert der Immobilie, die maximale Darlehenssumme beträgt 60 bis 80 Prozent davon. "Vertraglich ist festgelegt, dass der Kunde die Immobilien instand hält, die Bank behält aber einen Abschlag für Instandhaltungen ein", sagt Brigitte Wesierski, Bereichsleiterin beim Verband öffentlicher Banken (VÖB). Ein 70-jähriger könnte so nach Berechnungen des VÖB für sein Eigenheim im Wert von 150 000 Euro bei einem Darlehenszins von sechs Prozent monatlich auf eine Zusatzrente von 233 Euro kommen. Der VÖB schätzt das Potenzial für das Produkt auf eine Million Haushalte.

Auch die HypoVereinsbank hat das Produkt Reverse Mortgage im Auge und ist derzeit mit möglichen Kooperationspartnern im Gespräch. "Der Bedarf ist eindeutig vorhanden", sagt Martin Schütt, Experte für Baufinanzierungen bei der HVB Hamburg.

"Solche Umkehrhypotheken werden sich auch in Deutschland etablieren. Interessenten sollten sich aber von einer unabhängigen Stelle genau ausrechnen lassen, wie hoch der Preis dafür ist, trotz Immobilienrente im eigenen Haus bleiben zu können", sagt Achim Tiffe, stellvertretender Leiter des Instituts für Finanzdienstleistungen in Hamburg. Eine Übersicht über Anbieter und ihre Modelle kann beim IFF für fünf Euro angefordert werden ( info@iff-hamburg.de ).

"Es ist vernünftig, ein solches Produkt am Markt anzubieten, die Tücken stecken aber im Detail, Kunden sollten die Angebote daher genau prüfen", rät Christian Schmid-Burgk von der Verbraucherzentrale Hamburg.