Vor 100 Jahren trat er in die Dienste Hamburgs. Mehr als 90 Gebäude, Brücken sowie der Stadtpark zeugen noch heute von seinem Wirken zwischen Alster und Elbe. Er schrieb Bücher, Gedichte und Theaterstücke, entwarf Bühnenbilder und zeichnete Plakate - Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Wilhelm Schumacher war nicht nur Architekt, sondern zugleich auch Künstler und Visionär. Ein Multitalent. Vor 100 Jahren trat er in den Dienst der Hansestadt. Noch heute prägt sein Einfluss das Bild der Stadt.

"Als Fritz Schumacher 1909 von Bausenator Gottfried von Holthusen nach Hamburg eingeladen wurde, war er Professor für Entwerfen an der Technischen Hochschule Dresden", sagt Dieter Schädel, Historiker und Geschäftsführer des Fritz-Schumacher-Instituts. Unter mehr als 50 Männern für die Nachfolge Carl Zimmermanns als Leiter des Hochbauamts fiel die Wahl schließlich auf Schumacher. Der Sohn eines Bremer Diplomaten, aufgewachsen in Bogotá und New York, hatte zuvor Berufungen an bekannten Hochschulen und Stadtbauratsstellen abgelehnt. Er wollte nach Hamburg: Hier fand er die Bedingungen, seine Vision von der modernen Stadt in die Tat umzusetzen.

"Zu dieser Zeit drängten Tausende Menschen in die Stadt, es gab nicht genug Wohnungen. Später, nach dem Ersten Weltkrieg, verschärfte sich diese Situation noch", sagt Schädel. "Schumacher lehnte den herkömmlichen Geschossbau ab; er wollte Wohngebiete mit Kinderspiel- und Sportplätzen, mit Wiesen und Wasserläufen für die Menschen bauen." Sein Wunsch war es, so Hartmut Frank in seinem Buch zur Schumacher-Ausstellung in den Deichtorhallen 1994, den "großen, städtischen Gemeinschaftsaufgaben eine neue, zeitgemäße Form zu geben".

Doch als Leiter des Hochbauamts sei er zunächst nur für Staatsbauten verantwortlich gewesen, so Schädel: "Für Städtebau, Infrastruktur und Grünanlagen war damals das Ingenieurwesen zuständig. In dessen Leiter Fritz Sperber hatte Schumacher einen erbitterten Gegner. Das ging nicht ohne Kampf ab."

Doch der Mann aus Dresden war vorbereitet. In den acht Monaten bis zu seinem Amtsantritt entwarf Schumacher die neue Kunstgewerbeschule, das Tropeninstitut, die Schule Teutonenweg sowie das Museum für Hamburgische Geschichte.

Seit seiner Berufung habe Schumacher gewusst, dass es nicht leicht werden würde, sagt Schädel: "Als er an seinem 40. Geburtstag in das Büro Große Bleichen zog, fügte er sich nicht in die dortige Struktur ein. Von Anfang an hatte er den Anspruch eines umfassenden Städtebauers."

Eines seiner ersten Projekte war der Stadtpark. Schon in Dresden beanspruchte Schumacher die künstlerische Leitung, indem er auf die herausragende städtebauliche Bedeutung des Parks hinwies. Um Querelen mit dem Ingenieurwesen zu vermeiden, sicherte ihm Senator Holthusen weitgehenden Einfluss auf das Projekt zu.

Die Querelen zwischen Baudirektor und Ingenieurwesen beruhigten sich 1914, als beim Hochbau eine Abteilung für Städtebau gegründet wurde. Sie hob die Zuständigkeit Schumachers für diese Belange hervor. Endlich konnte er mehr als nur Staatsbauten errichten und sein Konzept von der Stadt als Gesamtheit verwirklichen.

1920 ließ sich Schumacher für drei Jahre beurlauben, um auf Wunsch des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer das Gebiet der Kölner Festungsanlage neu zu gestalten. Vor seiner Rückkehr nach Hamburg machte er den Posten des Oberbaudirektors zur Bedingung.

In den folgenden Jahren entstanden die meisten Projekte seiner Zeit: Bis heute sind mehr als 90 Gebäude erhalten, darunter so bekannte wie die Kunsthochschule, die Davidwache oder das Holthusenbad, dazu 49 Schulen, 13 Brücken und der Stadtpark mit Planetarium und Badesee. "Ein riesiger Stab von bis zu 200 Mitarbeitern arbeitete in Zeichensälen des Hochbauamts an Schumachers Entwürfen", sagt Dieter Schädel. "Er ging jeden Morgen von Brett zu Brett und korrigierte sie." Überhaupt sei Schumacher ein "Arbeitstier" gewesen, so der Bauhistoriker, ein Mann, der "den ganzen Tag lang eigentlich nur gearbeitet hat, es sei denn, er schlief."

Schädel schrieb in den Siebzigerjahren seine Doktorarbeit über Schumacher, seitdem veröffentlichte er Bücher und Schriften. "Was mich fasziniert, ist, dass er ein Mann war mit umfassendem Wissen. Literatur, Theater, Architektur, der Mensch - alles interessierte ihn", sagt der 63-Jährige. "So las er das gesamte Werk von Shakespeare in nur einer Woche - und weil ihm die Übersetzung ungenau schien, las er alles noch einmal auf Englisch." Schumacher habe ein soziales Gesamtkunstwerk geschaffen, das Maß seines Könnens würde erst begreifen, wer seine zahlreichen Schriften gelesen habe, sagt Schädel.

Die meisten schrieb Schumacher im Alter von 63 Jahren nach seiner Absetzung durch die Nationalsozialisten. In den Jahren nach 1939 litt er unter den Verwüstungen des Krieges. Trotzdem blickte Schumacher nach vorn und warnte davor, nicht allzu schnell Ersatzbauten zu schaffen. In seiner letzten Rede im Rathaus 1945 hielt er ein leidenschaftliches Plädoyer für einen planmäßigen Wiederaufbau der Stadt. Fritz Schumacher starb am 5. November 1947 im Krankenhaus.

Im Rahmen des Architektursommers findet die Vortragsreihe "Hamburger Architekten des 20. Jahrhunderts" im Museum für Hamburgische Geschichte (Holstenwall 24) statt. Dort referiert Thomas Völlmar am 3. September von 18 bis 20 Uhr über das Schaffenswerk von Fritz Schuhmacher. Noch bis zum 15. November im Museum zu sehen ist zudem die Ausstellung "Multiple City - Stadtkonzepte 1908-2008.