Hamburg. 200 Jahre lang hatte das Görtz-Palais am Neuen Wall sich den Betrachtern mit einer einfarbigen Fassade präsentiert. Dann wurde das Gebäude eingerüstet, und eine Malerkolonne rückte an. Als ihre Arbeit vollbracht war, mussten sich die Hamburger an ein in Rot- und Gelbtönen gestrichenes Gebäude gewöhnen. Das Ganze im Jahre 1926 - und zwar auf speziellen Wunsch des Oberbaudirektors Fritz Schumacher. Der betonte in einem Aufsatz "Die farbige Stadt", dass so die einzelnen Fassadenelemente besser zur Geltung kämen. Im dritten Reich wurde die farbige Gestaltung wieder zurückgenommen.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das 1710/11 gebaute Gebäude fast vollständig zerstört. Nur die Fassade stand noch. Sie kaschiert heute den Neubau, der in den 1950er-Jahren anstelle des zerstörten Palais gebaut wurde. Derzeit wird das Görtz-Palais als Bürogebäude genutzt - eine von vielen Nutzungen, die es in seiner Geschichte erfahren hat.

Gebaut wurde es im Auftrag von Baron Görtz vom Architekten Johann Nikolaus Kuhn. Görtz war ein Günstling des schwedischen Königs, der als Diplomat und Politiker ein Talent entwickelt hatte, immer neues Geld für den Kornschatz zu besorgen.

Der Neue Wall war damals drei Jahre alt. Das Palais fiel unter den Bürgerhäusern nicht nur durch seine breite Barockfront auf. Der ursprünglich unverputzte, weiträumige Repräsentationsbau, der erst 1776 "mit Kalk beworfen" wurde, hatte in der Kaufmannstadt Hamburg keine Vorbilder. Die Feste, die hier gefeiert wurden, waren Stadtgespräch. Görtz selbst hatte sich jedoch nur kurz an seinem Palais erfreuen können. 1718 war er vom Nachfolger seines Königs wegen seiner Steuerpolitik enthauptet worden.

In den nächsten 130 Jahren war im Görtz Palais die Kaiserliche Gesandtschaft aus Wien untergebracht. Der Rat (Senat) hatte das Gebäude eigens als "Stadthaus" für sie angemietet, später gekauft. Er war dem Kaiser gegenüber in einer peinlichen Situation, denn der protestantische "Pöbel" hatte die alte Gesandtschaft der katholischen Österreicher am Michel geplündert und in Brand gesetzt. Die Österreicher betrachteten ihr neues Domizil als ihr Haus, der Senat pochte jedoch darauf, dass es Eigentum der Stadt sei und nutzte die erstbeste Gelegenheit, einen Thronwechsel in Wien, die Gesandtschaft aus dem Haus zu verweisen. Doch nicht für lange. Der kaiserliche Gesandte zog wieder ein, gestand aber zu, dass das Gebäude der Stadt gehöre.

Erst, als die Truppen Napoleons in die Stadt einrückten, musste der letzte Vertreter des Reiches das Gebäude verlassen. Fortan residierte hier der "französische Bürgermeister", der Senator Abendroth. Nach der "Franzosenzeit" wurde das Gebäude der Polizei zur Verfügung gestellt. Oberster Polizeiherr war Senator Abendroth. Als 1827 die Hamburger Sparkasse, dessen Gründungsmitglied ebenfalls Senator Abendroth war, hier zusätzlich eine Geschäftsstelle eröffnete, war erstmals der Kommerz in die Räume des Palais eingezogen. Für die Hamburger blieb es aber mit der Polizei verbunden, die hier bis zum Zweiten Weltkrieg Büros hatte. Die Folterkeller der Gestapo lagen aber nicht im Görtz Palais, sondern im benachbarten Stadthaus - heute Sitz der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt.

Im Laufe seiner Geschichte wurde das Gebäude mehrmals umgebaut. Nach dem Krieg verkaufte die Stadt das Haus an den Germanischen Lloyd mit der Maßgabe, die Fassade zu erhalten. Hinter der dreistöckigen Fassade entstand nach dem Plänen der Architekten Nissen + Fischer ein siebenstöckiges Bürogebäude. Die Fassade gehört zu den stilprägenden Elementen des gegenüberliegenden Bürgermeister Petersen Platzes.