Im südafrikanischen Addo Elephant National Park sollten Besucher nicht nur die Elefanten anhimmeln, sondern auch mal auf den Boden schauen. Denn da tut sich bisweilen ganz Erstaunliches.

Der kleine Kerl mit seinem schwarz schillernden Panzer ist ein Akrobat. Er balanciert auf großen Kugeln. Macht Handstand. Läuft dabei rückwärts und rollt einen Dungball vor sich her, selbst gedreht aus Elefantenmist. Alle Achtung! Diesem Mistkäfer, der ob seines handwerklichen Geschicks auch Pillendreher genannt wird, kann man nur Respekt zollen.

In Südafrika ist das flügellose Insekt aus der großen Familie der Skarabäen selten geworden. Im Addo Elephant Nationalpark hingegen ist der Pillendreher der heimliche Star, und mit maximal 47 Millimeter Länge das kleinste Tier, das dort unter Schutz steht.

Während sich die Big Five in der Bewunderung der Touristen sonnen, macht sich der wenig beachtete Pillendreher überaus nützlich. Er putzt und pflegt das Reservat. Ihn dabei zu beobachten ist fast noch spannender, als Elefanten beim Fressen zuzuschauen.

Die letzten Elefanten vor der Ausrottung bewahrt

Der Name sagt es schon: Dickhäuter sind die Attraktion im Addo Elephant National Park, der 1931 in der Provinz Eastern Cape gegründet wurde, um die letzten elf Kap-Elefanten vor der Ausrottung zu bewahren. Schon in den 1850er-Jahren hatte die Jagd auf Trophäen und Elfenbein das größte lebende Landsäugetier stark dezimiert.

Ende des 19. Jahrhunderts kamen die Siedler. Sie rodeten das Land im Norden von Port Elizabeth und forderten die Regierung auf, ihre Felder vor den gefräßigen Elefanten zu schützen. Heute tummeln sich wieder mehr als 500 graue Riesen im 180.000 Hektar großen Schutzgebiet. So viele Elefanten produzieren viel Mist, sehr zur Freude der Mistkäfer.

Elefanten laufen lieber auf frei geräumten Pisten als durch Dickicht, stellen wir bei unserer Autorundfahrt durch den Nationalpark fest. Vor uns trottet gerade eine Großfamilie in aller Gemütsruhe entlang der Fahrbahn. Wir folgen langsam – und wundern uns, dass der Fahrer Slalom fährt, um jeden einzelnen Elefantenhaufen macht er einen Bogen.

Die Elefantentruppe schwenkt derweil die Rüssel und fächelt sich mit den Ohren Luft zu. Das Schlusslicht ist eine Elefantendame mit extrabreitem Becken. Unwirsch schaut sie sich um, wahrscheinlich sind wir ihr zu nah auf die Pelle gerückt. Und als wolle sie ihrem Unmut Ausdruck verleihen, wendet sie der Blechkiste ihr mächtiges Hinterteil zu – und rums! Kraftvoll fällt ein wohl dreipfündiger Dungbatzen zu Boden.

Wo bio reingeht, kommt bio raus

Wir lassen die Elefanten ziehen. Erstens wollen wir sie nicht provozieren. Zweitens interessieren wir uns für etwas, was die meisten Addo-Besucher links liegen lassen: Elefantendung. Also bringen wir uns in Stellung und beobachten durch das Fenster den kolossalen Misthaufen; Aussteigen darf man in diesem Park nicht.

Frischen Elefanten-Kot wittern die hiesigen Mistkäfer meilenweit, erklärt unser Guide. Angesichts der großen Menge dampfenden Dungs dürften ihnen die langen Fühler schon vor lauter Glück zittern. Es dauert nicht lange, da treffen die ersten ein.

Ganz uneigennützig allerdings stürzen sie sich nicht auf die Notdurft. Elefantenmist ist energie- und nährstoffreich – so wie Nashorn- und Büffelkot auch. Etwa 150 bis 200 Kilogramm Grünfutter verdrückt ein ausgewachsener Elefant am Tag. Und wo bio reingeht, kommt auch bio raus. Das wissen die Pillendreher natürlich auch.

Dung als Brutstätte für den Nachwuchs

Binnen weniger Minuten ist der Elefantenhaufen bestens besucht. Offenkundig haben sich gleich mehrere Käfergattungen auf die dampfende Beute gestürzt. Ohne Rangeleien geht es dabei nicht ab. Als wäre nicht genug für alle da, schubsen sich die Mistkäfer gegenseitig und verteilen Hiebe mit ihren kräftigen Vorderbeinen. Danach kehrt Ruhe ein. Die einen fangen genüsslich an zu fressen, andere drehen aus der Bionahrung Bälle und werden sie in ihre Vorratskammern transportieren.

Der Dung eignet sich sogar als Brutstätte für den Nachwuchs. Die Pillendreherin fertigt zunächst aus frischem Mist einen Brutball – drei- bis viermal so groß wie sie selbst. Dann stellt sie sich auf die Vorderbeine und rollt ihn kopfüber im Rückwärtsgang über sämtliche Hindernisse. Das Männchen folgt ihr dabei unauffällig.

Bei dieser Herkulesarbeit muss sich das Weibchen bisweilen Fressfeinden und Wegelagerern erwehren. Vögeln und Echsen gerät sie ins Visier. Oder einem Kleptocoprids. Diese diebische Mistkäferspezies jagt dem Pillendreher die Mistkugel ab, um sie für die eigene Brut zu verwenden. Ganz schön fies.

Mit Glück wurde der Mist erfolgreich verteidigt und in einer unterirdischen Brutkammer vergraben. Was die Käfer danach im Dunkeln treiben, bleibt im Verborgenen. Auf jeden Fall kommt es zur Paarung. Das Ei reift im Brutball zur Larve, und die wiederum frisst sich durch den getrockneten Elefantenmist von innen nach außen. Die verdaute Pflanzennahrung düngt wiederum den Boden. Ein perfektes Recycling-System.

Von unserem Misthaufen ist nach 20 Minuten kaum noch etwas zu sehen. Wie eine Putzkolonne sind die Mistkäfer angerückt und haben die elefantöse Hinterlassenschaft fast komplett beseitigt. Schade eigentlich, dass es in unseren Breiten keine Mistkäfer gibt, die sich für die vielen Hundehaufen in unseren Städten interessieren.

Anti-Baby-Spritzen für Elefanten

Weiter geht es zum Hapoor Dam. Gut 100 Elefanten machen an dieser großen Wasserstelle Wellness, die schroffen Zuurberg Mountains grüßen malerisch am Horizont. Einige sitzen bis zum Hals im Nass und seifen sich mit Schlamm ein. Andere bleiben lieber am Rand und brausen sich mit dem Rüssel ab. Ein großes Happening am Wasserloch! Da wird geplanscht und geprustet, gerüsselt und gesoffen.

Alte Dickhäuter stehen in Gruppen herum, stecken die Köpfe zusammen, als gebe es etwas Wichtiges zu besprechen. Jumbo-Babys tapsen aufgeregt umher und wedeln mit den Ohren. Bei diesem Elefantentreff fällt für Mistkäfer eine Menge ab. Allerdings laufen sie Gefahr, von den tonnenschweren Riesen zertrampelt zu werden.

Während andere Schutzgebiete wie auch der Krüger-Nationalpark über die Elefantendichte klagen und liebend gern einige abschieben würden, sind die Dickhäuter im Addo keine Plage. Allerdings macht man sich auch hier Gedanken über die Gebärfreudigkeit der gefräßigen Riesen. Elefanten können 70 Jahre alt werden und sind bis zum 55. Lebensjahr fruchtbar. Irgendwann gerät also auch der Addo-Nationalpark an seine Grenzen. Der Elefanten-Management-Plan sieht daher eine Geburtenkontrolle vor.

Seit 2012 werden jährlich bis zu 40 Addo-Elefantenkühen Anti-Baby-Spritzen verabreicht, verrät ein Wildhüter. Das Verhütungsmittel liefert übrigens ein anderer Rüsselträger: das Schwein. Der Wirkstoff wird der Hülle entnommen, von der die Eizelle umgeben ist.

Pillendreher haben Vorfahrt

Mistkäfer werden nicht älter als drei Jahre. Ihre Anzahl im Addo-Park ist nicht bekannt, aber da sie hier unter Schutz stehen und da auf den Pisten überall unberührte Elefantenhaufen herumliegen, ist davon auszugehen, dass es ruhig mehr sein könnten.

Die Vorfahrtsschilder für die Pillendreher, die die Parkverwaltung an den Wegen aufgestellt hat, sind also durchaus ernst zu nehmen. Schließlich könnten sich in jedem Dunghaufen Mistkäfer verbergen. Nun wissen wir auch, warum die Fahrer hier Slalom fahren – damit bloß kein Pillendreher unter die Räder kommt.

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von ADAC Reisen. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit.