Kritiker vermuten: Wenn Waschmaschinen, Drucker und andere Produkte vorzeitig kaputtgehen, könnte System dahinterstecken

Elektro- und andere Geräte sind irgendwann verschlissen. So weit, so normal. Aber Produkte, die kurz nach Ablauf der Garantiezeit ihr Leben aushauchen oder deren Ersatzteile bei Reparaturbedürftigkeit annähernd so viel kosten wie ein neues Gerät, lassen den Verdacht aufkommen, dass manche Hersteller die Lebenszeit ihrer Produkte künstlich verkürzen. Fachleute sprechen von einer „geplanten Obsoleszenz“, einem geplanten Verschleiß. Der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Berliner Initiative „Murks? Nein danke!“ haben nun eine Allianz gegründet, um Produkten zu einer längeren Lebensdauer zu verhelfen.

„In Frankreich ist eine Gesetzesinitiative eingeleitet worden, die eine geplante Obsoleszenz verbietet und unter Strafe stellt. Das zeigt doch, dass es sie gibt“, sagt Stefan Schridde. Der Betriebswirt hatte 2012 „Murks? Nein danke“ ins Leben gerufen, um sich für eine nachhaltige Produktqualität stark zu machen. Dazu zählt, dass ein Produkt leicht zu reparieren und mit Ersatzteilen zu versorgen sein sollte. Ansonsten fordert Schridde Warnhinweise zu Produkteigenschaften, die dessen Lebenszeit verkürzen. Zum Beispiel, weil Geräte kaum reparabel sind. „Bauteile im Gehäuse verklebt“ oder „Ersatzteile nur zwei Jahre lang erhältlich“ könnte es dann heißen.

Zusammen mit dem scheidenden DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen fordert Schridde die Bundesregierung auf, gezielt gegen die vorzeitige Alterung von Produkten vorzugehen, auch weil damit nicht nur Verbraucher geschädigt, sondern auch Ressourcen an Material und Energie verschwendet werden. Schridde: „Das neue Elektrogesetz erlaubt es Herstellern, Akkumulatoren und sogar Batterien fest einzubauen. Das muss sich ändern.“ Deren Ausbau sei, wenn überhaupt, nur mit zusätzlichen Kosten möglich.

Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) sagt dazu, dank neuer Batterietechnologien könnten dünnere und leichtere Geräte gebaut werden. „So werden vielfach Lithium-Polymer-Batterien eingesetzt, die nicht mehr in einem festen Gehäuse, sondern in Verbundfolien verbaut werden – mit dem Vorteil, dass die Batterien erheblich leichter sind und in vielen Formen auf das Produktdesign abgestimmt und produziert werden können“, sagt Bitkom-Sprecher Maurice Shahd.

Die „von der Wirtschaft betriebenen Obsoleszenzstrategien“ seien hinlänglich bekannt, betonen dagegen Röscheisen und Schridde, etwa das „Nichtanwenden vorhandener und wirtschaftlich realisierbarer Technologien und Materialien, die eine längere Lebensdauer von Produkten ermöglichen, um so den Absatz durch frühzeitige Ersatzkäufe zu steigern“. Der Verdacht, dass gezielt ein frühzeitiger Verschleiß von Produkten herbeigeführt wird, lasse sich nicht belegen, lautete das Fazit der Stiftung Warentest, die 2013 verschiedene Elektro- und Haushaltsgeräte auf vorzeitiges Altern prüfen ließ. Aber sie kam auch zu dem Schluss: „Im Allgemeinen gilt: Billige Geräte sind oft schneller Schrott als teure. Bei Waschmaschinen unter 550 Euro, Akkubohrern unter 50 Euro oder Staubsaugern unter 80 Euro ist die Gefahr groß, dass die Freude am neuen Gerät nicht lange währt.“ Eine Garantie ist der Preis allerdings nicht. Die Tester listen auch kostspielige Reinfälle auf, wie eine Espressomaschine für 985 Euro.

Der Bericht nennt auch das Beispiel eines 2700 Euro teuren Philips-Fernsehers, der bei mehreren Besitzern nach dreieinhalb Jahren den Dienst versagte. Den Kunden wurde demnach mitgeteilt, dass eine Reparatur nicht möglich ist, weil die Ersatzteile nicht mehr zu haben sind. Technisch hatte das Gerät zuvor überzeugt, war sogar Testsieger. Aber Elektronikgeräte könne sie nicht im Dauertest prüfen, schreibt Stiftung Warentest: „Um die Nutzung eines Fernsehers von sieben Jahren zu simulieren, müsste das Gerät rund anderthalb Jahre im Labor laufen.“

Im Portal www.murks-nein-danke.de sammelt Schridde Beispiele von „Murks“. Enttäuschte Kunden meldeten etwa Handmixer, Geschirrspüler und Gartenstühle, die nach ein bis zwei Jahren versagten oder noch funktionierten, aber Defekte zeigten. Die Hersteller argumentieren häufig mit dem Preisdruck, der sie Billigteile verbauen lässt. Schridde sieht aber auch konstruktiven Vorsatz, wenn etwa wärmeempfindliche Bauteile genau neben der Wärmequelle platziert werden. In TV-Geräten können Kondensatoren unterdimensioniert sein, bei Mixern mechanische Bauteile wie Zahnräder schnell nachgeben, in Waschmaschinen Lager zu wenig belastbar sein. Abgesehen von Erfahrungswerten gibt es kaum systematische Informationen zum Phänomen Obsoleszenz. Deshalb hat das Umweltbundesamt das Öko-Institut und die Universität Bonn mit einer Studie beauftragt, die im Frühjahr 2015 abgeschlossen sein soll. Ende November lud die Hochschule Pforzheim zur ersten Fachtagung zum Thema „Vorzeitiger Verschleiß“ ein. Es kamen rund 150 Teilnehmer. Die Mehrheit forderte eine Mindestlebensdauer für Produkte. Wer an Langlebigkeit interessiert ist, solle eine Chance erhalten, entsprechende Geräte zu bevorzugen, forderte der Gastgeber der Tagung, Tobias Brönneke, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Pforzheim: „Die Haltbarkeit von Produkten muss genauso angegeben werden, wie das Mindesthaltbarkeitsdatum bei Lebensmitteln.“

Hersteller dürfen Akkus fest einbauen. Das muss sich ändern.