In der Mobilfunkbranche werden die Karten neu gemischt. Mobilfunkkonzerne, Gerätehersteller und große Diensteanbieter bringen sich auf der Branchenmesse Mobile World Congress in Barcelona in Position und ringen um die Geschäftsmodelle der Zukunft.

Barcelona. "Die Branche steht vor einem fundamentalen Wandel. Die Menschen wollen Anwendungen vom Festnetz auch auf ihrem Handy nutzen", sagte E-Plus-Chef Thorsten Dirks am Dienstag auf der Messe. Dabei verwischen die klassischen Grenzen: Nokia will sich nicht mehr nur aufs Bauen von Mobiltelefonen beschränken, Google bastelt an einem Betriebssystem für Handys und Vodafone hofft auf sprudelnde Umsätze mit eigenen Musik- und Bilder-Angeboten. Dabei geht es nicht nur um zahlungskräftige Kunden, sondern auch um lukrative Werbeeinnahmen im mobilen Internet.

"Netzgeschwindigkeiten, Endgeräte und Services verbessern sich ständig. Sie werden künftig viel mehr auf ihrem Handy erledigen können als am PC", sagte Vodafone-Chef Arun Sarin. Allein mit dem Verkauf von Verträgen sei es für die Mobilfunker daher nicht mehr getan. Sie müssten zunehmend selbst Inhalte für die Nutzer anbieten. T-Mobile-Chef Hamid Akhavan kündigte in Barcelona die Zusammenarbeit mit dem Internet-Konzern Yahoo! an. Yahoo! soll eine Technologie liefern, bei der relevante Ergebnisse der Online-Suche direkt angezeigt werden und nicht erst als Links. Handy-Nutzer wollten die Informationen auf den kleinen Bildschirmen möglichst kompakt und ohne Umwege sehen, argumentierte Yahoo!-Manager Marco Boerries. Der Dienst bei T-Mobile soll Ende März starten.

Bis Ende des Jahres will T-Mobile außerdem den Zugang zu den Instant-Messengern von Windows Live, ICQ, AOL und Yahoo! anbieten. Darüber hinaus soll T-Mobiles "web'n'walk"-Portal durch Kooperationen mit Diensten wie YouTube, MySpace oder Flickr ausgebaut werden. Einen Rückschlag musste T-Mobile aber in den USA hinnehmen. Statt T-Mobile USA wird künftig der Konkurrent AT&T die Filialen der Kaffeekette Starbucks in den USA mit WLAN-Verbindungen versorgen.

Auch der weltgrößte Handy-Hersteller Nokia sieht sich nach neuen Einnahmequellen um und will daher im Revier der Netzanbieter wildern. Mit dem Portal Ovi (Deutsch: Tür) will Nokia vom zweiten Quartal an unter anderem Musik, Spiele, Navigations-Dienste anbieten. Nokia hofft dabei vor allem auf seine Marktmacht. Zuletzt lag der Marktanteil der Finnen bei rund 40 Prozent. "Dank unserer Größe können wir mit einer Geschäftsentscheidung eine Funktion gleich auf hunderte Millionen Handys bringen. Die Frage ist dann, ob die Menschen das alles auch tatsächlich nutzen", sagte der zuständige Nokia-Bereichschef Niklas Savander.

Bei einigen Mobilfunkanbietern löst dieser Vorstoß Unbehagen aus. T-Mobile-Chef Akhavan kritisierte, Nokia dringe in das Geschäft der Netzbetreiber ein. Gelassener gab sich dagegen Vodafone-Chef Sarin. "Wir haben da eine sehr pragmatische Sicht auf die Dinge", sagte er. Mehr Auswahl für die Kunden belebe das Geschäft. "Wir haben eigene Produkte, an denen wir ständig arbeiten. Es gibt sicherlich einige Kunden, die zu Ovi greifen. Aber es wird keine Probleme geben, solange der Verbraucher die Wahl hat." Nokia werde die eigenen Dienste schließlich nur parallel zu denen von Vodafone anbieten.

Noch in den Kinderschuhen steckt dagegen das Thema Werbung. Es sei noch nicht klar, wie die Menschen darauf reagieren, sagte Nokia-Manager Savander. So hätten Erhebungen gezeigt, dass sich die Nutzer von Werbung auf dem Handy schneller gestört fühlten als am PC. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns, damit Werbung zu nützlicher Information wird: Wenn ich hungrig bin, will ich keine Autowerbung sehen." Auch der Internet-Riese Google will sich Zeit lassen. Zum Start des von Google initiierten Handy-Betriebssystems Android im zweiten Halbjahr dieses Jahres werde es noch keine speziellen Werbe-Angebote geben, sagte Google-Manager Rich Miner. "Wir haben keine Eile. Wichtig ist, zunächst einmal eine gute Plattform auf den Markt zu bringen." Letztendlich werde Handy-Werbung aber kommen.

Der Netzausbau dürfte angesichts der anschwellenden Flut von Daten und Diensten in den kommenden Jahren weitergehen. Die Telekomausrüster Alcatel-Lucent und NEC gaben in Barcelona bekannt, gemeinsam die mobile Infrastruktur der nächsten Generation auf den Markt bringen zu wollen. Erste Systeme aus gemeinsamer Entwicklung sollen im Jahr 2009 installiert werden. Die Technik der sogenannten vierten Generation soll auf die UMTS-Netze folgen. Sie soll Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 100 MBit pro Sekunde ermöglichen. Zum Vergleich: Weit verbreitete DSL-Leitungen arbeiten heute mit 1 bis 16 MBit pro Sekunde. Marktforscher rechnen für das Jahr 2015 mit mehr als 400 Millionen Nutzern der neuen Netze.