Berlin/San Jose (dpa/tmn). Samsungs neue Galaxy-S24-Geräte werden als KI-Smartphones vermarktet und sollen den Alltag mit vielen generativen Funktionen erleichtern. Manches davon klappt gut, anderes sorgt für Frust. Ein Test.

Kantiges Design, Titanrahmen, schneller Chip, neue Kamera und ein großer Akku - die Eckdaten von Samsungs neuem Spitzen-Smartphone Galaxy S24 Ultra sind erwartbar beeindruckend. Doch sowohl beim S24 Ultra als auch beim S24 und S24+ stellen die Koreaner nicht nur die üblichen Hardware-Verbesserungen in den Vordergrund.

Vor allem eine ganze Reihe von KI-Helfern und -Funktionen sollen die neuen Smartphones auszeichnen. Nicht weniger als „die Ära der KI“ soll mit der S24-Reihe beginnen, verkündet Samsung. Zeit also für einen Blick auf die wichtigsten Features. Ist das schon benutzbar oder noch Spielerei?

Ein Assistent für Anrufe in Fremdsprachen

Anrufe in anderen Sprachen? Kein Problem mit einem S24. Kontakt anrufen, Anrufassistenten starten, gewünschte Sprache einstellen und schon übersetzt die KI gesprochenes Wort in die Zielsprache. Klingt dann irgendwie doch etwas kompliziert? Ist es auch. Nach einer etwas frickeligen Einrichtung übersetzt die KI drauflos - mit spürbarer Verzögerung und sehr künstlicher Aussprache. Das lässt im Test leichte Frustration aufkommen, zumal meist nur die Hauptsätze fehlerfrei übersetzt werden und die Übersetzung auch gerne mal völlig daneben liegt.

Klappt mal gut, geht mal schief: Anrufe mit dem Anrufassistent
Klappt mal gut, geht mal schief: Anrufe mit dem Anrufassistent © Christin Klose/dpa-tmn/dpa

Wirklich tiefgehende Gespräche in einer nicht beherrschten Sprache sind so (noch) nicht möglich. Die Funktion ist aber durchaus praktisch - etwa um ein Taxi zu bestellen, einen Tisch zu reservieren oder um die Maschinenansagen von fremdsprachigen Servicetelefonnummern zu verstehen. Höfliche Nutzer kündigen das Einschalten der KI-Übersetzung besser an, sonst könnte die Maschinenstimme Angerufene leicht verstören. Und man ist auf die Geduld der Menschen am anderen Ende der Leitung angewiesen.

Mensch spricht, Galaxy schreibt

Wer ein Google Pixel sein Eigen nennt, kennt das seit 2018, jetzt kann es auch Samsung: Sprachaufnahmen in Text umwandeln. Wie auf den Google-Smartphones findet die Umwandlung von Sprache in Text rein auf dem Telefon statt. Samsung ist dieser Umstand so wichtig, dass explizit darauf hingewiesen wird. Der Test zeigt: Das klappt.

Praktisch: Die S24 können Tonaufnahmen in Text umwandeln.
Praktisch: Die S24 können Tonaufnahmen in Text umwandeln. © Christin Klose/dpa-tmn/dpa

Aufnahme starten, laufen lassen und nach Abschluss wird per Fingertipp transkribiert. Klappt für Gesprächsnotizen auf Deutsch ziemlich gut, es werden auch einzelne Sprecher erkannt und mit verschiedenen Farben gekennzeichnet. Die Transkripte sind bei Normalsprechern überwiegend fehlerfrei. In lauten Umgebungen oder mit Dialekt kommt es auch mal zu Patzern.

Hey Samsung: Das ist mir zu lang, fasse mal zusammen

Es ist tatsächlich eine große Kunst, einen Text kurz und prägnant zusammenzufassen. Das muss man lange üben - oder nicht? Samsungs KI kann auch Zusammenfassungen von Texten liefern, zum Beispiel (siehe oben) von transkribierten Gesprächsnotizen. Oder man lässt sich das Wichtigste aus einem Wikipedia- oder Nachrichtenartikel herausfiltern.

Das klappt wider Erwarten ganz akzeptabel, mit einer Einschränkung. Zu Erkenntnissen - auch denen aus dem Text - kommt die KI nicht. Fakten zusammenfassen und gliedern funktioniert zwar. Aber Menschen können deutlich besser erörtern und interpretieren, vor allem auch, wenn sie in solchen Dingen geschult oder trainiert sind.

Bilder per KI verändern: Die Geschichte von den zwei Türmen

Ein Mensch läuft durchs Bild? Eine Straßenlaterne stört im Vordergrund, der Baum steht besser am Rand? Mit generativer KI ist das alles kein Problem mehr - sagt Samsung. Und tatsächlich: Wer im Bearbeitungsmenü der Galerie das blaue KI-Symbol findet, kann Objekte verschieben oder löschen.

Oma und Enkel aus der Landschaft herauslöschen: Klappt. Die KI ersetzt sogar fehlende Teiles eines Geländers im Hintergrund und füllt die Lücke im Busch auf. Wow! Auch die vor einem Gebäude hängende Ampel, ein kleiner Poller auf dem Parkplatz oder ein in den Himmel ragender Laternenmast verschwinden spurlos.

Allerdings ist es auch nicht schwer, die KI an ihre Grenzen zu bringen. Das passiert, wenn die zu löschenden Objekte größer werden - und der Hintergrund, den die Software sich ausdenken muss, komplexer. Beim Versuch, eine Parkuhr vor einem Auto zu entfernen, bleibt zunächst der Pfahl stehen. Im zweiten Anlauf ist er weg - aber die Software erfand ein Autokennzeichen, das mehr wie ein Strichcode aussieht.

So sieht doch kein Bus aus, oder?
So sieht doch kein Bus aus, oder? © Andrej Sokolow/dpa-tmn/dpa

Beim Entfernen eines Toilettenhäuschens an einer Kreuzung verlängert die KI einige Äste ziemlich clever zu zwei Bäumen und lässt auch ein Gebäude weitergehen. Die Software versteht, dass eine Bushälfte fehlt, das von ihr erdachte Fahrzeugteil sieht aber etwas angeknabbert aus. Und beim Versuch, ein Auto vor einem Parkhaus zu verschieben, klebt die KI durch eine Fehlinterpretation des Umfelds auf den freien Platz eine überflüssige Fahrzeugfront ein.

Nächstes Bild: Das Cosmopolitan Hotel und Casino in Las Vegas. Der hintere Turm soll aus dem Bild entfernt werden. Also markieren, entfernen, die KI rechnet und tauscht den Turm aus - gegen einen anderen Turm. Was soll das denn?

Mensch soll weg, aber warum verschwindet er nicht?
Mensch soll weg, aber warum verschwindet er nicht? © Christin Klose/dpa-tmn/dpa

Auch im nächsten Versuch - ein vorbeilaufender Mensch soll vor Berlins ältester Feuerwache weggelöscht werden - baut die KI lieber eine schwarze Säule ein. Das ist noch nicht ganz marktreif, die teils fummelige Bedienung des Bild-Editors nervt.

Circle to Search: Kreis drum malen, mehr erfahren

Eigentlich keine Samsung, sondern eine Google-Funktion - aber auf dem S24 sehr schön integriert. Egal ob auf Fotos, in einer App, im Netz: Man drückt kurz am unteren Bildschirmrand und Circle to Search (Umkreisen zum Suchen) wird gestartet. Dann malt man mit dem Finger oder dem Stift des S24 Ultra einen Kreis oder Umriss um den gewünschten Gegenstand und erhält ein Suchergebnis.

So sieht also ein Eichelhäher aus! Danke Samsung und Google.
So sieht also ein Eichelhäher aus! Danke Samsung und Google. © Christin Klose/dpa-tmn/dpa

Wir fanden so heraus: Das Rettungsboot heißt Hans Hackmack, der Vogel ist ein Eichelhäher und die Schuhe könnten alles zwischen 70 und 270 Euro kosten. Einkringeln und Suchen baut sich im Alltag schnell ins normale Nutzungsverhalten ein und ist nach kurzer Zeit kaum noch wegzudenken.

Ist das jetzt der große KI-Durchbruch?

Samsung will Telefone verkaufen und daher wird das Galaxy S24 als das KI-Smartphone beworben. Und ja, es stecken einige praktische Funktionen drin. Die generative KI in der Bildbearbeitung bringt neben viel Quatsch zum Teil schon beeindruckende Ergebnisse. Die Anrufassistenz ist praktisch und zumindest ein guter Anfang. Texte aus aufgenommenen Unterhaltungen machen - das haben sich viele Samsung-Nutzer seit Jahren gewünscht. Allerdings gibt es viele der Funktionen auch schon an anderen Stellen - als Googlefunktionen oder in anderen Apps. Ist das schlimm? Nein.

Mit den S24 erzählt Samsung die Geschichte der Galaxys behutsam im etwas neuen Design weiter, packt neuere Hardware rein und setzt verstärkt auf softe Funktionen unter der Haube. Mit sieben Jahren versprochenen Updates für Betriebssystem und Sicherheit gibt auch noch reichlich Chancen auf Nachbesserungen bei der Software.