Pro Jahr macht das in Kalifornien ansässige Unternehmen YouTube eine Milliarde Euro Gewinn. Nicht schlecht für ein Portal, das vor genau zehn Jahren online ging.

Es gibt in Deutschland viele Menschen, sehr viele, die gerne Computerspiele spielen. Und sie schauen auch anderen „Gamern“, wie sie sich nennen, gerne dabei zu, wie die spielen. Deshalb ist der User „Gronkh“ Deutschlands YouTube-King: Knapp dreieinhalb Millionen Menschen haben seinen Channel abonniert. Damit liegt er in der inoffiziellen Tabelle der YouTuber ungefähr eine halbe Million Punkte vor „Ytitty“. „Ytitty“ ist der Bühnenname dreier junger Männer aus Köln, die sich seit einigen Jahren aufs Parodieren – meistens von Popkünstlern – spezialisiert haben und damit regelmäßig drei Millionen Fans beliefern.

Andere YouTuber mit regelmäßigen Videobeiträgen tragen Namen wie „DieAussenseiter“ oder „Kontor“ – erstere sind ein Komiker-Duo, letztere ein Dancemusik-Label aus Hamburg. Ihre selbstproduzierten Videoclips aus Wohnzimmern oder aufwendig gefertigten Musikvideos werden auf Youtube millionenfach geklickt. Ihnen vorgeschaltet sind häufig Werbevideos: Pro Jahr macht das in Kalifornien ansässige Unternehmen eine Milliarde Euro Gewinn. Nicht schlecht für ein Portal, das vor genau zehn Jahren online ging.

YouTube ist die große virtuelle Jukebox des Planeten: Hier gibt es buchstäblich fast alles zu sehen. Computerspiel-Vorstellungen, Beauty-Sendungen, Musik-Blogs, Spaßmacher-Portale. Viele der „Videokünstler“, wie YouTube seine Hunderttausende Programmgestalter und Uploader nennt, leben durch YouTube in der Öffentlichkeit ihr Unterhaltungstalent aus – manche können wirklich etwas, andere bilden sich das nur ein. Qualität ist nicht unbedingt eine Kategorie, wenn es um meist preiswert in Szene gesetzte Auftritte geht. Mit der prinzipiellen Offenheit für Selbstdarsteller und Bewegtbild-Enthusiasten aller Art ist YouTube nicht nur zum Spielplatz der Internet-Generation, sondern auch zum Wirtschaftsmodell geworden. Gerade auch für die Video-Ersteller selbst.

2006 kaufte Google das schnell wachsende Clip-Portal


Laut YouTube sind es es weltweit mittlerweile eine Million Nutzer, die mit ihren Videos Geld verdienen. Pro Minute werden derzeit 100 Stunden Videomaterial hochgeladen. Auf YouTube finden sich nicht nur selbst gemachte Comedy-Sendungen, sondern auch Ausschnitte aus dem Fernsehprogramm, ganze Filme und Serien, Alltagsschnipsel, Amateuraufnahmen. Auf YouTube werden Anleitungen geklickt, wie man „Billy“ zusammengebaut, das Regal aus dem großen Möbelhaus. Es werden die unvermeidlichen Katzenvideos geklickt und die Aufnahmen von den eigenen Kindern. Seit 2007 steht ein knapp 60 Sekunden langes Video auf YouTube, das ein Baby zeigt, das seinen älteren Bruder in den Finger beißt. Die Sequenz wurde bis heute fast eine Milliarde Mal angeschaut.

Der meistgeklickte Clip aller Zeiten ist das Musikvideo von „Gangnam Style“ (mehr als zwei Milliarden Mal), wie überhaupt der musikbezogene Inhalt alles andere hinter sich lässt. YouTube hat maßgeblich zum Ende des Musikfernsehens beigetragen und ist zur neuen Plattform für Bands aufgestiegen, die durch YouTube manchmal überhaupt erst einen Plattenvertrag erhalten. In Deutschland ficht die Gema seit Jahren einen Urheberrechtsstreit mit YouTube aus, dessen Deutschland-Zentrale übrigens in der Hamburger City sitzt – bei Google. Zu der Suchmaschine gehört YouTube seit 2006.

Da war YouTube gerade einmal zwei Jahre alt und brachte seinen drei Erfindern 1,3 Milliarden Euro in Aktien. Einer von ihnen, der 1979 in der damaligen DDR geborene Jawed Karim, war der Protagonist des allerersten und am 14.2.2005 auf YouTube hochgeladenen Filmchens. Die Aufnahme aus dem Zoo in San Diego („Die Elefanten haben wirklich sehr, sehr lange Rüssel“) war die Vorlage aller unbekümmerten Nonsense-Clips, die danach millionenfach kommen sollten.

Auf seine Weise ist YouTube längst zum riesigen alltäglichen und gesellschaftsgeschichtlichen Gefäß geworden. Es archiviert den Zeitgeist, wie er sich in den auf YouTube hochgeladenen Clips darstellt: den Talkshow-Mitschnitten, Sport-Highlights, den professionellen Reportagen, die wie vieles auf YouTube auch im Fernsehen liefen, und den laienhaften Privataufnahmen aus dem Jedermann-Leben, die alle hier reinstellen können. Für Historiker könnte YouTube als hervorragende Quelle dienen, weil es die Fundstücke sammelt, die eine bestimmte Zeit beschreiben. Insofern ist YouTube auch kulturelles Gedächtnis der Menschheit.

Und es ist ein politischer Faktor: Auf YouTube laden Protestler vom Istanbuler Taksim-Platz genauso ihre Videos hoch wie die Terroristen vom Islamischen Staat. YouTube ist die perfekte Plattform für Augenzeugenvideos, zum Beispiel von Flugzeugabstürzen – und damit der digitale Knotenpunkt einer manchmal auch unheimlichen Entwicklung: Gibt es eigentlich irgendetwas, was heutzutage nicht gefilmt wird?

Vor allem aber ist es, nach dem Willen seiner Schöpfer, ein demokratisches Unterfangen: Es gibt keine Redaktion, die über das Programm bestimmt. Das tun all diejenigen, die hochladen. Die Nutzer abonnieren nach Lust und Laune die Kanäle ihrer Favoriten, die Taylor Swift, „ARD Mediathek“ oder „Ytitty“ heißen können – oder sie surfen einfach ziellos durch die Bilderfluten. Ein komplett anarchisches Universum ist YouTube nicht, man muss sich an die Gesetze halten, darf also weder Gewalt oder Extremismus zeigen – und keinen Sex.

Fernsehverbot? Ab jetzt ist die YouTube-Sperre die Devise


Personal braucht YouTube vor allem dafür, um von Usern als anstößig gemeldete Videos zu löschen, und Werbeerlöse zu generieren. Die Reklameclips machen die erfolgreichsten unter den YouTubern mitunter steinreich. Die professionellen unter den You?Tube-Cliperstellern (die meisten von ihnen machen Comedy) lassen sich von darauf spezialisierten Unternehmen vermarkten. Wenn es ums Geschäft geht, gibt es indessen auch oft Streit: Viele YouTube-Stars wie Simon Unge und der oft unterhaltsame LeFloid, der zwei Mal die Woche das Nachrichtengeschehen kommentiert und damit mehr als 250 Millionen Mal geklickt wurde, wehren sich derzeit gegen den Großvermarkter Mediakraft, dem sie wahlweise Knebelverträge oder Überkommerzialisierung vorwerfen.

Für viele der sogenannten Digital Natives, die in die digitale Welt Hineingeborenen, ist YouTube schon längst das neue Fernsehen. Jugend-Zeitschriften wie „Bravo“ berichten mittlerweile auch über YouTube-Stars. Das veränderte Freizeitverhalten der nachrückenden Generationen raubt den TV-Sendern also nicht nur wegen des En-bloc-Serienguckens Zuschauer. Für Eltern heißt das: Das gute, alte Fernsehverbot ist abgeschafft. Ab jetzt ist die YouTube-Sperre das Mittel der Wahl in der Erziehung.

Als monströs-gigantisches Speichermedium tut YouTube für alle möglichen Nutzer Dienst. Viele alte und ältere Filme kann man komplett bei YouTube sehen. Wer das tut, der ist durchaus ein Zuschauer alter Schule, der sich zurücklehnt und unterhalten lässt. Die idealtypischen YouTube-Nutzer gehören dagegen der Generation Klick an. Die Filmchen der beliebtesten YouTube-Künstler und -unterhalter sind meist nicht sonderlich lang.

Wer YouTube, dieses sympathisch wildwüchsige und manchmal überfordernde visuelle Medium liebt, der zappt sich durch die unzähligen Kanäle – er wird immer etwas Neues und Überraschendes finden.