Mit Dragons Dogma wird das Motiv des „freien Willen“ in einem Computerspiel erstmals klug thematisiert. Doch wird das Potenzial auch genutzt?

Eigentlich kann Rika fast alles. Sie ist eine ausgebildete Erzmagierin, hat schon viele Abenteuer überstanden, zahlreiche Gegner niedergerungen und mit ihrem Wissen anderen geholfen. Aber etwas wichtiges fehlt ihr: Der freie Wille. Denn Rika ist eine sogenannte „Vasallin“, ein Wesen, das zwar genauso fühlt wie ein Mensch - aber alleine zu keiner Entscheidung fähig ist. Rika ist dem Helden des Spiels verpflichtet und richtet sich ganz nach seinen Vorstellungen. Der freie Wille - Um genau dieses Motiv dreht sich „Dragon's Dogma“, der jüngste Titel der Spieleschmiede Capcom.

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Die Idee, eine Geschichte rund um ein solches Motiv zu stricken, ist verheißungsvoll: In den meisten Videospielen folgen virtuelle Mitstreiter den Entscheidungen des Spielers blind. Das hat zwar rein technisch seine Vorteile, schadet aber auch der Glaubwürdigkeit der Spielwelt. In Dragon's Dogma wird hingegen versucht diese Tatsache in Form der „Vasallen“ passend ins Spiel zu integrieren. Zusätzlich hält eine innovative Online-Komponente Einzug, die es erlaubt „Vasallen“ anderer Spieler mit in die eigene Gruppe aufzunehmen. Diese unterstützen den Protagonisten im Kampf. Je nach Erfolgsrate kann man diese nach getaner Arbeit bewerten und beschenken. Sobald der eigene Vasall mit einem anderen Spieler auf Reise geht, eignet er sich in der Theorie auch Wissen über bestimmte Aufgaben oder Gegnertypen an.

Das Feature ist aber noch ausbaufähig, da die Vasallen oft nur das Offensichtliche ansprechen oder einfach nicht hilfreich sind. Es macht aber Spaß, sich eine Gruppe aus Spielfiguren zusammenzustellen, bei denen man weiß, dass diese von einem anderen Spieler entworfen wurden. So findet man oft nachgestellte Charaktere aus anderen Medien oder kreative Eigenentwürfe.

Die eigentliche Story von Dragon's Dogma ist hingegen schnell erzählt: Der Hauptcharakter, der ebenso wie der Vasall in einem umfangreichen Editor erstellt werden kann, wird anfangs Zeuge der Rückkehr des titelgebenden Drachens. Als er versucht einzugreifen, wird ihm das Herz entrissen. Überraschenderweise bedeutet das aber nicht den Tod für den Protagonisten. Nein, von nun an ist er vielmehr dazu bestimmt den Drachen aufzuhalten. Die Geschichte entwickelt sich ab diesem Punkt wenig und ist schneller vorbei als ein richtiger Spannungsbogen entstehen kann. Auch die Gespräche und Zwischensequenzen sind recht holprig inszeniert und verbreiten wenig Atmosphäre. Sonderbarerweise bleibt auch der Hauptcharakter während dem ganzen Spiel stumm, was manche Sequenzen sehr unnatürlich wirken lässt.

Dazu kommt noch die fehlende Konsequenz innerhalb des Spiels. Man hat niemals das Gefühl, dass sich die eigenen Aktionen wirklich auf die Spielwelt auswirken. Bricht man beispielsweise aus dem Gefängnis aus, reagieren die Wachen nicht etwa und machen Jagd auf den Flüchtling, sondern lassen ihn unter ihren Blicken aus dem Gefängnis spazieren. Dagegen wird das Voranschreiten des Helden aber gut präsentiert. Mit steigenden Erfahrungspunkten wird man nicht nur mit immer neuen Fähigkeiten sondern auch mit Items belohnt, die deutlich den Fortschritt des eigenen Charakters zeigen. Mit der Zeit werden Rüstung und Waffen immer eindrucksvoller. Aber natürlich muss man sich diese erst verdienen. Dafür erfüllt man Aufgaben, die wenig abwechslungsreich ausfallen und bei denen immer der Kampf und das Reisen im Vordergrund stehen.

Zwar stören die langen Laufwege nach einiger Zeit, aber das wird durch den anfangs großen Entdeckungsdrang wieder wettgemacht. Sobald man sich an der Hauptgeschichte stört, hat man immer die Möglichkeit auf eigene Faust in die Wildnis von Gransys auszubrechen und neue Gegenden zu erkunden. Wer sich unvorbereitet in die Wildnis wagt, muss aber schnell lernen, dass solche Ausflüge ohne entsprechende Vorbereitung tödlich enden. Sowieso ist der Aspekt des Reisens einer der zentralen Punkte des Spiels. Erst einmal sollte man entsprechende Einkäufe an Heilkräutern und sonstigen Hilfsmitteln erledigen sowie sich ausreichend im Gasthaus erholen. Genauso sollte die Route zum Ziel vorher geplant werden, damit man unnötige Auseinandersetzungen mit kleineren Gegnern vermeidet. Und auch die Zeit sollte gut gewählt sein. Denn Dragon's Dogma arbeitet mit einem dynamischen Tag-und Nachtsystem. Sobald die Nacht hereinbricht, machen nicht nur stärkere Gegner die Straßen unsicher, auch die Sicht ist stark eingeschränkt, so dass man leichte Beute der Monster wird.

Und davon gibt es eine große Anzahl. Zwar variiert die Anzahl dieser anfangs zu wenig, aber gerade größere Fabelwesen wie Zyklopen, Greifen oder Hydras machen das Kämpfen in Dragons Dogma zum Highlight. Auf diese kann sich der Spieler unter anderem als Bogenschütze, Krieger oder Magier stürzen. Die Klassen spielen sich alle angenehm anders und bieten jeweils eigene Möglichkeiten im Kampf. Auch die Gegner besitzen individuelle Stärken und Schwächen, die man gezielt ausnutzen kann und die sich teilweise auch an der Mythologie orientieren. Der Hydra müssen genauso wie in der Herakles-Sage erst die Köpfe abgeschlagen und dann der Stumpf abgebrannt werden, damit keine weiteren Köpfe nachwachsen. Diese Verknüpfung sorgt im weiteren Spielverlauf für den einen oder anderen Aha-Moment.

Weiterhin bringt das Kampfsystem auch einige physikalische Elemente mit in den Kampf, die diesen intensiver und glaubwürdiger gestalten. Jede Figur besitzt eine Ausdauerleiste, die sich langsam auffüllt und bestimmt wie viele Aktionen der Spieler ausführen kann. Wer sich übernimmt, steht plötzlich wehrlos im Kampfgetümmel. Dieses ist durch den häufigen Kampf mehrerer Gegner gegen die Heldengruppe wuchtig und entsprechend chaotisch inszeniert, was aber der Atmosphäre nur gut tut. Gegner werden dabei nicht nur durch die Gegend geworfen, in Brand gesetzt oder festgehalten. Man kann entsprechend große Gegner auch frei erklettern, was diese mit entsprechender Gegenwehr quittieren. So entsteht das Gefühl, dass man mit einem lebendigen und starken Wesen kämpft, das sein Leben gnadenlos verteidigt. Denn nicht selten ziehen sich die Auseinandersetzungen über einen längeren Zeitraum. Umso größer ist das Glücksgefühl wenn man einen riesigen Gegner durch taktische Finesse oder puren Kampf zu Fall bringt, den Kampf innerlich noch einmal kurz Revue passieren lässt und sich letztendlich die verdiente Beute aneignet.

Der größte Vorwurf den man Dragon's Dogma machen kann, ist, dass es sein Potential nicht nutzt. Die Story ist nach aktuellen Maßstäben erschreckend schwach und auch der Entdeckerdrang verfliegt nach einiger Zeit, wenn sich herausstellt, dass es gar nicht so viele einzigartige Orte zu erkunden gibt. Dafür kann das Spiel nach dem eigentlichen Ende der Geschichte noch mit einer besonderen Örtlichkeit punkten, welche aber jeder Spieler für sich selbst entdecken sollte. Festzuhalten bleibt, dass allein das Kampfsystem so stark ist, dass es für den Spieler die Hauptmotivation darstellt, diesen Titel zu spielen und auch nach Stunden noch spaßig bleibt. Man darf hoffen, dass die Entwickler für den bereits angekündigten zweiten Teil dazugelernt haben.