Wichtig: Die richtige Mehlsorte, der geübte Fingerdruck des Bäckers – und Zeit. Marlies Fischer über die ursprünglichen Pizza-Zutaten.

Der Neapolitaner Raffaele Esposito war der Legende nach der Erste, der einen Teigfladen mit roten Tomaten, weißem Mozzarella und grünem Basilikum – den italienischen Trikolore-Farben – belegte. Dieses Backwerk servierte er seiner Königin Margherita, der Gattin König Umbertos I. Das war im Jahr 1889 – die Geburtsstunde jener Pizza, die heute weltweit am meisten verbreitet ist.

Die erste Pizzeria in Deutschland eröffnete der Italiener Nicolino di Camillo 1952 in Würzburg. Seither hat sich die Pizza stark gewandelt. Die ungewöhnlichsten Beläge finden sich heute darauf: Würstchen oder Hackfleischsauce, Ananas oder Spiegeleier, sogar Nudeln oder Kartoffeln. Wer’s mag ... Auch der Teig ist häufig nicht mehr das, was er einst war.

Für Vincenzo Cirino indes ist die ursprüngliche Margherita die einzig wahre Pizza. Der 36-jährige Sizilianer arbeitet auf dem Kreuzfahrtschiff „Costa Luminosa“ am Backofen. „Das Besondere an unserer Ware ist die natürliche Hefe, die hier an Bord in einem Spontanhefe-Generator hergestellt wird“, sagt Cirino. Dieser lebendige Organismus sowie Wasser, Salz, Olivenöl und natürlich Mehl sind die Zutaten für den Teig. Er ist reich an Omega-3-Fettsäuren und gesundheitsfördernden Polyphenolen. Das Mehl kommt aus ausgewählten italienischen Mühlen in Apulien und Piacenza, die Universität der Gastronomischen Wissenschaften in Pollenzo nahe der italienischen Trüffelstadt Alba hat die Reederei in Sachen Pizza beraten.

Vincenzo Cirino stellt die Teigklopse her und lässt sie zwölf bis 24 Stunden im Kühlschrank ruhen. „Alle Zutaten reagieren miteinander und brauchen dafür ausreichend Zeit“, sagt der Fachmann. Eine Stunde vor der Zubereitung knetet Cirino aus einer Kugel einen elastischen Fladen mit erhöhtem Rand. Sanfter Druck mit den Händen, immer wieder den Teig drehen und wenden, ziehen und recken. Jede Fingerübung sitzt dank jahrelanger Erfahrung. Und ist doch das individuelle Geheimnis eines jeden Pizzabäckers.

Vincenzo Cirino
Vincenzo Cirino © Marlies Fischer | Marlies Fischer

Für die Tomatensauce werden San-Marzano-Tomaten aus der Dose mit der Hand zerquetscht, die Flüssigkeit wird abgeschmeckt und auf dem Teig verteilt. Büffelmozzarella kommt in Klecksen dazu, dann wandert die Pizza für fünf bis sechs Minuten bei 310 Grad in den Gasofen. Fluffiger dünner Teig, ein knuspriger Rand, fruchtige Sauce, zarter Mozzarella, frischer Basilikum zum Schluss aufgelegt – ein Genuss!

Je mehr Kleber-Eiweiße (Glutene) im Mehl enthalten sind, desto elastischer wird der Teig und zieht sich beim Ausrollen nicht immer wieder zusammen. Den höchsten Kleber-Eiweiß-Anteil hat die italienische Weizenmehlsorte Tipo 00, die in Deutschland der Sorte Type 405 entspricht. Allerdings enthält die italienische Variante wesentlich mehr Glutene. Auch mit Dinkelmehl Type 639 wird der Pizza-Teig elastisch und kross.

In Italien gibt es in verschiedenen Regionen übrigens auch noch die Urform der Pizza. Focaccia heißt das Backwerk aus den Grundzutaten Mehl, Wasser, Hefe und Salz in Ligurien, Piadina in der Emilia-Romagna, Schiacciata in der Toskana, Crescia in Umbrien.

Zwei Sorten italienisches Mehl, Hefe, Salz, Olivenöl, Wasser und noch etwas, das unter das Betriebsgeheimnis fällt, sind die Basis der Pizza auch im Eisenstein. Seit 28 Jahren ist das Restaurant in Ottensen berühmt für die fantasievollen Teigfladen. Flach, glatt mit dünnem Rand, gebacken bei 380 Grad im mit Buchenholz befeuerten Ofen und belegt mit Qualitäts-Zutaten. „Unsere Pizza ist handgemacht aus Naturprodukten“, sagt Eisenstein-Inhaber Michael Schlie. „Deshalb gleicht keine der anderen.“ Vier Bäcker kneten Teig, wirbeln die Platten durch die Luft, belegen sie und backen sie vier bis sechs Minuten lang. Mehrere Hundert Pizzen werden pro Tag in dem Lokal serviert, 15 Variationen stehen auf der Karte. Langzeit-Renner ist die Sorte „Helsinki“ mit Tomatensauce, Käse, Graved Lachs, Creme fraîche und Zwiebeln.

Und wer lieber zu Hause auf der Couch den Hunger stillt und dabei die Lieblingsserie im Fernsehen guckt? Der lässt sich die Ware vom Schnellservice bringen. Oder er legt eine von ungefähr 800 Millionen Tiefkühlpizzen, die die Deutschen jährlich verzehren, in den Backofen. Vom Wahren, Ursprünglichen der Pizzakunst ist beides heute weit entfernt.