Brennen, Juckreiz: Beschwerden durch Neurodermitis lassen sich gut lindern - leider wird die Krankheit nicht immer richtig behandelt..

Hamburg. Der Umgang mit dieser Krankheit ist geprägt von Missverständnissen. Das beginnt schon mit der Bezeichnung: "Neurodermitis" - dieser Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert. Damals gingen Ärzte davon aus, der sogenannte Hautausschlag sei auf eine Entzündung der Nerven zurückzuführen. Obwohl diese Ansicht längst widerlegt ist, hat sie sich bis heute hartnäckig gehalten - und wohl auch zu dem Mythos beigetragen, es handele sich um eine ausschließlich psychosomatische Erkrankung. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder Eltern in Panik geraten, wenn sie auf dem Kopf ihres Säuglings Milchschorf entdecken, gelblich-braune Krusten, die auf eine Neurodermitis hindeuten können.

"Das Beste, was Eltern dann tun können, ist, die Nerven zu behalten, sich über die tatsächlichen Ursachen und Auslöser der Krankheit zu informieren", sagt Professor Christian Sander, Chefarzt der Abteilung Dermatologie und Allergologie an der Asklepios-Klinik St. Georg. Heilbar sei die Krankheit zwar nicht, aber: "Wir verfügen heute über sehr effektive und verträgliche Medikamente, die zugleich weniger Nebenwirkungen haben."

Statt von Neurodermitis spricht Sander wie die meisten Hautärzte lieber vom "atopischen Ekzem". Diese chronische, nicht ansteckende Entzündung der Haut betrifft in Deutschland etwa drei Millionen Menschen, vor allem Kinder. Damit gehört das atopische Ekzem zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. "Das atopische Ekzem kann allerdings auch im Erwachsenenalter erstmals auftreten, doch auch dann ist es sehr gut behandelbar", sagt Professor Sander.

Woher kommt die Krankheit? Die Ursache liegt in den Genen. Mutationen in bestimmten Genen verursachen eine Störung der Barrierefunktion der Haut, die dadurch empfindlicher auf Umweltreize reagiert. Normalerweise schützen bestimmte Fette in der äußersten Hautschicht (Epidermis) die Haut vor Austrocknung. Atopiker produzieren jedoch nicht genug von diesen Fetten, sodass die Haut zu trocken wird. Die Barriere in der Epidermis soll die Haut nach außen gegen Krankheitserreger wie Bakterien schützen, doch auch diese Funktion ist bei Patienten mit einem atopischen Ekzem eingeschränkt; es kommt schneller zu Infektionen.

Die Haut ist gerötet und juckt - teilweise so stark und penetrant, dass die Betroffenen gar nicht anders können, als zu kratzen, was den Juckreiz oft noch verstärkt. Der Juckreiz entsteht, weil die Haut zu viele Zytokine enthält, spezielle Proteine, die aus dem Blut Immunzellen (Lymphozyten) in die Haut locken, die dort eine Entzündung auslösen. Normalerweise werden die Immunzellen erst angefordert, wenn es darum geht, einen Krankheitserreger abzuwehren; beim atopischen Ekzem treten sie jedoch auch dann in Aktion, wenn harmlose Stoffe auf die Haut treffen, sogenannte Allergene wie Pollen, Hausstaub oder auch Nahrungsmittel.

Dennoch sei in der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild entstanden, sagt Professor Peter Höger, Chefarzt der Abteilung Dermatologie im Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift: "Von den Kindern mit der schwersten Form der Neurodermitis - und das sind etwa fünf Prozent aller Fälle - haben nur etwa 35 Prozent eine Nahrungsmittelallergie. Es gibt viele Patienten, bei denen es auch ohne Allergie zu Entzündungen der Haut kommt." Er betone das deshalb, sagt Höger, weil der Glaube, Neurodermitis sei in erster Linie eine Nahrungsmittelallergie, der es mit Diäten zu begegnen gelte, gefährliche Folgen haben könne. Wenn etwa bei einem Baby eine Allergie gegen Kuhmilch festgestellt werde, dürfe man ein solches Nahrungsmittel noch lange nicht weglassen: "Im ersten Lebensjahr verdreifacht ein Baby sein Gewicht. Das ist ein enormer Wachstumsprozess, für den das Baby eine Vielzahl ganz bestimmter Nährstoffe benötigt. Wenn dieser Bedarf durch eine nicht angezeigte Diät gestört wird, kann es zu gefährlicher Unterernährung kommen."

Professor Christian Sander von der Asklepios-Klinik St. Georg hält ebenfalls wenig davon, sich nur auf Allergene zu konzentrieren: Auch Stress könne Juckreizschübe auslösen. "Ich beobachte bei vielen unserer Patienten, dass sich die Entzündungen der Haut in einer Zeit hoher Belastung verschlimmern. Danach klingen die Entzündungen meistens schnell wieder ab." Das Krankheitsgeschehen sei oftmals komplex, es gelte, auch die Lebensweise des Patienten zu berücksichtigen.

Um herauszufinden, ob ein Patient an einem atopischen Ekzem leidet, fragt der Arzt zunächst, an welcher Stelle die Hautprobleme auftreten, ob der Patient an massivem Juckreiz leidet, wie oft die Schübe kommen und ob auch ein anderes Familienmitglied an dieser Krankheit leidet. Anschließend prüft der Arzt, ob eine Allergie vorliegt. Und er kann per Bluttest feststellen, ob das Immunsystem überempfindlich reagiert.

Die Behandlung ist davon abhängig, welche Faktoren die Ekzeme auslösen und wie es um die Haut des Patienten bestellt ist. Die trockene Haut des Atopikers braucht regelmäßige und intensive Pflege, erläutert Professor Sander: "Wenn die Haut wenig entzündet ist, empfiehlt sich eine fetthaltige Creme. Wenn das atopische Ekzem stärker auftritt, etwa in den Ellenbeugen, kommt für einige Tage eine Cortisonsalbe infrage, danach geht es cortisonfrei weiter. Bei einem Ganzkörperbefall, der häufig mit Bakterien zu tun hat, geben wir kurzzeitig zusätzlich zu Cortison auch Antibiotika.

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