Berlin. Eine neuartige Antibabypille für den Mann kommt ohne Hormone aus. Jetzt wird sie erstmals am Menschen getestet. Wann sie kommen könnte.

Seit den 1960er-Jahren ist bekannt, dass Vitamin A wesentlich an der Bildung von Spermien beteiligt ist. Kommt das Vitamin in den männlichen Hoden nicht an, führt das zu Unfruchtbarkeit. Forscher aus den USA haben daraus einen Ansatz für eine Antibabypille für den Mann entwickelt, die ohne Hormone auskommt. Erste Studien am Menschen sollen in den USA im Juni abgeschlossen sein. Doch ein Sexualmediziner aus Deutschland ist skeptisch.

YCT529 heißt der neue Wirkstoff, der das Thema Verhütung stark beeinflussen könnte. Dieser sogenannte Rezeptor-Agonist sorgt dafür, dass im Hoden, grob ausgedrückt, eine Blockade ausgelöst wird. Vitamin A kann nicht aufgenommen werden, die Produktion von Spermien versiegt.

Prof. Michael Zitzmann, Sexualmediziner vom Uniklinikum in Münster.
Prof. Michael Zitzmann, Sexualmediziner vom Uniklinikum in Münster. © Bertram Solcher/Uniklinik Münster

Im Tierversuch zeigte sich laut Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of Minnesota (USA) eine hohe Wirksamkeit nach vierwöchiger Einnahme. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent konnten die männlichen Mäuse keine Eizelle mehr befruchten. Nach dem Absetzen des Wirkstoffes wurde die Blockade aufgehoben, Vitamin A konnte im Hoden erneut binden und die Spermienproduktion wurde wieder aufgenommen.

Pille für den Mann: Angeblich nur wenige Nebenwirkungen

Erste umfangreichere Ergebnisse zu YCT529 wurden bereits im Mai 2022 auf der 47. Jahreskonferenz der American Society of Andrology in La Jolla (Kalifornien) vorgestellt. Nebenwirkungen soll es in präklinischen Studien nur wenige gegeben haben. Jetzt ist Phase 1 der Studien bei gesunden jungen Männern angelaufen. Im Juni 2024 soll eine placebokontrollierte Untersuchung zu Sicherheit und Verträglichkeit in zwei Gruppen von je acht Probanden abgeschlossen sein.

„Das, was bei Mäusen funktioniert, muss bei Menschen nicht funktionieren “, sagt Prof. Michael Zitzmann. Der Facharzt für Endokrinologie, Diabetologie und Sexualmedizin von der Uniklinik Münster forscht seit Jahren zu Verhütungsmitteln für den Mann und hat auch Studien für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geleitet. Zitzmann hat darüber hinaus Zweifel, ob es wirklich nebenwirkungsfrei oder gesund sei, Vitamin A im Hoden zu unterdrücken. „Es heißt nicht umsonst Vitamin“, sagt er.

Experte aus Münster bleibt skeptisch

Dem Mediziner aus Münster zufolge ist bekannt, dass Menschen mit Vitamin-A-Mangel an Verhornungsstörungen in Darm, Harnröhre oder Auge leiden könnten. „Und diese Schäden, wenn sie auch nach langjähriger Einnahme dieser Pille für den Mann aufträten, wären irreversibel.“ Eine Verhornung von Darm oder Harnröhre könne zu Probleme beim Wasserlassen führen oder den Nährstofftransport aus dem Darm behindern.

Michael Zitzmann rechnet nicht mit einer schnellen Zulassung oder Markteinführung. „Damit ist in den nächsten zehn Jahren nicht zu rechnen“, sagt er. Abgesehen von der Abklärung möglicher Nebenwirkungen müsse zudem noch beweisen werden, „dass mit dieser Pille die Spermien beim Mann verschwinden und auch wiederkommen. Man muss viele weitere Studien machen.“