Hamburg. In der Behandlung von Tumoren setzen Experten immer mehr auf neue Medikamente, mit denen das Wachstum des Krebses gezielt gestoppt werden kann. Jetzt ist Forschern des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) bei Desy in Hamburg-Bahrenfeld eine Entdeckung gelungen, die neue Möglichkeiten für die Entwicklung solcher Medikamente eröffnet. "Mithilfe der Synchrotronstahlung konnten wir als Erste weltweit die dreidimensionale Struktur einer Proteinkinase zusammen mit dem Regulatoreiweiß Calmodulin auflösen", erklärt Dr. Matthias Wilmanns, Leiter des EMBL in Hamburg. Die Ergebnisse, die Wilmanns und seine Kollegen erzielt haben, werden jetzt in der Fachzeitschrift "Science Signaling" (Volume 3 Issue 106 ra6) veröffentlicht.

Proteinkinasen sind Enzyme, die wichtige Funktionen im Stoffwechsel haben und die Signalübertragung innerhalb der Zelle kontrollieren. Etwa 600 davon gibt es im menschlichen Genom. "Das Enzym, das wir jetzt entschlüsseln konnten, ist die ,Death Associated Protein Kinase', kurz DAPK. Sie ist bei einigen Tumoren, insbesondere bei soliden Karzinomen und sogenannten B-Zellen-Lymphomen in erhöhten Konzentrationen nachweisbar. Deswegen wird sie bereits jetzt als Tumormarker eingesetzt, um verborgenen Krebszellen auf die Spur zu kommen", sagt Wilmanns.

Bisher unklar war allerdings, wie genau die Aktivität des Enzyms gesteuert wird. Bekannt war nur, dass die Aktivität von etwa 70 Proteinkinasen durch ein Eiweiß reguliert wird, das die Forscher Calmodulin nennen. "Dadurch, dass wir die Raumstruktur dieser Proteinkinase zusammen mit Calmodulin aufdecken konnten, können wir jetzt das Zusammenspiel dieser beiden Moleküle verfolgen. Daraus versuchen wir auch, Rückschlüsse auf die Funktionsweise anderer Proteinkinasen zu ziehen", erklärt der Molekularbiologe.

Die Proteinkinasen sind die wichtigsten Angriffspunkte für die Entwicklung neuer Medikamente. "Mit der Aufklärung der dreidimensionalen Struktur haben wir an der DAPK neue Bindungsstellen entdeckt, an denen Medikamente andocken können", erklärt Wilmanns.

Um Medikamente zu entwickeln, können Wissenschaftler mithilfe von Datenbanken Moleküle finden, die wie ein Schlüssel in das Schloss an der jeweiligen Bindungsstelle der Proteinkinase passen. Ist das gelungen, beginnt ein langwieriger Prozess. "Denn in mühevoller Kleinarbeit muss das Molekül so verändert werden, dass daraus ein Medikament entsteht. Ziel ist meistens, die Aktivität des Enzyms auszuschalten, und das möglichst so gezielt, dass andere Stoffwechselprozesse von verwandten Enzymen davon nicht beeinträchtigt werden. Auf diese Weise werden wichtige Enzyme blockiert, die für das Wachstum eines Tumors mitverantwortlich sind."