Eine Therapie mit maßgeschneiderter Musik kann auf überraschend einfache und angenehme Weise bereits nach wenigen Monaten bei Tinnitus helfen. Forscher von der Universität Münster haben eine Methode entwickelt, Musik nach dem individuellen Geschmack eines Patienten exakt an dessen Tinnitus anzupassen. Dazu entfernen sie aus den Klängen die Frequenzbereiche, die denen der lästigen Ohrgeräusche entsprechen. Ein halbes Jahr lang regelmäßig genossen, mindert diese Spezialmusik die wahrgenommene Lautstärke des Tinnitus sowie typische Veränderungen der Aktivität in den Gehirnbereichen, die für die Verarbeitung akustischer Reize zuständig sind. Nach einem Jahr ist die Besserung sogar noch deutlicher, berichten die Forscher im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences".

"Diese Ergebnisse legen nahe, dass die Lautstärke eines Tinnitus durch eine unterhaltsame, kostengünstige, maßgeschneiderte Musikbehandlung deutlich verringert werden kann", schreiben Christo Pantev von der Universität Münster und Kollegen. Dies geschehe möglicherweise darüber, dass ungünstige Umstrukturierungen in der Hörrinde, wie sie bei einem Tinnitus charakteristisch auftreten, wieder rückgängig gemacht werden.

Die Forscher hatten die Therapie bei Freiwilligen mit einem chronischen Tinnitus getestet und unterschiedliche Gruppen miteinander verglichen. Dabei erhielten acht Patienten die maßgeschneiderte Spezialmusik. Diese durften sie frei wählen, sie wurde aber individuell so modifiziert, dass die Frequenzen rund um die Ohrgeräusche fehlten. Den Musikgenuss stört diese Modifikation dabei so gut wie gar nicht. Weitere acht Tinnitus-Patienten bekamen eine ähnliche Musikbehandlung. Bei ihnen waren aus der Musik aber Frequenzen entfernt worden, die eben genau nicht rund um die Frequenz ihrer Ohrgeräusche lagen. Die Probanden lauschten den Klängen zwischen sieben und 21 Stunden in der Woche. Sieben andere Patienten dienten als Kontrollgruppe und blieben ohne Behandlung. Die Forscher verglichen empfundene Lautstärke des Tinnitus sowie die Aktivität in der Hörrinde vor, während und nach einer Behandlung von zwölf Monaten.

Bei den Probanden, welche die Spezialmusik genossen hatten, beobachteten die Forscher eine deutliche Linderung der Lautstärke der Ohrgeräusche. Auch die verzerrten Aktivitätsmuster in der Hörrinde verbesserten sich eindeutig. Im Gegensatz dazu stellten sich in den anderen beiden Gruppen keine solch signifikanten Veränderungen ein.

Ein Tinnitus spiegelt sich auch in plastischen Veränderungen im Gehirn wider, die sich aber wieder zurückbilden können. Die Ohrgeräusche können demnach auch als Folge von Reorganisationsprozessen im Hirn verstanden werden. Ein Ton einer bestimmten Frequenz löst gewöhnlich eine Hirnaktivität an einem ganz bestimmten Ort aus. Die Repräsentationen der Frequenzen sind dabei im Gehirn wie auf einer Perlenschnur aufgereiht. Im Frequenzbereich des Tinnitus ist eine deutliche Abweichung der Repräsentation erkennbar - das Muster ist verzerrt. Je stärker ein Patient unter den Ohrgeräuschen leidet, desto deutlicher ist auch diese Abweichung.