Wenn nur 25 bis 30 Prozent des lebenswichtigen Organs erhalten bleiben, regeneriert es sich schon in wenigen Wochen wieder.

An diese Zeit seines Lebens denkt Günter Maletzko nicht gern zurück: Vor zwei Jahren erkrankte der ehemalige NDR-Sportreporter an Darmkrebs. Nach der Operation traten Komplikationen auf, sodass der 71-Jährige lange brauchte, um sich von diesen Strapazen zu erholen. Zudem hatte der Tumor bereits Metastasen in der Leber gebildet. Nachdem deswegen bereits eine Chemotherapie eingeleitet worden war, wandte sich Maletzko an Prof. Björn Nashan im Universitätsklinikum Eppendorf und ließ sich die Lebermetastasen operativ entfernen. "Lebermetastasen beim Darmkrebs können wir in neun von zehn Fällen erfolgreich behandeln", sagt Nashan, Leiter der Klinik für hepatobiliäre Chirurgie im UKE und eines deutschlandweiten Zentrums für die Behandlung von Lebertumoren. Wichtig dafür sei, dass die Leber schon frühzeitig auf solche Tochtergeschwülste untersucht werde und dass die Entscheidung über die richtige Behandlung von einem interdisziplinären Team aller beteiligten Spezialisten, wie Onkologen und Gastroenterologen, getroffen werde.

Die Lebermetastasen können gleichzeitig mit dem Darmkrebs auftreten, aber auch erst ein halbes oder ein Jahr nach der erfolgreichen Entfernung des ursprünglichen Tumors. "Das bedeutet, dass man auch in der Nachsorge der Patienten daran denken und regelmäßig die Leber untersuchen muss, zunächst mit dem Ultraschall, und wenn dort etwas Auffälliges zu sehen ist, mit der Computertomografie", sagt der Chirurg. Damit könne man alle größeren Metastasen erkennen, aber alle, die kleiner sind als zwei Zentimeter, werden nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent gefunden. "Ich sehe sie aber drei oder sechs Monate später, weil sie weiterwachsen. Wenn so ein Tumor 100 Zellen streut, gehen davon zehn an, der Rest zugrunde. Von den zehn, die angehen, wachsen zwei schnell, die anderen acht irgendwann. In einer Operation nehme ich die ersten zwei heraus. Dann muss sich der Körper von dem Eingriff erholen und die Leber muss sich regenerieren. Das macht der Körper, indem er Wachstumsfaktoren ausschüttet. Diese fördern aber nicht nur das Wachstum der Leberzellen, sondern auch der vorhandenen Krebszellen, sodass ich drei bis sechs Monate später die nächsten Lebermetastasen sehe", erklärt Nashan. In solchen Fällen wird nach der ersten OP in Absprache mit dem Onkologen zunächst eine Chemotherapie durchgeführt, dann werden nach vier bis sechs Wochen die restlichen Metastasen entfernt, was in neun von zehn Fällen zur Heilung führt.

Wichtig ist, dass immer genug funktionierendes Lebergewebe übrig bleibt, denn dieses Organ muss im Körper zahlreiche lebenswichtige Aufgaben erfüllen. Es stellt die Energieversorgung sicher und ist dafür zuständig, alle Nährstoffe, die über den Darm aufgenommen werden, zu verwerten oder zu speichern. Außerdem hat die Leber eine Entgiftungsfunktion: Sie muss alle Abfallprodukte des Stoffwechsels so umwandeln, dass diese Substanzen über die Galle oder den Urin ausgeschieden werden können. Darüber hinaus hat sie die Aufgabe, eine ganze Reihe von Substanzen herzustellen, zum Beispiel Gerinnungsfaktoren. Deswegen müssen bei der Behandlung von Lebermetastasen 25 bis 30 Prozent der Leber erhalten bleiben.

Damit das gelingt, greifen die Chirurgen zu einigen Tricks: "Wenn die gesamte Leber befallen ist, nehme ich erst einen Teil der Leber weg und vergrößere dann den verbliebenen Teil. Das erreiche ich dadurch, dass ich den Teil, den ich später entfernen will, stilllege, indem ich einen Hauptast der Pfortader, die Nährstoffe vom Darm in die Leber transportiert, für diese Region verschließe. Der Effekt: Dieser Teil wird sozusagen ausgehungert und immer kleiner, und der Rest der Leber wächst", beschreibt der Leberchirurg Nashan die Vorgehensweise.

Die Leber hat ein erstaunliches Regenerationsvermögen: Wird ein Teil entfernt, schwillt die Leber in den ersten vier bis sechs Wochen nach dem Eingriff an und in den folgenden drei bis vier Monaten teilen und vermehren sich die Leberzellen, bis das Organ wieder Funktionsgröße erreicht. Die Patienten spüren diesen Prozess daran, dass sie schneller erschöpft und müde sind und unter Appetitlosigkeit leiden.

Nichtsdestotrotz sollte man, wann immer möglich, operieren, betont Nashan. Nicht möglich sei ein solcher Eingriff, wenn zu viele Lebermetastasen vorhanden sind oder wenn es zwar nur einige Metastasen sind, die aber dicht an großen Gefäßen liegen. "Dann ist eine Entfernung technisch nicht machbar", sagt Nashan. Wie alle anderen Fälle auch würden diese in der interdisziplinären Lebertumorkonferenz des UKE besprochen und die zuweisenden Kollegen in die Therapie mit eingebunden. Auch unter günstigeren Umständen ist es ein großer Eingriff, der in komplizierten Fällen bis zu sieben, acht Stunden dauern kann und das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt. "Doch wenn alles gut geht, ist ein 40-Jähriger in gutem Allgemeinzustand nach acht Tagen wieder zu Hause. Aber bei einem 82- Jährigen mit einem Herzleiden und einem Diabetes kann es auch drei Wochen dauern, bis er wieder auf den Beinen ist."

Auch Günter Maletzko musste damals wegen zusätzlicher Erkrankungen drei Wochen in der Klinik bleiben und nach einigen Monaten ein zweites Mal operiert werden. Heute, zwei Jahre danach, geht es ihm gut: "Ich kann heute schon wieder zehn Kilometer mit dem Fahrrad fahren."