Hamburg. Grund für diesen Vorschlag sind unsere zunehmend heißen Sommer. Ich versuche es kurzfristig mal mit Waldgeißbart.

Haben wir nur einen extrem heißen und trockenen Sommer, oder ist das schon der Klimawandel? Weil wir, auch im Norden und Osten Deutschlands, auf ein Klima wie in Norditalien zusteuern, sollten die Bauern statt Weizen oder Roggen künftig Olivenbäume anpflanzen. Rät Ernst Rauch. Für ihn ist der Klimawandel keine Glaubens-, sondern eine Versicherungsfrage. Er leitet die Abteilung Klimaforschung bei der Munich Re. Das ist der weltgrößte Rückversicherer, bei dem sich andere Assekuranzen gegen Katastrophen absichern.

Alarmiert von immer höheren Schäden durch Naturkatastrophen hatte der DAX-Konzern bereits 1974 eine eigene Forschungsabteilung für Naturgefahren gegründet. Man brauchte wissenschaftliche Daten für die Risiko-Berechnungen. Seit Jahren kennen die Beiträge nur eine Richtung: nach oben!

Olivenhaine im Norddeutschen, etwa auch in unserem kleinen Mühlenpark? Toskana-Feeling im Wendland? „Das werden wir nicht mehr erleben“, dämpfte ich gleich zu hohe Erwartungen meiner Frau Anke. Klimaforscher Rauch spricht im Berliner „Tagesspiegel“ von „mittelfristig“ und meint damit: in ein paar Jahrzehnten, aber noch in diesem Jahrhundert. Zwar werden die Winter milder, wie auch Rauchs Wetteraufzeichnungen zeigen, wir müssen aber immer mal wieder mit heftigen und späten Nachtfrösten rechnen.

Er kam als Kulturstrauch

Bei minus zehn Grad machen auch Olivenbäumchen schlapp, die uns von der Gartenindustrie als winterhart angepriesen werden. 15 Grad minus überstehen sie kurzfristig im Freiland, wenn man sie mit licht- und luftdurchlässigem Vlies einhüllt. Als Kübelpflanze haben sie im Haus eine Chance. Mit viel Licht und etwas Wasser, bei einer Temperatur von zehn Grad. Plus natürlich.

Mir ist das, offen gestanden, alles zu kompliziert. Ich habe es lieber einfacher – und bin ständig auf der Suche nach Stauden und Gehölzen, die sowohl bei uns übliche Frostgrade abkönnen als auch trockene, heiße Sommer, ohne dass ich dauernd mit der Gießkanne unterwegs sein muss. Einen solchen eher unkomplizierten Gartenhelden habe ich jetzt bei einer Bekannten entdeckt. Es ist der Hohe Waldgeißbart. Die Pflanze mit dem botanischen Namen Aruncus dioicus gibt es in Mitteleuropa zwar seit Menschengedenken, im Norden ist sie allerdings noch nicht so lange heimisch. Sie kam sozusagen als Klima-Migrant erst in den letzten 100 Jahren, in denen sich der Klimawandel in unseren Breitengraden mit einer um ein Grad höheren Jahrestemperatur messbar bemerkbar gemacht hat.

Dabei ist der Waldgeißbart nicht einfach von Süden nach Norden gewandert, sondern er kam als Kulturstrauch. Menschen siedelten die gut eineinhalb Meter groß und breit werdenden Pflanzen in unseren Gärten an, von wo aus sie in Wälder und Parks ausbüxten. „Gartenflüchtling“ nennen das die Botaniker. Wegen ihrer Ähnlichkeit mit Spiräen wurden sie volkstümlich auch unter dem Namen Spierstrauch bekannt – wie auch die Astilben, die ursprünglich aus Japan und China stammen. Während aber Geißbart und Spiräen als Mitglieder der Familie der Rosengewächse weitläufig miteinander verwandt sind, zählen die Astilben zu den Steinbrechgewächsen (Saxifragaceae).

Waldgeißbart übersteht kürzere Trockenperioden

Astilben und Waldgeißbart haben gemeinsam, dass sie sich im Halbschatten und Schatten wohlfühlen. Wobei die Astilben eher einen humosen Boden bevorzugen, Aruncus dioicus aber mit fast jedem Gartenboden zurechtkommt. Der Waldgeißbart gilt zwar nicht gerade als Durstkünstler, übersteht mithilfe seiner tiefgehenden Wurzeln aber auch schon mal kürzere Trockenperioden, versichert unsere Gartenfreundin.

Das hat doch was, finde ich, in Zeiten wie diesen, wo es etwa in unserem Mühlenpark in den letzten zehn Wochen nur zweimal geregnet hat. Beide Male insgesamt nur 15 bis 18 Liter pro ­Quadratmeter. Zum Vergleich: Bei einem ordentlichen Gewitter mit Starkregen liegt die Niederschlagsmenge bei etwa 30 Litern.

Karl Günther Barth
Karl Günther Barth © HA | Klaus Bodig

Drei Standorte habe ich bereits ausgesucht für die Wildform des Waldgeißbarts. Lichtschattige Plätze am Rand einer Fichtengruppe, unter einer Eiche und unter einer Hochstamm-Wildkirsche, direkt neben einem allmählich verrottenden Holzstapel. Meine Art von Insektenhotel. Wenn sie gut anwachsen und im nächsten Jahr im Juni und Juli mit kräftigen weiße Blütenrispen die Schattenbereiche aufhellen, versuche ich vielleicht auch noch eine kleinere Züchtung. Aruncus dioicus „Kneiffii“ wird nur etwa 80 Zentimeter hoch. Die geschlitzten Blätter, die an japanische Ahorne erinnern, färben sich im Herbst rot.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth