Nach den Ulmen und Eschen werden jetzt die Platanen krank. Aber vielleicht hat der Norden Glück, weil es hier mehr regnet und kühler ist

Ist der Baum krank oder einfach nur schlecht durch den Winter gekommen? Abendblatt-Leserin Ellen Hosbach war besorgt um die etwa 150 Jahre alte Platane in ihrem Garten. „Sie hat nur wenige Blätter, eigentlich nur an den Spitzen der Äste. So habe ich diese Baumart noch nie gesehen.“ Zwei Bäume im nahe gelegenen Reemtsma-Park zeigten ähnliche Symptome. Ob das an den Abgasen der riesigen „Beluga“-Luftfrachter liegen könne, die im Anflug auf das Airbus-Werk über die Dächer und Gärten von Othmarschen in niedriger Höhe düsen?

Ich weiß es nicht. Was da aus den Triebwerken kommt, steht wie die Abgase von Autos sicherlich nicht auf Platz eins auf der Liste gesundheitsfördernder Maßnahmen. Aber von kranken Bäumen hatte ich in diesem Zusammenhang noch nie gehört. Aber was heißt das schon? Ich bin weder Umweltforscher noch Pflanzendoktor. Aber sowohl als Gartenfreund als auch als Journalist habe ich eine gesunde Abneigung gegen Ferndiagnosen. Egal ob Psychologen die Seelenlage scheidungswilliger Prominenter in Boulevard-Blättern erörtern, oder ob in Talkshows über die seelische Verfassung von US-Präsident Trump spekuliert wird: Die Liste der wissenschaftlichen Veröffentlichungen dieser Experten ist in der Regel so übersichtlich, wie ihr Geltungsdrang groß ist. Donald Trump macht auch mir Angst – aber ich will politische Antworten auf sein Treiben.

Ich habe Abendblatt-Leserin Ellen Hosbach gebeten, sich an den Fachverband Garten- und Landschaftsbau in Hamburg (Tel. 040/34 09 83) zu wenden. Die wissen, welche Mitgliedsfirmen über entsprechende Experten verfügen – zum Beispiel Baumkontrolleure mit entsprechendem Zertifikat. Die rücken mit einem Hubwagen an, klettern auch in Bäume und nehmen Proben. Baumkon­trolleure gibt es auch in Gartenbauämtern der Hamburger Bezirke, die mittlerweile Fachämter für das „Management des öffentlichen Raumes – Stadtgrün – Unterhaltung“ heißen. Aber Vorsicht. Nix ist heute mehr umsonst: Ein Gutachten der Behörde kostet wie bei den privaten Betrieben Geld. Unter Umständen mehrere Hundert Euro.

Mit etwas Glück hat Ellen Hosbachs alte Pracht-Platane lediglich die Platanenwelke – was gut sein kann aufgrund des Fotos, das sie mir geschickt hat. Das ist eine Pilzkrankheit, die Blätter welken (sic!) lässt, was aber ältere und gesunde Bäume relativ schadlos überstehen. Mit dem zweiten, dem sogenannten Johannestrieb Ende Juni könnte ihre Platane wieder richtig grün werden.

Tatsächlich aber breitet sich bei uns auch die Platanenkrankheit „Massaria“ aus, hervorgerufen durch einen Schlauchpilz namens Splanchnonema platani. Der wurde erstmals 2003 in Süddeutschland nachgewiesen und gilt mittlerweile als in der ganzen Republik verbreitet – auch in Hamburg, wie die Umweltbehörde mir auf Anfrage bestätigte. Nach Ulmen-, Eschen und Buchsbaumsterben jetzt eine neue Pilzinvasion, die unsere Gehölze wegrafft?

Die Krankheit beginnt in den Kronen, lässt die Zweige morsch werden. Später werden auch untere Bereiche befallen, armdicke Äste können ohne Vorwarnung abbrechen. Das lässt – Achtung: Schadenersatzklagen – bei den Gartenbauämtern der Republik die Alarmglocken schrillen. Menschen könnten verletzt, Autos beschädigt werden. Bei der Hamburger Umweltbehörde kann man noch keine Zahlen nennen, geht aber noch von einem „geringen Befall“ unter den rund 10.500 Platanen aus, die auch nur vier Prozent unserer Straßenbäume ausmachten. Wir haben offenbar Glück gehabt, weil es hier viel regnet und es meist kühler ist als in Restdeutschland. Das mag der Pilz überhaupt nicht, besonders nicht in der Wachstumsperiode im Frühjahr. Worüber wir Menschen uns dieses Jahr oft genug beklagt haben, war gut für unsere Platanen. Vorsichtshalber lässt die Umweltbehörde sie erst einmal unter strenge Beobachtung stellen.

Massaria muss auch nicht für den Baum tödlich enden. Zwar gibt es kein Gegengift, aber womöglich reicht ein Auslichten der Krone, um für eine bessere Durchlüftung des Baums zu sorgen. Ende Juni, darauf weist die Umweltbehörde hin, will die Stadt Soest ein entsprechendes Gutachten veröffentlichen, weil sie genau das ausprobiert hat, um Massaria zu stoppen. Aber auch das Auslichten mit Baumkletterern und Hub-wagen wird nicht billig. Städte wie Dortmund oder Düsseldorf rechnen für die Rettung ihrer Platanen mit Folgekosten in Millionenhöhe.

Meine Frau Anke konnte ich jedenfalls beruhigen. Weder haben wir eine Platane in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland, noch kann die Krankheit auf andere Bäume übertragen werden.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth