Nicht das Gelbe auf dem Teppich: Besondere Züchtungen hinterlassen keine Flecken im Haus, für Insekten bedeuten sie schlicht Nahrungsentzug

Gärtner und Kolumnisten haben eines gemeinsam. Sie klagen gern. Der Gärtner, darin ist er dem Bauern nicht unähnlich, oft auch über das Wetter. Das kann eigentlich nie richtig sein. Mal ist es zu trocken, dann zu feucht; mal zu heiß, dann zu kalt. Der unvergessene Hellmuth Karasek war ja nicht nur hauptberuflich Literatur-Papst und Bestseller-Autor, sondern auch ein Großmeister des Kolumnisten-Wesens. „Furchtbar“, klagte er mir gegenüber mal über die Mühen des leichten Schreibens, „jede Woche musst du ein Thema finden. Und lustig soll es auch noch sein.“ Damals war ich noch hauptberuflich als politischer Journalist unterwegs. Ich schrieb Kommentare und Leitartikel – und musste mich um den Nachschub an Themen nicht sorgen. Den lieferte die Politik sozusagen „frei Haus“.

„Und“, fragte ich mal als frischgebackener Garten-Kolumnist den verehrten Altmeister des Genres, „was ist, wenn Ihnen mal nichts einfällt?“ Hellmuth Karasek überlegte nicht lange. Dann gelte der erste Grundsatz der journalistischen Metaphysik: „Der liebe Gott lässt einen guten Reporter nie im Stich.“

Es muss ja nicht gleich der liebe Gott sein. Manchmal reicht ein neugieriger Leser. Am Montag, ich hatte noch nicht einmal über ein Thema nachgedacht, fragte Abendblatt-Leser Siegward Klitzke aus Ammersbek in einer Mail: „Warum gibt es pollenfreie Sonnenblumen, obwohl doch die Bienen auf Pollen angewiesen sind? Werden die Sonnenblumen extra so gezüchtet?“

Ich wusste weder das eine noch das andere. Denn als Gärtner bin ich Amateur, vielleicht begabt, auf jeden Fall mit Begeisterung. Aber kein studierter Botaniker. Doch ausgerechnet die Sonnenblume, das Symbol der Grünen, womöglich ein Opfer von Züchterwahn, von Gen-Manipulation oder des land­wirtschaftlich-industriellen Komplexes? Was sagt Frau Künast dazu, schließlich war sie mal Ministerin für das Agrarwesen und auch den Tierschutz?

Gefunden habe ich dazu von der Grünen-Politikerin nix. Das will nicht viel heißen. Auch ich hatte bislang nichts von pollenlosen Sonnenblumen gehört. Als Gärtner wusste ich lediglich, dass es etliche Ziersorten von Helianthus annuus gab. Sie stammen alle von der Wildart ab, die spanische Eroberer um 1550 aus Südamerika nach Europa gebracht hatten. Es gibt Minis, die nur knapp einen halben Meter groß werden, und wahre Riesen wie die Sorte „King Kong“, die bis zu fünf Meter Höhe schafft. Es gibt Sonnenblumen nicht nur in Gelb, sondern auch in Rot- und Orangetönen. Und verschiedene Sorten von Nutzpflanzen, um aus den Kernen das gesunde Sonnenblumenöl zu pressen. Schmeckt lecker in Salaten und bekommt einem nicht so gut, wenn man es zum Braten oder Frittieren benutzt.

Als eifriger Leser von Katalogen hätte mir aber schon auffallen können, dass Saatgut für pollenlose Sonnenblumen von der Garten-Industrie eifrig angepriesen wird. Weil die Pflanzen, wenn sie als Schnittblumen in unseren Wohnungen auftauchen, keine klebrigen Pollen mehr streuen, wodurch Tischdecken, Möbel und Teppiche sauber bleiben. Die Flecken, sagt meine Frau Anke, gehen auch echt schlecht wieder raus.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Etwa für Bienen und Hummeln. Für die Insekten sind Pollen wegen der wertvollen Proteine sozusagen eine Art Grundnahrungsmittel. Da werden sie vom leuchtenden Gelb der Sonnenblumen, deren Farben-Intensität ja auch Maler wie van Gogh und Monet fasziniert hatte, wie magisch angezogen – und müssen sich dann arglistig getäuscht vorkommen. Nix da auf den prächtigen Blütentellern mit Proteinrausch. Eine doppelte Mogelpackung, weil auch die Nektarproduktion bei den neuen Züchtungen gleich mit gedrosselt wurde. Damit die Pflanze alle Kraft auf die Herstellung von Öl in den Sonnenblumenkernen konzentrieren kann.

Nun tragen ein paar pollenlose Sonnenblumen in unseren Gärten nicht gleich entscheidend zum seit Jahren beobachteten Bienensterben bei – so wenig wie Rosen oder Stauden mit gefüllten Blüten, wo Bienen und Hummeln auch keinen Nektar saugen können. Das Bienensterben hat wesentlich mit dem massenweisen Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu tun. Imkermeister Günter Friedmann aus Küpfendorf auf der Schwäbischen Alb hat beobachtet, dass Bienenvölker nach der „Tracht“ auf Feldern mit pollenlosen Sonnenblumen Hunger litten und krank wurden. Und den wunderbaren Sonnenblumenhonig gab es auch kaum. Das Öl aus neuen Sonnenblumen-Züchtungen zeichnet sich nach seinen Recherchen durch einen niedrigen Säuregehalt aus und wird in der Industrie unter anderem für die Produktion von Airbags verwendet.

Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth